Dichter sterben einsam

In den ersten Novembertagen konnten die republikanischen Milizen viel Terrain zurückerobern. Immer deutlicher wurden die Freikorps zurückgedrängt, so dass sich bald wieder über die Hälfte des melancholanischen Territoriums unter der Kontrolle der neuen revolutionären Regierung befand.

Die Demarkationslinie wurde immer weiter verschoben sowohl gen Norden, als auch  Richtung Süden.

Entschieden war der Kampf dadurch noch lange nicht, denn die Freikorps leisteten erbitterten Widerstand. Rohheit und Gewalt bestimmten weitgehend das Tagesgeschehen. Man schenkte sich nichts, auf beiden Seiten.

Wie ein Keil ragte die Ordensburg, dass allseits verhasste Symbol des Blauen Orden in das Gebiet der Revolutionäre. Hartnäckig versuchten die Eliteeinheiten des Ordens diese vor dem Zugriff zu verteidigen.

Eines Morgens hatten die Milizen das monströse Bauwerk umstellt und weitgehend abgeriegelt. Neidhardt hatte verfügt diese in Schutt und Asche zu legen.

Es versteht sich von selbst dass sich der gesamte Führungsstab der elitären Vereinigung, Thoralf, Frederic, Cassian und alle anderen längst in Sicherheit gebracht hatten, auf die Festung Trugstein, ganz im Süden des Landes, ein Gebiet das bisher noch von größeren Kampfaktionen verschont geblieben war.  Besonderer Mut gehörte noch nie zu deren Stärken, vor allem wenn sie  es mit einem ebenmäßigen Gegner zu tun hatten.   Mutig waren sie lediglich, wenn es gegen Schwächere ging. Feige überließen sie nun ihren Soldaten die Verteidigung der Burg.

Neidhardt hatte eine hohe Kopfprämie auf die Ergreifung der Führungselite des Ordens ausgesetzt. Dies hatte natürlich rein symbolische Bedeutung. Niemand rechnete  damit, dieser Clique wirklich habhaft zu werden.

 

Starke Übelkeit überkam Elena jeden Morgen nachdem sie sich erhoben hatte. Kaum hatte sie etwas gegessen spürte sie schon den Drang sich übergeben zu müssen. Des Weiteren der Heißhunger nach Süßigkeiten. Sie brauchte nicht lange zu überlegen was das bedeutete. Sie war schwanger. Vor dem Spiegel in ihrem Badezimmer stehend betastete sie mit den Handflächen ihren Bauch. Noch war nichts zu sehen. Doch in absehbarer Zeit würde sich der Bauch runden.

Eine ungünstigere Zeit für eine Schwangerschaft konnte es kaum geben. "Warum habe ich nicht besser aufgepasst?" Sprach sie leise.

Es war Leanders Kind das sie unter ihrem Herzen trug. Ein Kind der Liebe. Sie wollte es, daran bestand kein Zweifel. Doch in welche Welt würde es geboren?

 

Kovacs hatte die letzten Tage ganz allein verbracht, in der alten Siedlung am Stausee, dort wo vor Zeiten alles so viel versprechend begonnen hatte. Noch einmal die alte Behausung sehen, die so lange seine Zuflucht war. Hier wo er zeitweilig wie ein Eremit gelebt hatte, bevor all die andern kamen um sich ihm anzuschließen.

Noch einmal die Atmosphäre von damals spüren, noch einmal in sich gehen um das Leben Revue passieren lassen.

Er sah die alten Bilder kommen und gehen. Wie hatte er einst angefangen? Ganz allein. Aber es war eine gute Zeit. Er musste sich eingestehen, wohl die beste seines Lebens. Einfach so in den Tag leben, ohne Sorgen um das Morgen. Er konnte sich ganz seiner dichterischen Leidenschaft widmen. In dieser Phase waren seine bedeutendsten Werke entstanden. Er wurde Teil der einfachen Verhältnisse die ihn umgaben. Ging in die Kneipe und trank mit den Landpreka, spielte mit ihnen Karten und las ihnen aus seinen gerade fertiggestellten Schriften.

Wirklich einsam wurde es  für ihn nie.

Die Welt hatte ihn zu jenben Zeiten  fast vergessen, im nach hinein betrachtet gar nicht negativ. Erst als sie sich seiner wieder erinnerte kamen die Herausforderungen und Anfechtungen.

Er hätte es dabei belassen sollen. Warum nur fühlte er sich gedrängt immer wieder ins Tagesgeschehen ein zugreifen? Wie dumm er doch war. Doch nun war es zu spät. Nun hatte er den Stein ins Rollen gebracht der sich nicht mehr auf halten lies.

Seine Entscheidung freiwillig aus dem Leben zu scheiden hatte er längst getroffen, davon konnte ihn niemand mehr abhalten. Sein Geliebter Mattias hatte sich längst von ihm entfernt, wollte sich mit dem Wahnsinn nicht infizieren, wie er sagte. Selbst Colette sah sich außer Stande ihn noch umzustimmen.  Als seine treueste Schülerin hatte sie  ein inniges Verhältnis zu ihm aufgebaut, schlussendlich wurde sie seine Geliebte.

Das beste kommt zum Schluss. Konnte er dann einfach so aus dem Leben flüchten? Kovacs haderte mit sich. Auch die Tatsache das er die Kommune in der Abtei, ja überhaupt alle Menschen Melancholaniens im Stich lies, gerade zu einem Zeitpunkt, da sie seines Zuspruches am meisten bedurften, bereitete ihm  unendliches Kopf zerbrechen.

Aber er konnte einfach nicht mehr. Seine Batterien waren aufgebraucht, er war einfach des Kämpfens müde. Nicht um alles in der Welt wollte er in einer Diktatur leben, ganz gleich ob nun ein Thoralf oder ein Neidhardt dort den Ton angaben.

Es bestand kein Zweifel dass sie nach Beendigung der Kampfhandlungen einer Tyrannenherrschaft entgegenstrebten, denn einer von beiden würde sich am Ende als Sieger durchsetzen.

Melancholanien war seine Heimat, auch wenn er anarchistisch dachte, nie würde er diese verlassen um in einem anderen Land im Exil zu leben. Schlug das Pendel zu Gunsten des Blauen Ordens, würde aber gerade das sein Schicksal sein.

Auch die innere Emigration in die Alte Abtei, kam für ihn nicht in Frage, eine Variante die bei einem Machterhalt unter der revolutionären Regierung die Folge wäre.

Nein, diesem Leben konnte er nichts mehr abgewinnen, auch wenn es unzählige Menschen gab von denen er nur unter Schmerz Abschied nehmen können.

Leben? Was war das überhaupt? Er, der früher immer so lebensfroh daherkam, stets gut gelaunt und voller Optimismus. Er, der Schönheit und Anmut wie kein Zweiter in seinen Gedichten und Romanen pries, konnte heute nur noch das Dunkel sehen. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst, einer dem das Leben nichts mehr zu bieten hatte. Leben das war für ihn nur noch ein Gärungsprozess zwischen Geboren werden und Sterben, ein langsam aber beständiges dahinwelken.

Bedächtig schritt er am Ufer des Stausees entlang, jetzt im November kein freundlicher Ort, es hatte abgekühlt, die feuchte klamme Kälte ging durch die Kleidung und lies ihn frösteln.

Kleine Wellen gräuselten sich auf der Wasseroberfläche, ein paar Enten paddelten darauf und ihr Geschnatter drang zu ihm hinüber, so dass ihm einen Moment zum Lachen war.

Leichter Nieselregen setzte ein, er zog die Kapuze seines Parka über den Kopf, so dass nur noch sein Gesicht hervorlugte.

Das miese Wetter schien wie geschaffen für sein Vorhaben, spiegelte es doch  nur all zu deutlich seinen derzeitigen Gemütszustand wieder. Er begann am Körper leicht zu zittern.

Noch konnte er zurückrudern. Einfach in den LT setzen und in die Abtei zurückfahren, sich dort in seinem Häuschen verkriechen und verharren, so lange bis es eine Entscheidung gab im Land. Später konnte er sein Vorhaben noch immer in die Tat umsetzen. Eine lockende Versuchung. Verschieben? Sich vor der Entscheidung drücken? Davon laufen, wie er es schon so häufig getan hatte? Nein! Das kam für ihn nicht mehr in Frage! Jetzt war der rechte Zeitpunkt. Ein guter Tag zum Sterben.

Aus der Ferne konnte er das Donnern der Geschütze hören, das bestärkte ihn nur noch um so mehr in seinem Plan.

Armes Melancholanien, dachte er. Am Ende wirst du einer Mondlandschaft gleichen. Verbrannte Erde wohin auch immer das Auge blickte.

Beide Seiten hatten gründliche Arbeit geleistet, das Land war zerstört, es würde Jahre harter Arbeit bedürfen es wieder aufzubauen. Wer konnte flüchtete in eines der Nachbarländer. Ganze Landstriche waren schon jetzt entvölkert und drohten zu veröden.

Am anderen Ufer bemerkte er die Gestalt die sich ihm näherte und eilenden Schrittes auf ihn zukam.

Colette stampfte durch den Matsch am Ufer, froh über die Tatsache Kovacs überhaupt noch lebend anzutreffen. Ihre Augen rot, verquollen, Tränenbäche hatte sie vergossen in den beiden vergangenen Tagen. Im Gegensatz zu Matthias, der eingesehen hatte, dass es am günstigsten schien los zu lassen, da sich Kovacs ohnehin nicht mehr umstimmen lies, wollte die Kundra nicht aufgeben.

„Colette, warum tust du das? Warum lässt du mich nicht einfach allein? Wir haben uns gestern verabschiedet. Es gibt nichts mehr zu sagen! Ich lasse mich nicht umstimmen! Weder von dir noch von irgend einem anderen. Ich habe meine Entscheidung getroffen, der Weg liegt vor mir, den ich gehen muss.“

„Ich lasse dich nicht gehen! Ich denke nicht dran aufzugeben. Ich bleibe jetzt hier, ständig in deiner Nähe, solange bis du wieder zur Vernunft kommst. Du kannst uns nicht im Stich lassen. Wir brauchen dich, alle, jeder einzelne. Ich brauche dich! Ich liebe dich! Ich werde nicht zulassen, dass du dein Leben weg wirfst!“

„Ich werfe nichts weg, Colette! Ich habe nur zu gewinnen, bei dem was ich jetzt tue. Es gibt keine Leben mehr für mich, nicht unter diesen Bedingungen. Ich bin einfach nur des Lebens müde. Ich will nicht mehr und ich kann nicht mehr.“

Colette umarmte ihn, lies sich dann, an ihn geklammert zu Boden sinken.

„Ich bitte dich, tu es nicht! Tue es nicht! Tue es nicht!“

„Was ich am meisten bedaure ist, dass wir zwei unsere Liebe zueinander erst so spät entdeckten. Waren wir für einander bestimmt, ohne es zu wissen?         Keine hat meinen Worten mit solch einer Begeisterung gelauscht wie du. Keine hat versucht, der Theorie so radikal Leben einzuhauchen wie du.“

„Ich lasse dich nicht gehen!“

Colette klammerte sich an seine Beine und brach wieder in einen Weinkrampf aus.

„Doch das wirst du! Du kannst mich festhalten, heute, vielleicht auch noch morgen. Aber du bist außerstande, auf ewig bei mir Wache zu halten.“

„Dann werde ich mit dir gehen! Denn ohne dich hat diese Welt für mich keine Bedeutung mehr.“ Offenbarte sich Colette und das erschreckte ihn sehr.

„Gerne würde ich mit dir rüber gehen. Aber ich sage nein. Das wirst du nicht. Ich brauche dich hier in diesem Leben.“

„Was bist du denn für ein Anarchist? Selber Schluss machen, aber es den anderen verbieten, die es dir gleich tun wollen?“ Wunderte sich Colette.

„Ich will nicht dass du mich begleitest weil ich dich hier brauche. Du sollst vollenden, was ich nicht mehr vermag. Du wirst meine Ideen am Leben erhalten!“

„Ich soll dein Werk weiterführen? Ich?“

„Ja du! Bei keinem weis ich es besser aufgehoben als bei dir!“

„Aber was ist mit Elena? Wäre die denn nicht viel besser dafür geeignet. Hast du nicht immer gesagt, sie sei es die dir nachfolgen soll. Was immer diese Worte auch bedeuteten?"

„Elena ist die Politikerin, Elena ist die Anführerin die unsere Gesellschaft jetzt noch braucht, solange sie noch nicht imstande ist sich selber zu regieren. Elena wird die Menschen in die Akratie geleiten. Doch ich fürchte, nach meinem Verschwinden werden die Leute schnell vergessen was ich ihnen gelehrt habe. Dann kommt deine Zeit. Du wirst sie daran erinnern, mit jedem Atemzug deines Lebens. Du bist die Theoretikerin im Hintergrund. Elena wird an dir eine wichtige Stütze haben. Niemals dürfen sich eure Wege  trennen!“ Schwor Kovacs seine Schülerin ein.

„Ich habe nicht vor mich von Elena zu trennen, ich habe den Platz gefunden, der meiner entspricht. Aber das alles verdanke ich nur dir. Aus diesem Grund kann dich nicht gehen lassen!"

„Doch das musst du!“

„Nein, das muss ich nicht!“

„Colette, hör mir zu. Der Weg den ich zu gehen habe ist mir vor bestimmt, ich kann mich der Vorsehung nicht entziehen. Meine Aufgabe in diesem Leben ist erfüllt. Ich habe gesät, ernten werden andere. Du wirst dabei sein wenn eines Tages in Erfüllung geht woran wir geglaubt, wofür wir gekämpft und gearbeitet haben. Es wird seine Zeit brauchen, vorher werdet ihr noch durch so manches dunkle Tal schreiten müssen. Das wird euch aber nur gelingen, wenn ihr beständig zusammenhaltet.

Ich bin nicht wirklich verschwunden. Ich werde immer bei euch sein. Möglicherweise sogar viel präsenter als ich es zu Lebzeiten je sein konnte.“

Colettes Augen füllten sich mit Tränen, dann begann sie laut zu schreien und ballte dabei die Fäuste.

„Ich lasse dich trotzdem nicht gehen. Ich bin Anarchistin, ich gehorche dir nicht. Ich gehorche alleine meinem Gewissen und das verbietet mir dich allein zu lassen. Verstehst du denn nicht?“

Colette lies ich auf den Boden fallen und rollte zur Seite, schluchzte dabei laut und Tränenbäche ergossen sich aus ihren Augen.

„Ich verstehe nur all zu gut! Ich denke an deiner Stelle würde ich ebenso handeln.“

Colette schoss empor.

„Also besteht noch Hoffnung? Du wirst es dir noch mal überlegen? Du wirst es also nicht tun?“

„Ich sagte, wenn ich an deiner Stelle wäre. Ich bin es aber nicht. Deswegen stellt sich mir die Frage nicht.“

Resigniert lies sich Colette wieder auf die Knie sinken.

Eine Weile verharrten beide in angespanntem Schweigen. Es schien tatsächlich alles gesagt. Kein noch so stichhaltiges Argument würde ihn überzeugen.

„Colette, liebste Colette, mach mir den Abschied doch nicht so schwer. Las mich vollenden, was ich begonnen, hier und jetzt, auf meine Weise. Ich bin des Kämpfens müde. Ich bin der Ansicht einfach genug getan zu haben. Nun sind andere gefordert.

Der Tag wird kommen an dem auch du erkennen wirst das es für mich keine andere Wahl gab.“

Langsam erhob sich Kovacs und entfernte sich von der Stelle, schritt behäbig wieder am Ufer entlang.

„Dann geh doch! Geh doch! Lass mich im Stich, lass uns alle im Stich! Stiehl dich nur feige aus der Verantwortung!“

Rief Colette ihm wütend nach.

Kovacs reagierte nicht darauf, ging zielstrebig seinen Weg, bis er die Stelle erreichte, wo er seinen alten LT geparkt hatte.

Ein letzter Blick zurück, noch mal alles aufnehmen. So wollte er es in Erinnerung behalten, wenn er auf die andere Seite schritt.

Doch als er den Wagen bestieg, stellte er fest dass sich Colette bereits auf dem Beifahrersitz platziert hatte. Er vermochte nicht zu sagen, wie sie es geschafft hatte, sich ihm so schnell unbemerkt zu nähern.

„Colette, was soll das? Lass mich in Ruhe! Lass mich einfach in Ruhe!“

„Nein, das werde ich nicht. Ich habe dir geschworen nicht von deiner Seite zu weichen und genau das tue ich jetzt, Buchstaben für Buchstaben, damit du es weist, mich wirst du so schnell nicht wieder los.“

Kovacs schwieg. So kam er bei Colette nicht durch. Nur mit einer List konnte er es  ermöglichen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

„Na was ist? Fahr schon! Entweder wir gehen gemeinsam in den Tod oder keiner.“

Kovacs stützte sich auf das Lenkrad und stieß einen Seufzer aus. Schweigen langes schweigen.

Guter Rat war teuer, was konnte er tun? Colette überlisten? Nein, die war mit allen Wassern gewaschen, der machte keiner etwas vor. Sie zurückschicken, um angeblich etwas Zurückgelassenes zu holen, während er hier auf ihre Rückkehr wartete, sich aber dann auf und davon machte? Darauf fiel sie nicht hinein. Es schien geboten die Strategie vollständig zu ändern.

„Also gut! Du hast mich überredet. Ich werde es nicht tun. Jedenfalls nicht sofort. Ich werde nachdenken. Das heißt, wir werden gemeinsam nachdenken. Lass uns doch einfach in die Hütte gehen. Dort wo alles begann,  wo so viele Erinnerungen uns umgeben.“

Colette fiel ein Stein vom Herzen. Hatte sie gewonnen? Würde er tatsächlich von seinem Vorhaben ablassen? Sie war außer Stande diese Frage zu beantworten. Bei ihm musste sie mit allem rechnen.

Aber immerhin, im Moment hatte sie Oberwasser.

Sie entstiegen dem alten Gefährt und begaben sich in Richtung Siedlung. Kovacs öffnete die Tür zu seinem alten Bungalow. Alles vertraut. Wie oft hatten sie am Anfang hier gesessen und gespannt seinen Worten gelauscht, erinnerte sich Colette. Ihr damaliger anfänglicher Zweifel wich schon bald einem begeisterten Interesse. Sie glaubte hier zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie eine echte Bestimmung gefunden zu haben. Das sollte jetzt auf so tragische Weise enden? Niemals! Sie würde es verhindern. Dieser Mann musste leben! Die Welt bedurfte seiner noch.

„Setzt dich Colette, mach es dir bequem! Lass uns in aller Ruhe zusammenfinden!“ Bot Kovacs überschwänglich freundlich an.

Zusammenfinden? Nicht einfach nur Reden? Wenn Kovacs von Zusammenfinden sprach, meinte er stets etwas ganz Spezielles. Wollte er eine sinnliche Vereinigung, wie er dass zu bezeichnen pflegte? Colette war im Moment ganz und gar nicht nach Sex, doch wenn sie ihn dadurch von seinem Vorhaben abbringen konnte, sollte es ihr recht sein. Sie war zu allem bereit,  wenn es darum ging ihn um zu stimmen, warum also nicht auch mittels ihres Körpers?

Kovacs nahm neben ihr auf dem Sofa Platz und begann sie sanft zu berühren. Sie lies es geschehen.

Kovacs begann nun Colette langsam, Stück für Stück zu entkleiden. Er wusste dass sie das ganz besonders mochte. Schließlich bot sie ihm ihren nackten Körper dar.

Colettes männlicher Körper wirkte stark und kräftig, gleichzeitig aber überaus weich und geschmeidig.

Eine Weichheit die sich kaum in Worte fassen lies, dazu die androgyne Aura.

Kundras waren nun einmal besondere Menschen und ihnen haftete etwas mystisches, etwas geheimnisumwittertes an. Welch ein Segen sie doch für die Gesellschaft waren. Leider vermochten das nur die wenigsten zu begreifen.

Kovacs schloss Colette in seine Arme und begann sie zu liebkosen. Er behielt seine Kleidung an. Das verwunderte Colette nicht besonders, denn es schien so seine Art zu sein.

Vorsichtig tastete er sich an ihrem Körper entlang, gelangte schließlich zwischen ihre Schenkel. Colette begann leise aufzustöhnen. Was würde nun folgen? Die Kundra erwartete den Höhepunkt. Sie schloss ihre Augen und gab sich ihm in froher Erwartung hin . Doch anstatt des geilen Gefühls in der Lendengegend strömte nun ein penetrant-süßlicher Geruch in ihre Nase. Ihr wurde schwindelig und sie begann sich heftig zu winden und mit den Beinen zu strampeln. Doch es half nichts. Kovacs hatte sie fest im Griff und drückte ihr den Wattebausch mit dem Äther aufs Gesicht. Langsam sackte ihr Körper in seinen Armen zusammen.

Kovacs hatte sich dieses Betäubungsmittel aus Elenas Praxis beschafft, um es an sich auszuprobieren, was er aber nie tat. Nun erfüllte es doch noch einen Zweck.

Er hatte Colette ausmanövriert. Er griff unter ihre Arme und zog den splitternackten Körper durch den Raum in das kleine Schlafzimmer. Dort bette er Colette auf die dort befindliche Liege. Eine Weile noch streichelte er ihren Körper, die Brust den Bauch, Arme und Beine.

Dann küßte er sie mehrmals. Zum Schluss wickelte er sie in eine Decke, damit sie nicht frieren musste.

„Verzeih mir, dass ich dich auf diese Weise überlisten musste. Aber du ließest mir keine andere Wahl. Leb wohl, Liebes! Leb wohl du großes Geschenk. Trage mein Wissen weiter in die Welt. Ich weiß dass du mich nie vergessen wirst. Ich werde das auch nicht, wo immer ich mich auch befinden werde.“

Schnell verließ er den Bungalow. Die Wirkung würde sicher bald nach lassen, dann musste er weit genug entfernt sein. Hastig begab er sich zu seinem Leichttransporter und startete diesen.

Noch ein letzter Blick zurück, dann entschwand er.

Niemand vermag wohl zu deuten, was in seinem Kopfe vor sich ging, als er nun seinem sicheren Ende entgegenfuhr.

Abschied nehmen, von einer Welt die schon lange nicht mehr die seine war. Er hatte es getan, er fühlte sich merkwürdig frei.

Nach einer Weile hatte er sein Ziel erreicht. Vor ihm thronte die Ordensburg, so als hieße sie ihn willkommen. Die Milizionäre kannten den alten LT, trotzdem kam es ihnen komisch vor.

Was wollte der Dichter hier? Er ,der doch sonst alle Kampfhandlungen mit Abscheu betrachtete und die Gefechte fürchtete wie der Teufel das Weihwasser. Sie bedeuteten ihm sein Gefährt zu stoppen um sich zu erkundigen, doch Kovacs dachte nicht daran, durchfuhr einfach die Sperranlage. Ratlos blickten ihm die verdutzten nach. Sie hätten von der Schusswaffe Gebrauch machen müssen, so jedenfalls lautete ihr Befehl, doch sie taten es nicht. Keiner aus ihren Reihen würde auf den großen Dichter schießen.

Nun befand er sich im Niemandsland, ein schmaler Streifen markierte die Demarkationslinie, etwa 200 m. mit voller Geschwindigkeit hielt er auf die Sperre der Freikorpsleute zu. Die würden ihn mit Sicherheit nicht verschonen. 

Schon eröffneten sie das Sperrfeuer, die Kugeln schlugen zuerst neben den Wagen ein, geschickt verstand es Kovacs ihnen noch auszuweichen, in dem er das Lenkrad ruckartig hin und her bewegte.

„Katja ich komme!“ Schrie er den Namen seiner verstorbenen Frau, als die Geschosse durch die Windschutzscheibe zischten und ihn trafen, auch der Wagen wurde durchlöchert.

Kovacs wollte nicht in den Flammen sterben, deshalb öffnete er mit letzter Kraft die Fahrertür und lies sich schwer verletzt nach draußen fallen, während sein altes treues Gefährt mit voller Wucht gegen die Sperre der Freikorpsleute pralle und dort schließlich mit lautem Knall detonierte.

Fassungslos beobachteten die Milizionäre auf der anderen Seite das Geschehen. Ein lautes Palaver war zu vernehmen. Einige waren gewillt Kovacs zu Hilfe zu eilen, andere versuchten sie von dem Vorhaben abzubringen. Viele der Milizionäre waren mit Neidhardts Putsch nicht einverstanden, hielten insgeheim noch immer zu den entmachteten Räten. Zu Kovacs blickten sie mit Ehrfurcht empor.

Der Dichter schleppte sich mit letzter Kraft zu einem verkohlten Baumstumpf und lehnte daran.

Der Tod ergriff langsam aber stetig Besitz von ihm.

Das Leben schien wie ein Film noch einmal an ihm vorbeizuziehen. Er sah sie noch einmal alle, die ihm so viel bedeutet hatten, seine Frau, seinen Sohn, die schon nicht mehr unter den Lebenden weilten. Er sah Matthias, er sah Colette und er sah natürlich auch Elena. All die schönen Dinge die er erleben durfte, aber auch das Leid das ihn ständig auf irgend eine Art heimsuchte.

Lebe wohl du schöne Welt. Schön bist du noch immer, auch wenn die Menschen dabei sind eine Hölle aus dir zu machen. Ich werde dich in guter Erinnerung behalten. Vergib mir, dass ich dich auf diese Weise verlassen muss. Aber wenn Macht zu Recht wird, dann hat die Liebe keine Platz mehr in der Welt. Und in so einer Welt kann und will ich nicht leben.

Das letzte was Kovacs Augen sagen, war eine heftige Detonation an der inneren Mauer der Ordensburg, dann schlugen Flammen weit in den Himmel und Rauschschwaden senkten den Tag in tiefe Dunkelheit. Dass verhasste Symbol des Blauen Orden wurde von der Artillerie der Milizionäre mit Granaten belegt. Hier sollte wirklich kein Stein mehr auf dem andern bleiben.

Doch das ging Kovacs nichts mehr an, er war frei, er hatte diese Welt überwunden.

Ein heller Blitz, dann wurde es dunkel. Tiefe, Kälte, Absturz in ein schwarzes Loch, das Ende. Auflösung im Nirgendwo!

 

 

Kovacs befand sich auf einer leuchtend grünen Wiese, geziert mit tausenden bunten Frühlingsblüten. Ein Meer aus Farbe. Zu seiner Linken eine Plantage mit Apfelbäumen. Zartes Summen drang an seine Ohren, Insekten waren dabei den Nektar zu schlecken. Es kam ihm so vor als könne er auf einmal deren Sprache verstehen. Auch das Trällern der Singvögel klang so vollkommen anders als sonst üblich. Nie hatten Kovacs Ohren ein zarteres Zwitschern gelauscht.

Er betastete sich, er fühlte keine Schmerzen. Ein Alptraum? Er hatte sich sterben sehen, getroffen von Geschossen.

Wohlige Frühlingswärme umgab ihn. Frühling? Hatten wir nicht eben noch  tristen November?  Kovacs atmete tief ein und aus. Die klare Luft streichelte seine Lungen. Solch saubere Luft war in Melancholanien kaum zu haben. Nun gelang es ihm die Bäume, die ihn umgaben, genauer in Augenschein zu nehmen. Er kniff die Augen zusammen, denn er glaubte einer Sinnestäuschung zu erliegen. Die Bäume befanden sich in der Blüteperiode, gleichzeitig konnte er aber reife Früchte an ihren Zweigen entdecken. Wie war das möglich?

Er richtet sich auf und griff nach einer Frucht und betrachtete diese mit äußerster Skepsis, roch an ihr und biss schließlich hinein, der Saft benetzte seine Jacke, hinterließ jedoch keinen einzigen Fleck. Der Geschmack so zuckersüß und sinnlich, das er sich gar nicht genug daran laben konnte. Das übertraf bei weitem alles was seine Zunge bisher in seinem Leben hatte schmecken können. Was war mit ihm geschehen? Wie kam er hier her? Er beschloss zunächst die Gegend ein wenig zu erkunden. Langsam durchschritt er die Plantage, die von lauter Nebelbänken um geben schien. Plötzlich lösten die sich wie auf Befehl und vor ihm tat sich ein Weg auf.

Ein Waldweg, eine Allee prächtiger Bäume säumten seinen Weg. Riesen mit etwa 3m Durchmesser, die sich 100 ja wenn nicht gar 200 m in den Himmel streckten. Noch nie hatten Kovacs Augen etwas Derartiges gesehen. Er schritt voran, einen Weg der keinen Anfang und kein Ende zu haben schien.   

Am Horizont zeichneten sich die Konturen eines bizarren Hochgebirges ab. Die Gipfel reichten bis zu den Wolken, jedenfalls vermochte  Kovacs nicht deren Spitzen zu erkennen. Das vertraute Grauhaargebirge? Es erinnerte ihn daran, trotzdem war es anders.

Große Vögel mit herrlich buntem Gefieder, zogen majestätisch ihre Kreise am Himmel, jede Bewegung schien genau abgestimmt, es tat gut ihnen beim fliegen nach zu blicken, dass  wirkte geradezu beruhigend auf die Seele. Es hatte den Anschein als tanzten die mit einander.

Aus der Ferne drangen Klänge an seine Ohren, wundersame Klänge  wie von einem Orchester gespielt. 

Er erkannte eine Gestalt die sich hinter den Bäumen versteckte und hin und wieder hervorlugte. Eine kleine Gestalt. Mädchen oder Junge? Er konnte es nicht sagen. Wunderbar androgyn und sinnlich. Leuchtend blondes Haar und tiefblaue Augen, helle Gesichtsfarbe und ein roter Kussmund. Ein süßes Lächeln umspielte ihren Mund der von zarten Grübchen umrahmt wurde.

 

Je weiter er vorwärts schritt desto tiefer führte ihn sein Weg in Richtung eines in sattes Grün getauchten Waldes, auch hier begrüßten ihn Tausende und aber Tausende von bunten Blüten. Wundersame Farben. Kovacs konnte sich nicht erinnern je in seinem Leben solch ein Farbenspiel erblickt zu haben.

Er beugte sich zum Boden um das saftige Gras zu berühren, er hatte den Eindruck als ob es seine Hand streichelte, es fühlte sich fast körperwarm an.

Er lies sich im Gras nieder und blickte um sich. Was war geschehen? Wie um alles in der Welt kam er hierher? Was war das überhaupt für eine Gegend? Träumte oder wachte er?

Zu ideal um war zu sein. Warmes Wetter, aber noch im angenehmen Bereich. Und dann diese Luft. Er lies sie erneut tief in seine Lungen strömen. Dann schloss er die Augen, versuchte sich zu konzentrieren aber noch immer wollten sich seine Erinnerungen nicht einstellen.

Plötzlich umarmte ihn jemand von hinten, streichelte seine Wangen und küßte ihn. Es war jenes sonderbare Wesen. Danach tanzte es um ihn herum. Kovacs betrachtete es mit großer Freude und ihm wurde warm ums Herz.

Nach einer Weile erhob er sich wieder um seinen Weg fortzusetzen. Du wundersame Gestalt begleitete ihn. Wohin führte der Weg? Er hatte nicht die geringste Ahnung. Nach einer Weile erreichte er eine Quelle, die sanft vor sich hin plätscherte. Seine Kehle verspürte Durst. Er beugte sich über das Wasser und schöpfte mit der Hand ein wenig und benetzte seine Lippen. Was für ein Geschmack, nie zuvor hatte er köstlicheres Wasser geschlürft. Geradezu gierig danach schöpfte er noch einige Male. Kühles Wasser das beim Trinken den Körper von Innen mit einer wohltuenden Wärme durchflutete.

Seltsam, alles höchst sonderbar.

Er fühlte sich wohl und durch und durch glücklich. Kovacs konnte sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal im Leben von einem solchen Glücksgefühl erfasst wurde. Die Umgebung hier schien geradezu ekstatische Gemütszustände zu wecken.

Der Weg vor ihm schien unendlich. Immerhin war er schon eine ganze Weile gelaufen, aber die Konturen wollten sich nicht verändern. Was konnte er also tun als einfach weiter zu marschieren.

Das hübsche Wesen, schritt wortlos neben ihm her, zeitweise mit ihm Händchen haltend. Dann war es wieder verschwunden.

 Die Umgebung gefiel ihm und er hatte es überhaupt nicht eilig irgendwohin zu kommen. Die Zeit schien still zu stehen.

Da plötzlich löste sich der Weg vor ihm und gab die Sicht frei auf ein ganz eigenartiges Gebilde. Eine riesige Halle aus hellgrauem Sandstein mit einem Dach das aussah wie aus Kupfer gefertigt.

Irgendwie durchscheinend,  einer Fata Morgana gleich, so als sei es gerade dabei sich in Luft aufzulösen.

Auch dieses Gebäude schien keinen Anfang und kein Ende zu kennen. Es sah so aus als komme es am einen Ende aus der Erde und glitt am anderen direkt in den Himmel über.

Wie groß mochte es sein? Gigantisch! Wer konnte so ein Bauwerk schaffen?

Je weiter sich Kovacs ihm näherte, desto mehr schien sich dessen Substanz zu verfestigen.

Jetzt wurde es auf einmal von Bäumen umhüllt. Eine aus Naturstein gefertigte Mauer umgab das ganze Areal. Eine große Pforte wie aus Ebenholz zeichnete sich ab.

Langsam wurde diese von innen geöffnet. Eine männliche Person erschien, schloss die Pforte hinter sich und schritt direkt auf Kovacs zu.

Gekleidet in historisch anmutende Gewänder. Schwarzer Gehrock, hellbraune Kniebundhose, dazu leuchtend weiße Kniestrümpfe, schwarze Schuhe, die eine goldenen Schnalle zierte. Ein älter wirkender Mann mit ergrautem Haar und einem weltberühmten Gesicht.

Woher kannte ihn Kovacs?

Es hatte den Anschein, als erwarte er Kovacs schon.

„Gestatten? Goethe ist mein Name, Johann Wolfgang von Goethe:“ Bei seiner Vorstellung machte er einen leichten Diener mit dem Kopf.

„Sei mir gegrüßt! Ich bin vom Rat der Dichter beauftragt dich heute und hier in Empfang zu nehmen und in deine neue Heimat zu geleiten!“ Fuhr Goethe fort.

Jetzt fiel es Kovacs wie Schuppen von den Augen und er erkannte ihn. Ein Traum,  das wohl musste es sein.

„Goethe? Ich muss träumen! Sag was tue ich hier? Wie komme ich hierher?“

„Nun ein Traum ist es nicht, das kann ich dir versichern. Es ist real, realer als alles was du in deinem irdischen Leben bisher gekannt hast.“ Gab der Angesprochene zu verstehen.

„Real? Ist es real das ich hier mit Goethe spreche?“

„Hm, du bist verunsichert. Kann ich gut verstehen! Ging mir ebenso als ich dereinst hier oben ankam. Geht im Grunde allen so, wenn sie neu sind im Reich des Übersinnlichen.“

„Im Reich des Übersinnlichen?“ Kovacs verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte er auch, schließlich hatte er diese gerade überwunden, ohne es zu bemerken.

„Ich muss es dir ein wenig konkreter erklären. Komm las uns einfach hier Platz nehmen.“

Goethe deutete auf einen kleinen Felsblock der  vor der Mauer lagerte. Als Kovacs Platz genommen hatte stellte er mit Verwunderung fest, das sich dieser gar nicht wie Fels, sondern eher wie weicher Plüsch anfühlte und bei jeder Bewegung nachzugeben schien, so dass man immer die bequemste Sitzposition einnehmen konnte.

„Hast du denn gar keine Erinnerung an das was geschehen ist, gerade vor wenigen Augenblicken, nach irdischen Maßstäben gerechnet?“ Wollte Goethe wissen.

„Was geschehen ist? Ich muss mich schon sehr anstrengen, um meine Erinnerungen abzurufen. Was ist geschehen? Ich war….“ Es schien einfach nicht zu funktionieren.

„Keine Sorge die Erinnerungen werden wiederkommen!“ Beruhigte ihn Goethe.

„Es ist sehr unterschiedlich. Bei fast jedem etwas anders. Du bist eines gewaltsamen Todes gestorben, da ist es oft angebracht, nicht unmittelbar danach schon damit konfrontiert zu werden.“

„Tod? Ich bin Tot? Du willst damit sagen, das ich mich hier im Jenseits befinde, oder wie man es auch immer bezeichnen will?“

„Richtig! So ist es!“

„Das muss ein Irrtum sein! Das ist nicht möglich! Das kann nicht sein!" 

„Doch es ist! Akzeptiere es! Etwas anderes bleibt dir eh nicht.“

„ Ich bin platt. Du willst damit andeuten das es dieses Jenseits tatsächlich gibt?.“ Gestand Kovacs, der aus dem Staunen nicht mehr heraus zu kommen schien.   

„ Du hast Glück! Da du immer davon ausgegangen bist, dass es nach dem Tod in irgendeiner Art weitergeht, bleibt dir eine lange Anpassungsphase erspart.“

„Eine Anpassungsphase!“

„Ja, eine Anpassungsphase! Pass auf! Es gibt viele Menschen, die der Annahme sind, mit dem Tod sei alles aus und es gebe nichts weiter. Das aber ist ein großer Irrtum. Die haben es in der Regel schwer, wenn sie in Erfahrung bringen, dass es doch weitergeht. Vor allem Leute die, so wie du, freiwillig aus dem Leben scheiden und die hoffen so etwas wie die absolute Ruhe zu finden, ein auslöschen, auflösen oder wie auch immer, eben ein totales Nichts. Aber ein Nichts gibt es nicht. Das Sein währt immer und ewig. Energie kann niemals erlöschen, sie kann sich nur in eine andere Schwingungsebene verwandeln. Menschliches Leben ist mehr als bloße Energie. Menschliches Leben ist dauerhaft angelegt.

Menschen die nicht an ein Weiterleben nach dem Tod glauben, müssen erst langsam an die neue Dimension angepasst werden. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen. Sie leben quasi in einer Art von Zwischenexistenz, bis sie imstande sind zu akzeptieren. Verstehst du?“

„Ich versuche zumindest zu verstehen. Ich muss zugeben, dass es mir sehr schwer fällt zu glauben was du sagst. Aber es wird wohl so sein. Und wenn es so ist, dann ist dass was ich bisher zu sehen bekam sehr gut. Ich will hoffen dass es so bleibt.“

„Sehr gute Einstellung! Ich sehe du bist ein hoffnungsvoller Fall. Ich versichere dir, es bleibt so positiv, und es wird sogar noch besser, je weiter du voran schreitest.“

„Ja, es kommt wieder! Jetzt beginne ich mich auch langsam zu erinnern. Ich sehe vor mir was geschah. All den Schmerz, der Abschied, all die Menschen die ich zurücklassen musste.“

„Enorm, wirklich enorm. Du schreitest schneller voran als erwartet.“ Frohlockte Goethe.

„Melancholanien, richtig! Melancholanien ist es was ich zurückließ. Sag, wie wird es unten weitergehen? Kannst du es mir sagen?“

„Das obliegt nicht meinem Aufgabenbereich. Aber du wirst es selber in Erfahrung bringen, schon bald, wie ich vermute. Du warst ein geachteter Dichter in deinem Land, ja weit darüber hinaus. Meine Aufgabe ist es, dich dahin zu geleiten wo von nun an dein Platz ist. Zu den großen Dichtern und Denkern. Du gehörst jetzt zu uns und wirst an unserem Tisch sitzen für die Ewigkeit.“

„Am Tisch der großen Dichter und Denker? Ich wage es kaum zu glauben!“

„Doch das kannst du, denn dort gehörst du hin. Wir haben Rat darüber gehalten und waren verbunden in einhelliger Meinung. Du musst jetzt deinen Platz unter uns einnehmen.“

Kovacs erhob sich und blickte nach allen Seiten. Er betastete den Fels auf dem er gerade gesessen. Seine Hand fuhr durch das Gestein.

„Aber er ist nicht real, es ist kein Stein, es scheint überhaupt keine Materie zu besitzen.“ Drohte Kovacs erneut dem Zweifel zu verfallen.

„Du bist einfach noch nicht 100% frei von Zweifel, deshalb weigert sich dein Bewusstsein, die neue Realität zu akzeptieren. Aber wie ich schon sagte, es wird sich einstellen, mit der Zeit:“ versuchte Goethe zu beschwichtigen.

„Zeit? Ich war immer der Ansicht, das es in der Ewigkeit gar keine Zeit gibt!“

„Auch das ist ein allgemein verbreiteter Irrtum. Selbstverständlich gibt es bei uns  Zeit, nur das diese sehr, sehr langsam vergeht, so entsteht der Eindruck es gebe keine. Sowohl Langeweile als auch Hektik oder Stress sind bei uns unbekannt. Die haben ihre Bedeutung verloren, das ist der Grund warum man sich hier den Begrenzungen entziehen kann.“

Kovacs nahm wieder Platz. Er konnte sich ohne weiteres setzen, denn der Felsen war nun doch feste Materie. Alles offenbarte sich hier auf zweideutige Art.

„Ich denke, nun ist es an der Zeit dich in die erhabene Versammlung zu geleiten. Die anderen brennen schon darauf dich kennen zu lernen.“

„Mich kennen zu lernen?“ Wunderte sich Kovacs.

„Ja, du genießt hier schon lange einen ausgezeichneten Ruf. Wir sind bestens über dich und dein Werk informiert.“

Die beiden erhoben sich und schritten gemeinsam in Richtung Tor.

„Habt ihr alle ein bestimmtes Alter hier? Ich meine, wieso sehe ich dich als reifen Menschen mittleren Alters und nicht als Greis?“

„Gott bewahre! Nein, uns ist es gestattet eine Daseinsform zu wählen, die uns am besten entspricht. Ich habe mich für dieses Alter entschieden, weil es eine Lebensstufe repräsentiert, die mir am bedeutungsvollsten in Erinnerung ist. Dir bleibt das Alter erspart, ebenso wie meinem Freund Schiller, den du auch gleich kennen lernen wirst. Er war etwa in deinem Alter als ihn das zeitliche segnete. Ich hingegen lebte lange 83 Jahre. Es wäre kaum dienlich hier als alter Greis herumzulaufen, auch wenn ich es könnte. Glaube mir, altern ist keine schöne Sache. Schon gar nicht zu meiner Zeit. Die medizinische Versorgung steckte damals noch in den Kinderschuhen. In jener Zeitepoche war das altern eine echte Tortur. Kaum eine Stelle am Körper die mir keine Schmerzen bereitete. Ich kann dir sagen, ich war froh als ich feststellte,  alles überwunden zu haben.“

„Ich verstehe! Und ihr ändert euch nicht mehr? Ihr bleibt einfach so?“

„Ja, natürlich! Es sei denn wir möchten uns ändern. Kein Altern, keine Krankheit, kein Tod, so ist sie nun mal die Ewigkeit.“

Kovacs fand kaum die rechten Worte um zu beschreiben, was gerade in seinem Inneren vorging. Er befand sich doch tatsächlich in der Ewigkeit. Oder war am Ende doch nur alles Einbildung, ein Traum etwa? Wann würde er erwachen und sich in seinem Bett wieder finden?

Schließlich hatten sie das Tor durchschritten und fanden sich im Inneren des gigantischen Bauwerkes wieder. Was Kovacs hier erblickt stellte alles in den Schatten, was seine irdischen Augen je zu Gesicht bekommen hatten. Nein, nicht einmal ein Traum vermochte so etwas herbei zu zaubern.

Es hatte die Form einer riesigen mehrschiffigen gotischen Kathedrale. Wuchtige Säulen stützten ein gewaltiges Gewölbe dessen Höhe sich nicht einschätzen ließ. Kovacs blickte nach rechts, durch eine Rosette fiel Licht in das Innere und tauchte alles in ein mystisch- erhabenes Ambiente. Auch von den seitlich angebrachten Fenstern, dessen Spitzbögen in die Höhe streben drang Licht in den Saal. Herrliches bunt. Alle Farben des Regenbogens schienen darin vereint. Je höher Kovacs seinen Kopf reckte, desto weiter schienen sich die Wände nach oben auszudehnen. Jedenfalls konnte er auch hier keinen Abschluss ausfindig machen. Das Deckengewölbe schien irgendwie im Nebel aufzugehen. Da plötzlich erblickte er an den Wänden Regale. Regale mit unzähligen Büchern, kostbar mit Einbänden verziert. Leitern oder Treppen suchte er vergeblich, die wurden nicht benötigt wie er schnell feststellte, denn es gelang den Leuten die sich hier tummelten aus dem Stand in die Höhe zu gleiten und solange vor einer Regalwand zu verweilen, bis sie ihr Buch gefunden hatten.    

Auf dem Boden eine lange Tafel aus wuchtigen Eichenholztischen zusammengestellt. Oder war es nur ein einziger Tisch? Es lies sich nicht in Erfahrung bringen. Etwa 3 Meter breit. Flankiert von bequemen braunen Holzstühlen, mit hoher Lehne und dunkelgrünem Plüschbezug.

Viele kostbare Bücher befanden sich darauf. Berühmte Werke von unschätzbarem Wert. Und nun erkannte er auch die Menschen die hier Platz genommen hatten. Dichter, Schriftsteller, Literaten von Weltruf, saßen hier beieinander und diskutierten.

Die Tafel zog sich weit nach unten und schien kein Ende zu nehmen. Es kam ihm so vor als sei hier alles irgendwie unendlich, in keine fest gefügte Form gegossen. Alles war imstande von einem auf den anderen Augenblick seinen Zustand zu verändern, sich aufzulösen und an anderer Stelle neu zu materialisieren.

Geschäftiges  Treiben wohin sich auch seine Augen wandten. Trotzdem erfüllte wohltuende Ruhe die ganze Szenerie. Es hatte den Anschein, als arbeiteten die Leute hier unablässig an ihren Werken. Jetzt blickte er genauer hin. Einige die ganz weit am unteren Ende ihren Platz hatten taten das auf altertümliche Art und Weise, mittels Federkiel und Tintenfass. Andere, die sich in seiner Nähe befanden benutzten Schreibmaschinen und man konnte das zarte Getippe hören. Die Nachbarn zu seiner Rechten schließlich bedienten sich neumodischer Notebooks.

„An diesem Platz wirst du in Zukunft sitzen und deinem Tagwerk nachgehen, so wie du es auch auf Erden täglich für mehre Stunden verrichtet hast.“ Holte Goethes Stimme ihn aus seinen Träumen.

„Ich habe meinen Platz etwas weiter unten, entsprechend meiner Zeit. Wir können, wenn du magst, gerne erst ein Stück weiter gehen. Da gibt es einige die dir gerne einen guten Tag wünschen möchten.“

Die beiden schritten an der langen Tafel entlang. kovacs Kniff die Augen zusammen, denn erneut vermutete er in einem Traum zu wandeln. Er konnte nicht glauben wen er hier alles zu Gesicht bekam.

Thomas Mann befand sich gerade in einem angeregten Gespräch mit Ernest Hemingway als sie an ihnen vorbei schritten. Thomas Mann grüßte freundlich und erhob die Hand. Ihnen direkt gegenüber hatte William Butler Yeats Platz genommen und hörte den beiden aufmerksam zu. George Orwell brütete über eines seiner Manuskripte und nickte nur beiläufig herüber. 

Etwas weiter unten versuchte Charles Dickens gerade einen Bleistift anzuspitzen und blickte äußerst ungläubig auf das Ergebnis in seiner Hand. George Bernard Shaw befand sich in einer Ansammlung weiterer Dichter und unterhielt diese mit seinen Scherzen.

Als sie schließlich ihr Ziel erreicht hatten trat Clemens Brentano auf Kovacs zu und schüttelte diesem freundlich die Hand zur Begrüßung.

„So hier befindet sich mein Domizil. Sieh dich nur um, es ist alles echt. Hier mein Freund Schiller, der auch in der Ewigkeit nicht von meiner Seite weicht. Uns direkt gegenüber Lessing, dir auch bestens bekannt.“

Lessing blinzelte über sein altmodisches Nasenfahrrad, während sich Schiller von seinem Platze erhob und Kovacs begrüßte.

„Sei mir gegrüßt Kovacs. Freund der Menschen und Kämpfer für Gerechtigkeit und Gleichheit. Wir alle warten schon gespannt auf das was du uns zu sagen hast.“

„Typisch Schiller, ein Kämpfer für die Menschheit in seiner Zeit, so wie du in der deinen. Ich denke ihr werdet euch gut verstehen.“ Stellte Goethe fest.

„Das werden wir!“ Entgegnete Schiller. „Ich bin gespannt wie es da unten mit deinem Lande weitergeht. Ich verfolge das mit großem Interesse. Ich wollte, die Menschen zu meiner Zeit hätten über solche Möglichkeiten verfügt.“

„Hm, aber wie du siehst, können die in Melancholanien auch nicht besser mit der Freiheit umgehen und haben sie längst schon wieder verspielt.“

„Das ist war! Die Zeiten ändern sich, die Menschen offensichtlich nicht oder kaum, das ist eine Tragik!“ Bedauerte Schiller.

„Wir kommen gleich wieder. Ich möchte Kovacs nur noch ein wenig weiter von unserem Anwesen präsentieren.“

Sie setzte ihren Weg weiter fort.

„Nun nähern wir uns der Renaissance, siehst du, dort sitzen Shakespeare und Cervantes danach das Mittelalter, erkennst du ihn? Richtig! Es ist Dante. Später kommen wir zur Antike, danach wird es schwierig. Die Vorzeit, ihr nennt es wohl Prähistorie, kannte auch seine Dichter. Die sind nur schwer ausfindig zu machen. Es gibt auch Leute deren Existenz nicht eindeutig nachzuweisen ist, die begegnen uns nur in verhüllter Form, in einer Art von künstlichem Nebel.

Wir sind stets darum bemüht, möglichst allen Geistesgrößen den Raum zu bieten der ihnen zukommt.“

„Ich glaube es nicht! Das ist….das ist einfach nur Wahnsinn. Ich darf an der Tafel der großen Dichter sitzen.“

„ Und genau dort gehörst du hin!“ Goethe klopfte ihm auf die Schulter.

„Eigenartig! Als Kind hatte ich manchmal solche Träume. Ich würde allen berühmten Dichtern begegnen, ihnen die Hand schütteln, mit ihnen reden, mich ihnen zu gesellen. Jetzt ist es tatsächlich soweit. Auf Erden würde man sagen, ich bin jetzt im Himmel!“

„ Um es präzise auszudrücken, der Himmel der Kreativen. All jener die im Stande sind mit ihrem Kopf zu arbeiten. Aber diese Halle ist nicht die einzige, es gibt noch weitere.“

„Noch weitere? So wie diese?“

„Ja, richtig. Sieh dort drüben!“

Kovacs blickte aus der Seitentür die sich vor ihnen auftat und konnte vis a vis ein weiters Bauwerk dieser Art  betrachten. Ebenso majestätisch und gigantisch, wie dass in dessen Innern sich befanden.

„Und wen darf ich dort antreffen?“ Kovacs Neugier kannte keine Grenzen.

„Es ist die Halle der Musikanten und Komponisten, alle bedeutenden Tonkünstler der verschiedenen Zeitepochen sind dort drüben für die Ewigkeit vereint. Wir stehen in ständigen Kontakt, besuchen uns auch regelmäßig. Übrigens heute sind wir zu einem Konzert nach drüben eingeladen, du kannst gerne mit kommen wenn du magst, Beethoven spielt aus seinen Werken.“

„Beethoven?“

„Ja, Beethoven. Ein sehr angenehmer und lebenslustiger Zeitgenosse, gar nicht so grantig und abweisend, wie ich ihn noch zu unsern gemeinsamen Lebenszeiten kennen lernen konnte. Hier erlebst du einen Beethoven wie er wirklich war, bzw wie er hätte werden könne, wenn nicht seine schwere Behinderung einen menschenscheuen Sonderling aus ihm gemacht hätte.

Ein tauber Komponist, kann es etwas Tragischeres geben?“

„Hm, ein blinder Maler oder Bildhauer?“ grübelte Kovacs.

„ Richtig! Aber davon ist mir nichts bekannt. Die Halle der bildenden Künstler, also Maler, Bildhauer, Holzschnitzer und was es sonst noch dergleichen gibt, findest du auf der gegenüberliegenden Seite.“

„Gigantisch, großartig! Ich weis nicht was ich noch erwidern soll!“

„Lass es einfach auf dich wirken! Hörst du, da drüben, die Musiker? Ihre Melodien sind ständig präsent. Musik ist ewig und unsterblich. Die Töne verzaubern unser Gemüt auf ganz besondere Weise!“ Schwärmte Goethe.

„Und die vertragen sich? Ich meine, bei der Dichtkunst ist es einfach, aber die Musikkunst, so viele Richtungen und Varianten aus so viele Zeiten beieinander. Gibt es da nicht auch mal Streit oder so?“

„Streit? Kennen wir nicht! Es gibt Dispute. Klar, es kommt schon mal vor das der gestrenge Johann Sebastian etwas missmutig drein blickt wenn Elvis seine Gitarre würgt und dazu die Hüften schwingt, aber deshalb kommen sie doch gut mit einander aus. Wir lernen einfach einander in Respekt und Würde zu begegnen. Das ist auch gar nicht anders möglich, wenn du bedenkst, es ist die Ewigkeit, wir kennen hier keinen Anfang und kein Ende. Ständig bekommen wir neuen Zuzug. Auch die neu hinzukommenden werden hier mit dem gleichen Respekt behandelt, wie die schon alt eingesessenen. Auch du gehörst jetzt zu uns, mit allen Rechten.“

Dies stimmte Kovacs etwas nachdenklich. Es gab kein Zurück ins irdische Leben, das hatte er ein für allemal verwirkt. Aber er würde seine Freunde alle wieder sehen.

Elena und Leander und Colette und wie sie alle waren. Das gab ihm neue Zuversicht und langweilig würde es hier in der Tat nicht, wenn er daran dachte, was noch so  alles vor ihm lag, was es hier zu entdecken gab. Ein gigantisches Reservoir an Möglichkeiten.

„Seit ihr ständig hier? Ich meine, dauerhaft in dieser Halle?“

„Nein, natürlich nicht. Wir kommen täglich hierher um uns auszutauschen. Aber jeder hat hier so eine Art von Universum für sich allein, je nach Geschmack und Neigung und seiner Zeit entsprechend angepasst. Ein kleines Haus zum Beispiel, wie ich . Auch du hast ein Refugium

das deiner entspricht.“

„Was ist mit meiner Frau Katja und meinem Sohn. Sind die hier? Warten die auf mich?“

„ Was dachtest du denn? Du wirst sie wieder sehen, mit ihnen leben. Mit allen die du im Leben geliebt hast und die dir vorangingen, soweit du den Kontakt wünschst. Aber alles zu seiner Zeit, erst musst du dich bei uns einleben.“

„Wie lange wird das in etwa dauern?“

„Das kommt auf dich an. Du musst lernen, dass die Zeit hier eine völlig andere Bedeutung hat, du spürst sie nicht. Sie kann dir nichts an haben, dir keinen Schaden zufügen so wie im irdischen Leben. Deine Frau und dein Sohn sind nach ihrem Empfinden auch gerade erst hier angekommen. Es wird euch so vor kommen, als hättest ihr euch erst wenige Stunden vorher verabschiedet, wenn ihr euch gegenübersteht. Du siehst, Eile ist nicht geboten. Jegliches hat seine Zeit.“

In der Tat, die neue Umgebung begann sich auf Kovacs auszuwirken. Er spürte plötzlich keine Eile mehr. Einfach abwarten und der Überraschungen harren, die sich ihm wohl noch in Fülle bieten würden.

Goethe geleitete Kovacs zurück in die Halle zu dessen Platz.

„Beim schreiben zu sitzen ist übrigens eine sehr sinnvolle Sache. Gab es zu meiner Zeit leider noch nicht. Da benutzte man Schreibpulte, schrieb im stehen, wie unbequem. Ich lies mir damals eigens einen Schemel fertigen, als ich älter wurde. Ich benutze Federkiel und Tinte, wie in meinen Jahren üblich. Ich könnte auch die moderneren Utensilien benutzen, aber ach. Warum soll ich mich mit Dingen beschäftigen die es zu meinen Lebzeiten noch gar nicht gab. Du wirst es da bedeutend einfacher haben. Geh jetzt! Mache dich mit deinem Platz vertraut, nimm Besitz davon, er steht dir zu.“

Nun bewegte sich Kovacs allein zurück zu dem ihm zugewiesenen Platz. Derzeit das Ende, jederzeit erweiterbar, durch all jene die nach ihm kamen. Sein direkter Nachbar war John O`Donohue ein viel zu früh verstorbener irischer Poet und Philosoph. Die beiden verstanden sich auf Anhieb prächtig. Kovacs freute sich auf die Zusammenarbeit.

Der Schleier lüftete sich und Kovacs erkannte die Beutung. Er war angekommen. Das hier war die reale Welt und nicht jene die er gerade hinter sich gelassen. Er war zuhause. Er war heimgekehrt in den Mutterschoß.

Melancholanien lag zurück, es war immer nur ein Exil, so wie die ganze Welt mit ihren irdischen Fallstricken und Täuschungen. Ach könnte er doch nur eine kleine Nachricht senden, allen die er zurückgelassen. „Mir geht es gut! Macht euch keine Sorgen! Wir sehen uns bald wieder!“

Nein, das war nicht möglich! Die würden es wohl kaum verstehen. Jeder musste  eigene Erfahrungen machen. Trotzdem wollte er weiter am Geschehen teilhaben und hier aus sicherer Entfernung über seine Hinterbliebenen wachen. Möglicherweise konnte er ihnen ja von Zeit zu Zeit eine kleine verschlüsselte Botschaft zukommen lassen.

Dass mysteriöse androgyne Wesen wurde zu seinem Gefährten/Gefährtin für die erste Zeit, es war imstande jederzeit sein Geschlecht zu wechseln, konnte ein Junge sein oder ein Mädchen oder auch beides zugleich. Es sprach nicht viel, war aber stets zur Stelle wenn Kovacs seiner bedurfte um sein Leben zu versüßen und ihm in allem ein Helfer zu sein.

Er war im Dichterhimmel. Eines stand mit Sicherheit fest. Dichter mögen einsam sterben,  ihre Namen aber leben ewig.

 

Die Milizionäre hatten unterdessen das Chaos auf Seiten der Freikorpsleute ausgenutzt und Kovacs Leichnam in Sicherheit gebracht. Wenige Stunden später befand sich dieser schon in der Basilika auf dem Gelände der Alten Abtei aufgebahrt. Trotz der unsicheren Lage überall im Land wollten viele persönlich Abschied von Melancholaniens großem Sohn nehmen. zumindest all jene , die von seinem Tod erfahren hatten. Die Schlange die sich an  seinem Sarg vorbeischlängelte wollte kein Ende nehmen.

Alle waren sich der Tatsache bewusst dass mit Kovacs Tod nun die allerletzte Hoffung auf eine wie auch immer geartete Alternative zu Diktatur und Tyrannei zu Grabe getragen wurde.

Reichlich flossen Tränen an jenem Tag. Kovacs der Unersetzliche. Es gab einfach keinen der ihn auch nur annähernd würde ersetzen können. Colette wagte gar nicht an den Auftrag zu denken, an all die Worte die er ihr auf den Weg gegeben hatte. Nie würde sie in seinen Schuhe wandeln können.

Elena stand unter Schock, sie vermochte im Moment gar nichts zu sagen. Sie wähnte sich in einem Alptraum , ständig darauf hoffend zu erwachen, um Kovacs auf dem Gelände der Abtei zu  begegnen. Es wurde auf eine große Trauerfeier verzichtet. Das wollte man später nachholen, wenn sich die Lage etwas beruhigt hatte. Elena war nicht im Stande zu sprechen. Sie überlies Pater Liborius die Trauerfeierlichkeiten, der darin eine gewisse Routine besaß.

Cornelius und all jene die außerhalb der Abtei lebten, erfuhren ohnehin erst

Tage später vom Tod des so bedeutungsvollen Gefährten.

Nun wurde es Nacht über Melancholanien. Das Herz des Dichters hatte aufgehört zu schlagen und mit ihm der Atem der Freiheit.

 

Tags darauf standen die Bewohner der Abtei noch immer unter Schock. Colette saß wie so oft in der Sakristei der Basilika. Alexandra war bei ihr, versuchte ihrer Freundin ein wenig Trost zu spenden. Die Entscheidung war gefallen, sie würde mit Ronald gehen. Der war nun Minister in Neidhardts Kabinett. Alexandra würde die Gattin eines hohen Regierungsbeamten. Warum nicht mit ihm gehen? Keiner vermochte zu sagen, wie es hier weitergehen sollte. Die junge Schwesternschaft begann sich aufzulösen, die ersten Risse traten schon jetzt deutlich in Erscheinung. Alexandra zögerte nur noch ein wenig mit ihrem Weggang, der derzeitige Moment schien nicht gerade günstig.

„Colette, liebste Colette. Sonst bist du immer so fröhlich, dein Humor steckt an. immer ein gutes Wort für jedermann. Dich so zu sehen bereitet mir tiefe Schmerzen. Wie kann ich dir Trost spenden? Ich habe Angst das Falsche zu sagen und es dadurch noch schlimmer zu machen.“ Alexandra hatte ihre Hand auf Colettes Schulter gelegt und drückte diese an sich.

„Die Tatsache, dass du einfach da bist, hier bei mir, hilft mir schon ganz gewaltig. Es bedarf nicht vieler Worte. Ich muss einfach damit leben, wir alle müssen damit leben. Immerhin bleibt Kovacs erspart, was nun auf uns zukommt. Der Zerfall der Kommune, sie war sein Lebenswerk. Er konnte es wohl nicht verkraften.“ Entgegnete Colette, die scheinbar ihre Fassung wieder erlangt hatte.

„Du meinst wirklich dass hier alles auseinander fällt?“

„Ist erst einmal das Bindeglied verschwunden setzt der Zerfall oft schon nach kurzer Zeit ein. Du wirst sehen, die Schwesternschaft zerbricht, auch Elena wird dieser Entwicklung nicht entgegen wirken können.“

„Ich selbst trage auch mit dazu bei. Es tut mir unendlich weh. Aber ich muss eine Entscheidung treffen. Ich kann es nicht ewig vor mir herschieben.“ Alexandra sprach damit ihr eigenes Dilemma an.

„Du musst dich nicht rechtfertigen. Das Band ist ohnehin brüchig. Geh mit Ronald oder bleib hier. Am Ende wirst auch du den Zerfall nicht auf halten können. Alle tragen gleichermaßen die Verantwortung dafür.“

Alexandra ließ sich auf den Boden nieder und lehnte ihren Kopf an Colettes Knie.

„Ich bin hin und her gerissen. Ich liebe Ronald. Er möchte das sich zu ihm komme, ich möchte es auch. Aber ich bin hier zuhause und ich liebe Kyra. Kann man denn überhaupt zwei oder mehr Menschen auf die gleiche Art lieben? Ist da nicht eine Entscheidung unausweichlich? Werde ich nicht irgendwann zerrissen?“

„Das kommt darauf an wie du den Dingen ins Auge blickst. Natürlich kannst du auch mehrere Personen zeitgleich lieben. Aber du bist immer in Gefahr zerrieben zu werden, auch lässt es sich wohl nicht vermeiden ständig der Gefahr ausgesetzt zu sein, einen Menschen den du liebst zu verletzen, wenn du mit einem anderen abgehst. Polyamor ist eine schöne Sache, wenn sie denn funktioniert. Gibt es nur einen Verlierer, platzt die ganze schöne Theorie wie eine Seifenblase.“ Gab Colette unmissverständlich zu verstehen.

„Ich möchte mit Ronald gehen, der ist so beständig, so fest im Leben verankert. Er wird eine hohe Stellung einnehmen, das gibt mir jene Sicherheit derer ich im Moment zu dringend bedarf. Ich kann mich an seine Schulter lehnen, ihn machen lassen. Mich einfach auch mal fallen lassen, wenn mir danach ist. Mit Kyra ist das ganz anders, diese Liebe ist jung und wild, wir sind uns ebenbürtig in allen Belangen. Da lebt Spontanität, da brennt ein Feuer echter Leidenschaft. Mit ihr werde ich wieder zum Teenager, das gibt mir viel Kraft. Ach könnte ich Kyra doch nur mitnehmen!“

„Hm, wird sich kaum einrichten lassen. Kyra ist ihrerseits auch anderweitig verbandelt, mit Folko. Ihr sitzt also im gleichen Boot.“

" Das macht die Sache doppelt schwer!“

„Alle Probleme lassen sich lösen. Versucht es! Solange ihr eure Liebsten noch unter den Lebenden findet, lässt sich alles lösen. Der Tod erst bedeutet endgültige Trennung. Wir lernen einen Menschen erst in jenem Moment wirklich zu schätzen, wenn wir ihn für immer aufgeben müssen.“

Alexandra erschrak, wie konnte sie nur so pietätlos sein und die trauernde Colette mit ihren

Problemen belästigen.

„Bitte verzeih! Ich blöde Kuh spreche hier von meinen Angelegenheiten, das sind Lappalien im Vergleich zu deiner Trauer.“

Sie griff nach Colettes Hand und küßte diese immerfort.

„Nein, es sind keine Lappalien! Und du musst dich für nichts entschuldigen. Im Gegenteil, wenn ich hier mit dir über deine Angelegenheiten spreche, mich also den alltäglichen Dingen widme, hilft es mir loszulassen. Ich muss mich ablenken und Kräfte sammeln denn in diesem Tagen brauchen wir alle einen klaren Kopf für Entscheidungen. Es tut mir gut mit dir zu reden.“

„Danke dir! Ich will dich auf keinen Fall verletzen, dich am allerwenigsten von allen.“

Alexandra schmiegte sich enger an Colette.

„Kann es sein das du Ronald nicht sonderlich magst, die letzte Zeit?“ Wollte Alexandra wissen.

„Als Mensch mag ich ihn schon. Ich mag nicht was er tut. Seine Funktionen, die Rolle die er bald in Neidhardts Umgebung spielen wird. Das treibt persönlich immer deutlicher einen Keil zwischen uns.“

Erwiderte Colette, während sie Alexandra durch ihr glänzend braunes Haar strich.

„Wenn ich mit ihm gehe, wirst du auch mich nicht mehr mögen?“

„Unsinn! Dich werde ich immer mögen, selbst wenn du morgen die Frau Präsidentin bist. Wir sind Schwestern, unser Band ist unverbrüchlich, nichts kann uns trennen.“

„Da bin ich beruhigt! Das ist meine größte Angst! Auch das mich die anderen verachten, weil ich sie in einer schwierigen Situation im Stich lasse. Das würde mir das Herz zerreißen.“

„Auch die anderen werden Verständnis aufbringen. Die Schwesternschaft besteht weiter,auch wenn wir auseinander gehen. Der Kreis öffnet sich, aber er wird nicht zerbrechen. Wo auch immer du sein magst, wir werden bei dir sein und du wirst deinen Platz in unserer Mitte beibehalten, auch wenn du physisch nicht anwesend bist.“

„Ich habe Angst Colette. Ich kann diesen Neidhardt nicht ausstehen. Es bereitet mir große Furcht in dessen Nähe ausharren zu müssen. Dieser spröde hölzerne Typ, einfach unheimlich. Ich werde tiefe Sehnsucht nach euch verspüren. Nach euch und eurer Wärme."

„Wenn es dir zuviel wird kannst du jederzeit zurückkehren. Nichts wird dich daran hindern. Halte dich von Neidhardt fern so gut es eben geht, er wird dir in der Tat nicht gut bekommen."

Ein Tyrann ist niemals der richtige Umgang.“ Warnte Colette eindringlich.

Alexandras Augen füllten sich mit Tränen.

„Ein Zuhause, ich hatte erstmals im Leben ein echtes Zuhause und nun verlasse ich es, Wahnsinn.

Ich werde euch schrecklich vermissen:“

„Na, ich denke, wenn du erst mal Frau Minister bist, wirst du uns sehr schnell vergessen?“

Waren Colettes Zweifel echt oder nur ironisch zu verstehen? Alexandra sah sich außer Stande es zu deuten.

„Niemals! Ich werde euch niemals vergessen! Frau Minister, wie sich dass anhört. Ich stelle mir vor was wohl Kovacs dazu sagen würde:“

„Er wäre sicher wenig angetan, denke ich!“

„Das ist es was ich meine. Ich habe seine Worte in den Ohren, aber ich handele nicht danach. Das stimmt mich unendlich traurig!“

„Alex, kleine Alex. Hör auf dir den Kopf zu zerbrechen. Du musst  Erfahrungen sammeln und dich ihnen stellen, sonst wirst du unmöglich zur Erkenntnis gelangen. Später kannst du immer noch eine Entscheidung treffen. Aber allein die Tatsache, dass du dir Gedanken machst, spricht schon für dich. Ich werde dich auch sehr vermissen und ich verspreche dafür Sorge zu tragen dass die Tür weit offen steht, wenn du einmal wieder kommst.“

Nun brachen sich die Tränen ihren Weg.

„Ich werde dich unendlich vermissen!“ Alexandra  küßte Colette dann stürzte sie aus der Tür ins Freie.

Eine weise Entscheidung, denn somit brauchte sie bei der sich an schließenden Auseinandersetzung zwischen Colette und Ronald keine Zeugin sein.

Auf dem großen Parkplatz fuhr eine schwarze Staatskarosse vor. Ronald entstieg und schickte sich an Alexandra an ihr Versprechen zu erinnern. Schnell sollte es gehen, er wollte möglichst keinen Kontakt zu den anderen. Doch es war niemand zu finden, wie ausgestorben. Er sah sich gezwungen dass zu tun, was er eigentlich vermeiden wollte, die Basilika betreten. Hier waren immer Leute zu finden. Und er traf auf jene Person, die er von allem am meisten fürchtete, auf Colette. Die letzte, ausgesprochen unangenehme Begegnung hallte noch immer in ihm wieder.

„Wie ich sehe, steht das Empfangskomitee schon bereit.“ Versuchte er zu lästern, als er Colette ansichtig wurde.

„Welche Ehre, der Herr Minister begibt sich in die Niederungen des einfachen Volkes. Was verschafft uns die Ehre.“

„Ich möchte zu Alexandra! Kannst du mir sagen wo ich sie finde? Auf ihrem Zimmer ist sie nicht und auch sonst suchte ich bisher vergebens.“

„Du bist gekommen sie uns weg zu nehmen, das wolltest du sagen!“

„Was soll das Colette? Ich habe nur eine höfliche Frage gestellt. Alexandra ist meine Frau, ich werde doch wohl ein Recht haben sie zu besuchen und notfalls auch mit zu nehmen.“ Beschwerte sich Ronald.

„Deine Frau! Wie sich das anhört! Alexandra gehört niemanden! Sie gehört vor allem sich selbst! “

„Wie ich sehe macht eine Unterhaltung mit dir auch heute keinen Sinn, so wie schon das letzte Mal. Die endet wieder nur im Streit und danach ist mir im Moment ganz und gar nicht zumute. Alexandra muss sich entscheiden. Ich werde euch kaum noch besuchen können. Denn meine neue Stellung verbietet es mir ab sofort euch noch als meine Freunde zu bezeichnen.“

Ronald rollte beim sprechen auffällig mit den Füßen, von der Ferse auf die Ballen und wieder zurück, so als müsse er Colette gegenüber seine Stellung betonen.

„Aha soweit sind wir schon? Der Herr Minister schämt sich seiner ehemaligen Freunde? Er sieht sich gezwungen den Kontakt meiden, ist der Karriere nicht dienlich, was? Eine feine Sache. Schöne Methoden die ihr da einzuführen gedenkt. Da können wir ja frohen Mutes in die Zukunft blicken.“

„Kann ich nun zu Alexandra oder verwehrt ihr mir den Zutritt? Das solltet ihr nicht tun, das werde ich nicht dulden!“

„Der Herr fühlt sich stark genug um uns zu drohen? Hau ab, verschwinde bloß und lass dich hier nie wieder blicken! Bist mächtig stolz auf das was ihr da angerichtet habt mit eurem Coup im Parlament. Ich war dabei mein Lieber und ich werde es nie vergessen. In meinem Herzen bewahre ich es für die Nachwelt auf.“

„Ich will nicht über Politik mit dir reden, das ist zwecklos. Nur soviel, wir waren gezwungen zu diesem Schritt. Wir konnten der Untätigkeit der Räteregierung nicht mehr tatenlos zu sehen. Das Blatt hat sich gewendet, die Freikorps sind auf der Flucht und es wird bald Frieden sein. Ist das etwa nichts?

„Ja Frieden, aber einen ohne Freiheit. Die Diktatur schleicht sich durch die Hintertür ins Haus.“

„Es geht nicht anders. Reden und Philosophieren bringt uns nicht weiter. Sage das Kovacs wenn du ihn siehst, seine Theorien sind im Moment von wenig Nutzen.“

„Ja richtig, es reicht dir nicht ihn im Leben verhöhnt zu haben, nun musst du auch noch den Toten verspotten. Was bist du nur für ein übler Geselle geworden. Da hast du, ich hoffe es wird dir eine Lehre sein.“

Colette verpasst Ronald eine saftige Ohrfeige, so das ihm zunächst hören und sehen verging.

Der war so geschockt, das er im Moment nur zum stammeln imstande war.

„Was …was war das denn jetzt?“

Colette lehnte an der Mauer und starrte mit versteinernder Mine zu Ronald.

Colette die Kämpferin, Kovacs hätte keine bessere finden können, um sein Werk fortzusetzen. Wer würde es wagen einen Tyrannen in der Öffentlichkeit die Widerpart zu halten? Wer brachte den Mut auf einen Minister zu ohrfeigen? Das konnte nur die Anarchakundra. Die Zukunft warf ihre Schatten voraus.  

Kim die zufällig zu den beiden stieß und den Rest des Gespräches mitbekommen hatte, konnte zur schnellen Aufklärung bei tragen.

„Kovacs ist tot! Hast du das nicht gewusst?“

„Waaaaas???“

Ronalds Entsetzen war nicht gespielt, er hatte bis zu jenem Augenblick tatsächlich keine Ahnung.

„Er ist mit seinem LT in die feindlichen Linien gefahren, da hat es ihn erwischt.  Er ist schon draußen auf dem Friedhof, wenn du ihm die letzte Ehre erweisen willst, geh, die letzte Möglichkeit für dich wie ich mir denken kann.“

„In die feindlichen Linien? Aber…. Wieso? Wieso denn???“

„Er hat es gewollt! Verstehst du? Er suchte den Tod. Und somit brauchte er nicht selber Hand an sich zu legen!“

Ronalds Gesicht färbte sich kreidebleich und ihm wurde speiübel. Er formte Worte auf der Zunge doch war er unfähig diese auszusprechen. Er hatte Kovacs nie richtig verstanden, zugegeben, aber stets den Eindruck, dass dieser etwas ganz besonders war und das er sich glücklich schätze konnte ihm begegnet zu sein. Und nun war Kovacs nicht mehr am Leben und er selbst hatte, wenn auch nur indirekt, Anteil an dessen Unglück? Mit dieser Bürde würde er fortan leben müssen. Ein ganz großer der Weltgeschichte war zu Tode gekommen und er sollte mitschuldig daran sein? Erst jetzt dämmerte es ihn wie sehr er ihn trotz alledem gemocht hatte. Sein Herz drohte in diesem Moment zu bersten.

Ronald schlich sich einfach aus der Basilika, schlurfte die Treppenstufen hinab und setzte sich auf die Unterste. Er senkte seinen Kopf und weinte wie ein kleines Kind.