Hüter der Gegensätze

Hüter der Gegensätze

 

Frederic war spät dran, deshalb trieb er sich selbst zur Eile. Thoralfs Anruf klang mehr als merkwürdig.

Warum wollte er ihn vor der Zusammenkunft unbedingt alleine sprechen. Was konnte der Anlass sein?

Frederic fand keine Erklärung.

Unter dererlei Gedanken erreichte er das Hauptquartier des Blauen Ordens. Hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt, verbreitete die auf einem von hohen Nadelgehölzen umgebenen Plateau gelegene wuchtige graue Trutzburg eine gespenstische Atmosphäre . Auch die zahlreichen verspielt wirkenden Verziehrungen an der Außenfassade, konnten dem keine Abhilfe schaffen. Die in reichlicher Anzahl vorhandenen in den Himmel strebenden Türme und Türmchen hatten im Grunde keine wirkliche Funktion, auch wenn einige begehbar waren. Neuschwanstein ließ grüßen. Das Traumschloss des unglückseligen bayrischen Märchenkönigs Ludwig II. hatte hier Modell gestanden, daran bestand kein Zweifel, nur das die Ordensburg etwa dreimal so groß war. Wie ein Panzer schien sie die unter ihr befindliche Anhöhe geradezu in den Boden zu drücken.  Alles wirkte hier irgendwie künstlich.  Nicht so recht in die Umgebung passend. Der Posten winkte Frederic  heute einfach durch, worauf dieser mit seiner Cart-Luxuslimousine in den äußeren Innenhof bog. Die wuchtigen Mauern ließen von den sie um gebenden Bäumen nur noch deren Spitzen erkennen.

Frederic parkte seinen Wagen auf der markierten Stelle, stieg aus und bewegte sich geradewegs auf das Portal zu als dessen Tür sich öffnete und ihm Cassian entgegentrat.

„Guten Morgen Cassian, auch schon hier. Warst du schon beim Chef? Hat er dich auch alleine einbestellt? Was gibt es denn so Geheimnisvolles das er vor der eigentlichen Zusammenkunft alle Kommandeure alleine sprechen will?“

„ Umstrukturierungsmaßnahmen. Da werden einige ihre Posten räumen, andere werden ihnen nachfolgen. Aber das wird er dir wohl gleich persönlich mitteilen.“ Erwiderte der angesprochene kurz angebunden.

„Aha! Und welchen Posten hat man dir zugeteilt?“

„Keinen!“

„Keinen? Das ist  äußerst merkwürdig. Ich war immer der Meinung dass du in der Rangfolge noch einiges zu erwarten hast?“ stellte Frederic mit Verwunderung fest.

„Also was mich betrifft, so hab ich hier gar nichts mehr zu erwarten. So wie es aussieht habe ich hier nur meine Zeit verschwendet. Aber egal, der Blaue Orden ist nicht die einzige Initiative auf der Welt. Es gibt andere, wo möglich bessere, die gute Arbeit bedeutend besser zu würdigen wissen, als diese bornierten Hohlköpfe da drinnen!“ Cassians Tonfall wurde lauter und aggressiver.

„Na, was soll das denn heißen? Kannst du mir mal erklären?“

„Finde es selber heraus! Ihr werdest ohne mich auskommen müssen in der Zukunft! Von mir aus. Das heißt, wenn ihr euch das leisten könnt!“

„Warum tust du so beleidigt?  Ich habe dir lediglich eine Frage gestellt. Ich weiß noch immer nicht worum es geht!“ Beschwerte sich Frederic.

„Nun, dann frag ihn doch! Der wird es dir sicher haarklein erläutern!“ Cassian wies auf Thoralf den mächtigen Großmeister des elitären Ordens, der gerade in der Eingangstür erschien.

Eine unheimliche Aura senke sich auf die lange,hagere Gestalt des Ordensmeisters herab,in dessen stechende durch dringende Augen niemand längere Zeit zu blicken wagte und der in seine eigens entworfene exzentrisch anmutende Haustracht gekleidet war. Eng an liegende schwarze Kniebundhose, dazu ebenso farbige Seidenstrümpfe und schwarze Halbschuhe auf deren Spanne eine große golden Schnalle thronte. Weißes Seidenhemd mit Rüschchenkragen mit eingebundenen weinroten Seidentuch darüber ein dunkelgrüner bis zu den Knien reichender Gehrock aus feinstem gesteppten Samt.

Die grauen, mittelkurzen welligen Haare kunstvoll nach hinten gekämmt und die mit halbrunden Gläsern gefüllte Goldgestellbrille auf der Nasenspitze, reichte er Frederic seine elegant wirkende leicht knochige Hand zu Gruss, deren Mittelfinger ein dicker Siegelring zierte.

Sein außergewöhnliches Erscheinungsbild und sein aristokratisches Auftreten deuteten darauf hin, dass er sich nicht als Teil dieser Zeitepoche verstand. Alles erinnerte an einen Despoten des 18. Jahrhundert. Im Prinzip fehlte nur noch die weißgepuderte Perücke und fertig war der perfekte Feudalherr aus absolutistischer Zeit.

Eine leichte Gehbehinderung machte die Benutzung eines Gehstocks erforderlich. Aus edelsten Ebenholz geschnitzt und mit goldene Knauf, der sich in Thoralfs Handfläche fügte.

 

Ohne weitere Worte verließ Cassian daraufhin den Innenhof.

„ Welche Laus ist dem denn über die Leber gelaufen?“

„Nicht hier draußen! Komm rein! Ich werde dir alles erklären!“ Lud Thoralf ein. Dann schloss er die schwere Eichenholztür hinter sich.

Beide schritten den langen Flur entlang der zu Thoralfs Empfangsraum führte.

„Also was ist der Grund für Cassians Benehmen? Merkwürdig so kenne ich den gar nicht. Ist doch sonst die Ruhe in Person:“ Wunderte sich Frederic. Währenddessen hatten sie den großen komfortabelen Büroraum erreicht. Thoralf schloss auch diese Tür hinter sich zu.

„Setz dich! Es gibt einiges zu besprechen!“ Bot Thoralf an. Frederic ließ sich in einen Ledersessel gegenüber des alten wuchtigen Schreibtisches  aus kostbarem Mahagoniholz nieder.

„Also, du bist Cassian eben begegnet und aus seinem Verhalten kannst du dir sicher denken worum es sich handelt. Es geht um ihn und sein Mitwirken in unserem Orden für die Zukunft, oder sagen wir lieber sein Nichtmitwirken. Das trifft den Sachverhalt besser.“

„Du willst damit andeuten das Cassian aus dem Orden ausscheidet? Aber warum denn?

Der ist einer unserer besten und fähigsten Kommandeure? Das musst du mir näher erklären!“

Frederics Verwunderung kannte keine Grenzen.

„Das will ich gerne tun!“ Gab der Angesprochene zu verstehen.

„Aber es ist nicht so einfach. Ich lasse ihn äußerst ungern gehen, dass kannst du mir glauben. Aber es gibt nun einmal bestimmte Grenzen die wir nicht überschreiten dürfen. Cassian hält sich dagegen schon seit geraumer Zeit im grenznahen Bereich auf und nun scheint er drauf diesen endgültig zu überschreiten und das unmögliche in die Tat umzusetzen.“

„Kannst du vielleicht auch mal etwas konkreter werden? Welche Grenzen denn?“ Hakte Frederic nach.

„Also, dir ist bewusst  warum es unsere Vereinigung gibt. Wir sind angetreten  Recht und Ordnung in Melancholanien zu verteidigen. Polizei, Justiz und sonstige Sicherheitsorgane sind unserer Meinung zu nachlässig im Umgang mit all diesen revolutionären und umstürzlerischen Umtrieben hier im Lande. Wir betreiben eine Freiwilligenmiliz mit dem Ziel die anständigen Menschen in diesem Land zu schützen. Wir wollen nicht umstürzen, wir wollen bewahren, was uns lieb und teuer ist.“

„Das ist mir alles bekannt! Worauf willst du hinaus?“ Unterbrach Frederic.

„Was Cassian betrifft, so ist er dabei sich Mittel und Wege zu bedienen, die weit über das von uns gesteckte Ziel hinaus reichen. Cassian hat eine, wenn ich es mal gelinde ausdrücken möchte, leicht übersteigerte Persönlichkeit. Um es ganz klar aus formulieren, er will ganz einfach die Macht in unserem schönen Melancholanien.“ Fuhr Thoralf weiter fort.

„Ich wüsste nicht was daran so verwerflich sein soll. Ich meine das wollen wir doch alle, oder täusche ich mich da?“

„Selbstverständlich wollen wir das. Aber um dorthin zu gelangen gibt es verschiedene Wege und darin unterscheidet sich Cassian in zunehmenden Maße von der übergroßen Mehrheit unseres Ordens. Er will die Macht ganz ungeniert zunächst für sich, erst im nachhinein für den Orden, des weiteren bedient er sich wie schon erwähnt zunehmend illegaler Mittel und Wege.“

„Illegaler Methoden? Du willst damit andeuten, er möchte sich an die Macht putschen oder so etwas in der Art?“  Schien es Frederic zu dämmern.

„Richtig! Oder so etwas.  Und das können wir auf gar keine Fall dulden!“

Erwiderte Thoralf mit Nachdruck.

„Klar! Aber andererseits, sind wir doch angetreten um die Macht in diesem Land zu übernehmen.

Unser mittelfristiges Ziel ist, diesem heruntergekommenen Staatswesen eine starke und durchgreifende Führung zu geben. So steht es in unserer Satzung. Wenn die Zeit gekommen, wollen wir die Regierungsgewalt vollständig in unseren Händen haben und diese auch wenn möglich mit keinen anderen  teilen.“ Hielt Frederic entgegen.

„Eben! Wenn die Zeit gekommen ist! Noch aber ist es nicht soweit. Noch müssen wir uns unter allen Umständen bedeckt halten. Nichts wäre gefährlicher als der Entwicklung vorzugreifen. Wir sind gehalten die Zeit für uns arbeiten zu lassen. Cassians Vorstellung wäre geradezu selbstmörderisch.“ Wiegelte Thoralf ab.

Dann erhob er sich und ging in dem großen mit allerlei Polstermöbeln gefüllten Raum auf und ab.

„ Der Tag wird kommen an dem wir diesem maroden Staatsgebilde wieder die Ordnung geben die den Vorstellungen eines Offiziers entspricht, wir werden diesen Staat von all den unwürdigen Elementen säubern, die ihn besudelt haben. Das alles muss aber unbedingt einen legalen Anstrich haben. Wir dürfen uns also unter gar keinen Umständen Methoden bedienen die darauf hindeuten dass wir die vollständige Kontrolle über den Staat anstreben. Wir werden nicht Besitz von Melancholanien ergreifen indem wir es vergewaltigen. Deshalb können wir Cassian nicht gebrauchen, er lässt sich nicht integrieren in unser Konzept, ist unserer Kontrolle entglitten und das schadet unserer Bewegung in erheblichem Maß.“

„Das leuchtet ein! Unter diesem Gesichtspunkt habe ich die Angelegenheit noch gar nicht betrachtet. Du hast Recht. Wir müssen verdeutlichen das wir die wahren Hüter der Ordnung sind.“ Dämmerte es Frederic.

„Genau! Es ist schade um Cassian, wie ich schon betonte. Er war außerordentlich nützlich. Aber niemand ist unersetzlich und es stehen genügend fähige Leute in den Startlöchern um den vakanten Platz einzunehmen.“

Thoralf betätigte einen Klingelknopf an seinem Schreibtisch. Die Tür zum Nebenzimmer öffnete sich und ein Junger Mann, gekleidet in die dunkelblaue Uniform des Ordens betrat den Raum.

„Darf ich vorstellen! Das ist Folko, er kommt direkt aus unserem Schulungszentrum im Süden und ist mir von seriösen Stellen empfohlen worden. Er wird Cassians Stelle bei uns einnehmen. Natürlich nur wenn der Oberste Rat zustimmt, aber darüber mache ich mir keine Gedanken.“ Stellte Thoralf den Neuankömmling vor.

„Herzlich willkommen in unseren Reihen. Da will ich auf eine gute Zusammenarbeit hoffen!“

Begrüßte Frederic den Neuling.

„Danke! Sehr erfreut deine Bekanntschaft zu machen Frederic. Ich habe schon einiges von dir gehört.“ Erwiderte Folko und reichte Frederic die Hand zum Gruss.

„So, ich hoffe nur Gutes!“ Gab Frederic zu verstehen.

„ Ich denke schon. Deine ganze Verbindung zur Hochfinanz, zu den Industriellenverbänden und nicht zuletzt zu den Medien sind ja von entscheidender Wichtigkeit für das gelingen unserer Mission.“ Gab Folko zu verstehen.

„Mit Sicherheit ist es das! Aber nun laßt uns weiter unsere Strategie bestimmen!“ Schaltete sich Thoralf ein.

„Ja gut! Was wäre denn deine konkrete Vorstellung für die Zukunft, wenn ich so direkt fragen darf?“ Wollte Frederic wissen.

„Aus diesem Grund habe ich euch zwei zusammengebracht. Ihr werdet in der Folge eng zusammenarbeiten. Folko hat mir einen ausgezeichneten Plan unterbreitet, den es im Vorfeld intern zu diskutieren gilt, bevor wir ihn dem hohen Rat vorlegen.“

„Ja und der wäre?“

„Also, ich mache mir ein wenig Gedanken um die derzeitige politische Situation. Euch ist sicher aufgefallen, das es in letzter Zeit erstaunlich ruhig geworden ist. Keine Anschläge, keine gewaltsamen Auseinandersetzungen auf der Straße, nicht einmal ein kleines Aufflackern von  Unruhe.“Stellte Thoralf fest.

„Ja, jetzt da du es sagst. In der Tat, ich habe mich auch schon darüber gewundert, wenn ich da an frühere Zeiten denke, da kochte die Stimmung  manchmal schon gefährlich hoch.“ Erinnerte sich Frederic.

„Es liegt daran, dass Neidhardt und seine Radikalrevolutionäre im Moment im Hintertreffen sind.  Denen laufen die Anhänger davon. Denn das Volk hat eine neue Integrationsfigur entdeckt, es ist Cornelius und seine alberne Bürgerinitiative. Die wollen alles auf friedlichem Weg erreichen. Gewaltlosigkeit haben die sich auf die Fahnen geschrieben und ich fürchte die meinen es ernst damit. Die lassen sich eher zusammenschlagen , wenn es sein muss umbringen, ehe sie zurückschlagen. Das ist eine bedenkliche Angelegenheit. Das bereitet mir schlaflose Nächte.“ Erläuterte Thoralf die Situation.

„Noch stehen die am Anfang aber es muss damit gerechnet werden, dass diese Bewegung in absehbarer Zeit einen bedeutend größeren Zulauf bekommt. Die wollen, so wie ich in Erfahrung bringen konnte sogar an Wahlen teilnehmen. Und da wir den desolaten Zustand unserer beiden staatstragenden Parteien kennen die seit 150 Jahren einander mit der Regierungsgewalt ablösen, ist davon auszugehen, das es eine erdrutschartigen Ergebnis geben könnte.“ Schaltet sich nun Folko in das Gespräch ein.

„Verstehe, verstehe! Da können wir beruhigt sein, dass wir die Wahlen gerade hinter uns gebracht haben. Später aber könnte uns das gewaltig unter Druck setzen. Wäre nicht auszudenken. Stellt euch vor die stellen die Regierung, wie stehen wir dann da? Was könnten wir dann tun?“ Sinnierte Frederic nach.

„Eben! Sie sind eine Volksbewegung mit zunehmender Dominanz auf den Straßen. Solche Gegner können wir nicht gebrauchen, die passen so ganz und gar nicht in unser Konzept. Welche Möglichkeiten hätte wir gegen sie intervenieren? Auf friedliche Demonstranten einknüppeln oder gar schießen? Nein, damit würden wird uns unser eigens Grab schaufeln, das könnte uns selbst bei den konservativsten Bevölkerungsschichten in Mißkredit bringen. Nein, wir benötigen gewalttätige Terroristen als Gegner, die uns mit ihren Aktionen die Legitimität wie auf einem Silbertablette servieren.“ Sorgte sich Thoralf.

„Aber wir brauchen doch gar nicht gegen Demonstranten auf der Straße vor zugehen, das können wir doch den offiziellen Sicherheitsorganen überlassen.“ Schlug Frederic vor.

„Das käme aufs Gleiche raus. Weite Teile der Bevölkerung setzten die ohnehin schon fast mit uns gleich. Wir hätten so oder so ein Imageproblem.“ Klärte Folko auf.

„Noch mal von vorn!“ Setzte Thoralf erneut an. „Wir brauchen die radikalen Kräfte die gegen den Staat operieren für unsere eigene Legitimation. Neidhardts Bewegung muss unter allen Umständen die Oberhand gewinnen. Die müssen das Land mit Terroranschlägen, Metzeleien , gewalttätigen Protestaktionen in ein Chaos stürzen. In Folge wird unsere weichgespülte Ordnungsmacht ihre Ohnmacht eingestehen und sich als unfähig erweisen der Revolte Herr zu werden. Das Land wird unregierbar. In Folge dessen werden sich weite Teile der Bevölkerung auf uns und unsere Entschlossenheit besinnen und unsere um anfordern. Die werden wir ihnen bereitwillig zur Verfügung stellen und es wird uns in unserer geübten Routine gelingen die Ordnung im Lande wieder herzustellen. Wenn wir die Macht  legal empfangen haben, werden wir natürlich den Teufel tun und diese wieder in deren unwürdige Hände legen . Nein, dann sind wir in der Lage ein für alle Mal unseren Willen zu diktieren.“

" Die ideale Lösung. Doch wie kommen wir dahin? Ich meine wie schaffen wir es unseren Erzfeinden die Trümpfe in die Hände zu spielen, ohne das es nach außen offensichtlich wird?“ Fragte Frederic etwas verwirrt.

„Deshalb seid ihr hier. Und aus diesem Grunde musste ich Cassian heute vorerst in die Wüste schicken, denn dessen undurchdachtes Konzept würde das genaue Gegenteil hervorrufen. In aller Öffentlichkeit eine patriotische Aktion zur sofortigen Machtergreifung durch unsere Organisation zu fordern ist mehr als töricht. Wir brauchen einen klaren Kopf in dieser heiklen Situation, Cassian hingegen zieht es zuweilen vor ohne Kopf durch die Welt zu laufen. Also müssen wir uns von ihm trennen.“

„Das ist einleuchtend! Aber wie lautet nun dein konkreter Plan, du hast mich doch nicht extra hergerufen um über die aktuelle politische Lage zu philosophieren.“ Antwortete Frederic.

„Natürlich nicht! Folko würdest du Frederic deinen Plan kundtun?“ schlug Thoralf vor.

„Gerne! Also, wir müssen den Stier bei den Hörnern packen. Das heißt ins Zentrum vor stoßen und die Ursachen all dessen beseitigen. Und die lautet Cornelius. Wir werden Cornelius zum schweigen bringen und zwar für immer. Damit berauben wir diese Bürgerbewegung ihres Kopfes.“

„Moment! Also ihr wollt Cornelius aus dem Weg räumen? Das ist aber ein äußerst riskantes Unterfangen. Bei dessen Beliebtheitsskala könnte es einen Aufschrei der Empörung geben. Die Massen könnten außer Kontrolle geraten!“ Gab Frederic zu bedenken.

„Richtig! Genau das ist unser Ziel. Cornelius mag im Volk außerordentlich beliebt sein. Aber unangefochten ist er nicht. Sein Konzept des gewaltlosen Widerstandes wird von vielen, vor allem den ungebildeten, nicht geteilt,  nicht einmal richtig verstanden. Nur er allein ist imstande, die Volksmassen zur Ruhe zu bewegen. Gibt es ihn nicht mehr fehlt jener Ruhepol.

Fazit: Die Bevölkerung beginnt sich zu radikalisieren. Neidhardt bekommt unerwarteten Zulauf. Womöglich sinnt er sogar auf Rache. Es kommt zu Ausschreitungen, Anschlägen, oder sonst etwas.

Ab jenem Augenblick haben wir die Situation die Thoralf eben beschrieben hat. Wir können nur gestärkt aus all dem hervorgehen.“ Klärte Folko weiter auf.

„Schön und gut! Ich kann dem zustimmen. Aber! Könnten wir in Folge eines solchen Anschlages nicht ins Hintertreffen geraten? Ich meine, dass die Stimmung im Lande erst einmal zu unseren Ungunsten umschlägt, wenn wir eine so beliebte Persönlichkeit wie Cornelius beseitigen?“ Frederic schien noch immer nicht ganz überzeugt.

 Thoralf erhob sich ging zu einem großen Eichenholzschrank, öffnet dessen Tür und holte ein kleines Kästchen heraus, öffnete es, entnahm eine Zigarre und zündete diese an. Dann ging er im Zimmer auf und ab.

„Da habe ich ebenfalls noch Bedenken! Hier könnte ich mir zwei Varianten vorstellen. Also.

  Wenn wir die Verantwortung nicht selbst übernehmen, wem könnte wir sie in die Schuhe schieben? Neidhardt ist ausgeschlossen, denn dessen Position wollen wir ja gerade stärken und ihm die Volksmassen zuzuführen.

Einmal könnten wir die Staatsmacht dafür verantwortlich machen, den Hass des Volkes darauf lenken um so unseren Plan zu beschleunigen. Möglich wäre natürlich auch ein durchgeknallter Einzeltäter, ohne politischen Hintergrund, das scheint mir günstiger. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht. Wir selbst dürfen auf gar keinen Fall die Verantwortung übernehmen, nicht den kleinsten Verdacht darf es geben.“ Gab Thoralf zu verstehen.

„Schwierig ,schwierig! Also wenn ich genau überlege dann tendiere ich ebenfalls zu der zweiten Variante. Sucht einen verwirrten Typ der ganz alleine gehandelt hat. Wir könnten eine haarsträubende Story erfinden. Was weiß ich, der hat sich von Cornelius bedroht gefühlt, weil der ein Außerirdischer sei oder so ähnlich…“ Schlug Frederic vor.

„Also bitte Frederic, wir wollen doch nicht albern werden.“ Lehnte Thoralf zunächst ab.

„Doch, Frederic hat Recht, das ist gar keine schlechte Idee. So was kommt an. Wir bleiben ja im Hintergrund und ziehen von da aus die Strippen.“ Pflichtete Folko Frederic bei.

Thoralf lies sich wieder auf den Sessel fallen.

„Hm na gut. Wenn ich näher darüber nachdenke. Aber der ernst der Situation muss gewahrt bleiben.

Also gut halten wir das so fest.“

„Dann brauchen wir nur noch so einen Typ zu finden! Aber woher nehmen wir den?“ Wollte Frederic wissen.

„Kein Problem. Die finden wir an jeder Straßenecke, unter den Paria. Den musst du nur das Blaue vom Himmel  versprechen, dann fressen sie dir aus der Hand. Ich bin  geübt in solchen Angelegenheiten, ich meine mir solche Leute gefügig zu machen. Ich kann ohne weiters so einen heruntergekommen Typ auf so direkte Art manipulieren das der gar nichts merkt. Selbstverständlich muss der im Anschluss ebenfalls beseitigt werden, versteht sich von selbst.“

„Versteht sich! Gut, dann wäre diese Frage ebenfalls geklärt. Schön das wir so schnell zu einer Einigung gekommen sind. Ich gehe davon aus dass der Hohe Rat nichts dagegen ein zu wenden hat.“ Erklärte sich Thoralf einverstanden.

Frederic machte Anstalten zu gehen, doch hielt ihn Thoralf zurück.

„Noch einen Moment Frederic. Ah, Folko, unser lieber Frederic hat noch einen ganz besonderen Trumpf im Ärmel, er ist mit Elena liiert.“

„Wie interessant! Ich schätze das wird wohl nie langweilig!“ erwiderte Folko etwas sarkastisch.

„Das wird es in der Tat nicht. Aber ich verstehe nicht so recht, was das mit unserer Sache zu tun haben soll.“ Wunderte sich der Angesprochene.

„Auch Elena wäre geeignet eine gewisse Rolle zu übernehmen. Wir könnten sie gut für unsere Agitation gebrauchen. Ich hab mir auch schon gedacht wie!“ Rückte Thoralf heraus.

„Das ist interessant! Aber du kennst Elena doch inzwischen genauer um festzustellen wie schwierig sie zuweilen ist. Die lässt sich nicht dirigieren. Sie muss von einer Sache hundertprozentig überzeugt sein bevor sie einlenkt. Elena ist nun mal Perfektionistin. Im Grund geht sie nur Ideen nach ,die ihrem eigene schönen Kopf entsprungen sind.“ Entgegnete Frederic.

„Natürlich bin ich mir dessen bewusst und genau dort beginnt deine Aufgabe. Versuche sie zu überzeugen, langsam und mit Augenmaß. Ihr Einfluss bei der Bevölkerung ist enorm und kann uns von unschätzbarem Nutzen sein. Sie auf unserer Seite, das wäre grandios.“ Thoralf kam ins schwärmen. Frederic sah sich erneut veranlasst seinem Enthusiasmus auszubremsen.

„Sicher, Elena ist schon  auf unserer Seite. Sie vertritt zu einem hohen Maße unsere Positionen. Aber sie ist unabhängig, sie lässt sich nicht vor einen  Karren spannen, da müsste ich schon…“

„Warum bringst du sie nicht auf unser nächstes Galadinner mit?“ Unterbrach Thoralf.

„Sie war bisher noch nie zugegen, das ist sehr schade, wirklich schade. Ich könnte, nein wir könnten dann gemeinsam versuchen, sie dahingehend umzustimmen. Ich denke doch das es uns im Verbund gelingen möge.“

„Ja meinetwegen, da wird sie sicher gerne mitkommen.“

„Na bestens! Gut, dann erst mal Dank für dein Kommen. Wir sehen uns morgen Abend im hohen Rat.“ Verabschiedete Thoralf Frederic und geleitet diesen noch zur Tür.

Nach dem er diese hinter sich geschlossen hatte wandte er sich zu Folko.

„Also, deine Aufgabe ist klar umrissen. Du wirst dich auf den Weg machen und erst mal alles auskundschaften. Die Art wie Cornelius lebt. Seine Gewohnheiten, die Leute die er so tagtäglich zu Gast hat und so weiter. Du erstattest mir in bestimmten Abständen Bericht. Dann kannst du nach einem geeigneten Strohmann Ausschau halten. Du wirst schon übermorgen, nach der Zusammenkunft aufbrechen!“

„Zu Befehl! Ich werde allerdings etwas Zeit benötigen!“

„Ist kein Problem, nimm dir so viel wie du brauchst. Wichtig ist das alles so perfekt wie nur möglich über die Bühne geht.“ Stimmte Thoralf zu.

Wortlos verabschiedete sich  Folko von seinem Kommandeur und verließ das Hauptquartier.

 

Frederic hatte unterdessen sein Auto bestiegen und bewegte sich in Richtung Privosiedlung.

„Wie stellt der sich das vor? Elena einspannen? Die wird mir eine schöne Abfuhr erteilen, wenn ich so mit der Tür ins Haus falle. Da muss ich mir schon was ganz besonderes einfallen lassen. Aber was?“ Sprach er zu sich selbst.

Er lenkte sein Luxusgefährt mit sicherer Hand durch die sich immer trister präsentierende Gegend.

Der Kontrast zwischen den Wohnbezirken konnte nicht größer sein. Als er sich der Pariagegend näherte traf er routinemäßig die empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen und beschleunigte seine Geschwindigkeit. Für einen Privo wie ihn konnte es lebensgefährlich sein hier etwa eine Panne zu haben und einen unfreiwilligen Stopp einlegen zu müssen. Die Paria waren Ausgestoßene, gesetzlose, Leute die de facto gar nicht existierten. Mit einem Privo würden die kurzen Prozess machen. Seiner Meinung nach war es fünf vor zwölf. Es musste etwas geschehen, so konnte es nicht weitergehen. Er freute sich schon darauf, dass die in Bälde Jagdsaison  eröffnet würde.  Höchstpersönlich einige dutzend Paria liquidieren. Auf Dauer aber konnte selbst das nicht weiter helfen, denn die Paria schienen sich geradezu pausenlos zu vermehren. Wie in aller Welt konnte man diese bedrohliche Situation eindämmen?

Aber wenn der so eben besprochen Plan gelänge, konnte sich durchaus einiges zum Besseren wenden. Einmal an der Macht, könnte der Blaue Orden Tatsachen schaffen. Daran musste er sich orientieren.

Erleichtert stellte er fest dass er  endlich die unsichtbare Grenze zur Menschenwelt passiert hatte, nun wurde es zivilisierter. Er konnte den Finger lösen, den er zur Betätigung des Hebels gespannt hatte, jener Hebel der im Notfall das eingebaute Maschinengewehr in Gang setzte.

 

Am darauf folgenden Tag fanden sich die Mitglieder des Obersten Rates zu ihrem Plenum ein.

Der kreisrunde Versammlungsraum war im Stile eines alten Amphitheaters erbaut und bot etwa einhundert Menschen Platz, ausgestattet mit Bänken und Tischen aus wertvollem dunklem Mahagoniholz bezogen mit weinroten Polstern auf den Banksitzen.

Hier waren schließlich die Vertreter der begüterten Elite des Landes versammelt, wenn auch nur informell.  Es sollte auch bei solchen Zusammenkünften an nichts fehlen. Bewirtet wurden die Vertreter von Dienern in mit Rüschchen bestickten Uniformen.

Es sollte kein Zweifel daran bestehen dass sich hier die Elite des künftigen Ständestaates versammelte.

Fast alle hatten sich eingefunden, bekleidet in die dunkelblauen Uniformen, dazu schwarze bis zu den Knien reichende Lederstiefel, schwarzes Hemd und silberne Krawatte

Rundeten das Bild ab.

Thoralf am Präsidententisch sitzend eröffnete die Versammlung indem er mit einem goldenen Hammer dreimal auf ein Holzklötzchen schlug.

„Ehrenwerte Mitglieder des Hohen Rates unseres Ordens, ich darf euch alle zu unserer heutigen Zusammenkunft herzlich begrüßen. Der Grund für die außerordentliche Einberufung unseres Gremiums sind Ereignisse von historischer Tragweite die möglicherweise auf unser Land zurollen. Wir müssen allzeit gewappnet sein und dürfen den Zeitpunkt unseres Eingreifens in das Zeitgeschehens unsererseits nicht verpassen.

Ich benötige eure Zustimmung zu einigen wichtigen Änderungen in unserer Organisation.

Fangen wir mit dem unangenehmen an. Wie ihr sicher schon in Erfahrung bringen konntet, müssen wir uns leider von unserem langjährigem Freud Cassian trennen.“

Diese Ankündigung löste ein allgemeines Gemurmel aus, dessen Tonlage sich innerhalb weniger Augenblicke steigerte.

„Ich bin mir bewusst dass nicht alle mit dieser Entscheidung einverstanden sind, aber seit gewiss, auch mir ist das nicht leicht gefallen.“ Setzte Thoralf weiter seine Rede fort.

Einer erhob sich und ergriff das Wort.

„Dann erklär uns doch bitte, wie du dazu gekommen bist? Ich spreche sicher im Namen vieler Anwesender. Cassian ist einer unserer besten Kommandeure, ja um nicht zu sagen der Beste schlechthin. Und von dem sollen wir uns trennen? Du beliebst mit uns zu scherzen, oder? Das kann doch unmöglich dein ernst sein?“

„Doch Egbert, es ist mein voller ernst. Cassian ist für unsere Organisation nicht mehr tragbar und deshalb müssen wir uns von ihm trennen.Lange, sehr lange habe ich beide Augen zugedrückt, denn seit geraumer Zeit ist er dabei permanent gegen die Statuten und Satzungen unseres Ordens zu verstoßen. Mit seinen unberechenbaren Ansichten bringt er uns alle in Gefahr.“

Widersprach Thoralf energisch.

„Müssen wir uns nun schon in dieser Organisation den Mund verbieten lassen? Cassian spricht nur aus was viele von uns denken. Endlich einmal einer der Klartext redet und von dem sollen wir uns trennen? Ich sage nein! Niemals!“ Egbert erntet verhaltenen Applaus für seinen Appell.

„Wir wollen uns nicht unnötig mit Debatten auf halten. Wir sind nicht Mitglieder einer Demokratie sondern eines Ordens. Und diese Struktur werden wir der eins auf das ganze Land

übertragen, wenn die Zeit gekommen ist. Noch aber sind wir nicht soweit. Stimmen wir ab. Cassian wird aus unseren Reihen ausgeschlossen!“ Thoralf wandte nun einen ausdrücklichen Befehlston an.

„Ich protestiere auf schärfste!“ Schrie Egbert zurück.

„Tue das, es ist dein gutes Recht, aber es ändert nichts an meiner Entscheidung: Wer stimmt für den Ausschluss?“

Die Mehrheit reckte, wenn auch zaghaft die Arme in die Höhe.

„Gut das ist eindeutig! Gibt es Gegenstimmen?“

Einige hartgesottene lehnten das Ansinnen ab.

Egbert ergriff noch einmal wutentbrannt das Wort.

„Ich kann und will das nicht unterstützen. Ich sehe darin Verrat an unseren heiligen Prinzipien.

Cassian ist nicht einmal anwesend um sich zu rechtfertigen. Das ist unerhört! Ich sehe mich gezwungen diese Versammlung zu verlassen. Wer meiner Meinung ist möge sich mir anschließen.“

Egbert schritt scharfen Schrittes aus dem Raum. Erst zwei dann drei , dann noch einige etwa insgesamt ein Dutzend Männer folgten ihm.

Lautstark flog hinter ihnen die Tür ins Schloss.

„Nun liebe Freunde, das ist bedauerlich, sehr bedauerlich und ärgerlich zudem. In einer solchen Situation sollten wir zusammenstehen. Aber es ist nicht zu ändern. Es wird immer Abweichler geben. Aber die Mehrheit hat gesprochen, das ist verbindlich. Nun können wir unser Programm für die Zukunft beraten und einen Beschluss fassen.“ Schloss Thoralf die Angelegenheit abrupt.

Es folgten eine ganze Reihe organisatorischer Dinge. 

Erst später präsentierte Thoralf den am gestrigen Tag ausgeheckten Attentatsplan, es oblag Folko diesen dem versammelten Plenum zu unterbreiten. Es herrschte allgemein Genugtuung über dieses Vorhaben, die die Zwistigkeiten vom Anfang schnell vergessen ließen.

„Wir haben uns daher entschlossen, die Symbolfigur des so genannten gewaltlosen Widerstandes zu liquidieren. Dies wird die Stimmung zu unseren Gunsten lenken. Am Ende wird der Triumph auf unserer Seite sein. Wir werden damit dem Rad der Geschichte in die Speichen greifen und eine Entwicklung stoppen die für unseren Staat nur Unheil bedeuten kann. Thoralf hat mich mit der Durchführung dieser Aktion betraut, ich gehe davon aus das ihr mir eure Zustimmung nicht verweigern werdet.“

Ein tosender Applaus war die Folge und Folko konnte sich bestätigt fühlen.

„Ich denke, wir können aus eurer Akklamation entnehmen das ihr dem Ansinnen eure Zustimmung gebt und daher auf eine förmliche Abstimmung verzichten.“ Ergriff nun wieder Thoralf das Wort.

„Ich gebe hiermit bekannt dass ich Folko auf Cassians vakanten Platz befördere.“

Der Beifall wurde fortgesetzt.

„Ich danke für euer Vertrauen. Ich werde unverzüglich die beschlossenen Maßnahmen in die Tat umzusetzen, denn dafür bedarf es gründlicher Vorbereitung.“ Bedankte sich Folko.

„Ich gratuliere, ich hoffe du wirst uns nicht enttäuschen!“ Bekundete Frederic.

„Da kannst du sicher gehen.“ Erwiderte Folko.

Nach und nach bekundeten auch alle anderen Anwesenden ihre Gratulation. Es bestand allgemeines Interesse, frei gewordene Plätze so bald als möglich wieder zu besetzen, denn nur so konnte der Orden seine Schlagkräftigkeit bewahren.

Corbinian der weißhaarige Senior des elitären Ordens trat ans Rednerpult räusperte sich kurz und begann zu sprechen.

„Liebe Freunde. Es ist mir eine Freude, dass unser Bruderbund nach all den unnötigen Zwistigkeiten wieder voll handlungsfähig ist. Thoralf hat Recht, wir können uns einen Streit in den eigen Reihen nicht leisten. Es tut einfach nur gut, Zeuge dieses Aufbruches zu sein, den wir heute hier erleben durften. Machen wir uns an die Tat die glorreiche Tradition wieder aufzurichten die unser Land dereinst zur Blüte gebracht hat. Säubern wir es endlich von all den lichtscheuen Elementen, die bestrebt sind die Ordnung umzustürzen. Es kann nur eine Elite führen, alles andere wäre Anarchie, würde unser Staatswesen in den Abgrund stürzen. Unser Stand muss die alleinige Kontrolle über alle wichtigen Organe des Staatsapparates erobern. Eliminieren wir diese revolutionäre Brut. Statuieren wir ein Exempel Statuieren um Sorge dafür zu tragen das den unteren Schichten das revoltieren ein für alle mal vergeht, ja das sie nicht einmal auf den Gedanken kommen ihre schmutzigen Hände an diese heilige Ordnung zu legen. Ich denke Folko ist der richtige Mann für unseren Plan. Wir begleiten ihn allen mit den Besten Wünschen.“

Wieder setzte tosender Beifall ein. Die Reihen waren wieder dicht geschlossen, daran konnte auch ein Dissident wie Cassian nichts ändern.

Im Anschluss gab es wie immer noch einen Umtrunk mit den edelsten Weinen des Landes.

 

Es hatte den Anschein als habe Folko es außerordentlich eilig sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, er schien ein Streber von ganz besonderer Art zu sein.

Als die Meisten Honoratioren des Ordens den Ort des Geschehens verlassen hatten, wollte er aufbrechen. Er entledigte sich im Handumdrehen der Ordenstracht und bekleidete sich sogleich mit saloppen olivgrünen Outdoorkleidung.

„Du hast es aber sehr eilig. Schon heute willst du dich in die Höhle des Löwen begeben?“ Staunte Frederic nicht schlecht.

" Je früher desto besser! Außerdem bin ich nicht der Mann für festliche Gelage. Mein Platz ist an der Front, im Kampfgetümmel, dafür wurde ich ausgebildet.“ Erwiderte der kurz angebunden.

„Wir schätzen solche Tatkraft! Wie wir uns unzweifelhaft überzeugen können ist unsere Wahl auf den Richtige gefallen!“ Schaltet sich nun auch Thoralf ei. „Ich wünsche gute Fahrt und ein gutes Gelingen. Und denke daran immer regelmäßig Bericht erstatten!“

„Werde ich nicht vergessen! Also dann feiert weiter. Ich mache mich an die Arbeit.“

Folko schwang sich in seinen Jeep und brauste auf und davon.

„Ein klein wenig übereifrig unser neuer Ordensbruder, meinst du nicht auch?“ Stellte Frederic fest.

„Ja klar! Aber genau solche Leute brauchen wir. Folko ist ein Meister der Verwandlung. Wenn der sich in seine Outdoor-Kluft schmeißt da kann ihn keiner von einem Proleten aus den Docks unterscheiden. Wir besitzen diese Gabe leider nicht, wir können unsere erhaben Herkunft nicht so ohne weiteres verleugnen und ins gemeine Volk abtauchen Unsere gehobenen Manieren würden uns recht bald enttarnen.

Für einen wie Folko bricht die Welt nicht zusammen wenn er nicht jeden Tag duschen kann oder auf alle möglichen Annehmlichkeiten verzichten muss. Der ist aus seiner Zeit als Elitekämpfer bei der Truppe ganz anderes gewohnt.“ Klärte Thoralf auf

„Der war bei der Elitetruppe, du meinst Offizier?“ Wollte Frederic wissen.

„ Spezialeinheit, Nahkampf und spezielle Terroristenbekämpfung, der kommt uns  wie gerufen. Der hängt auch seine Überzeugung nicht gleich an die große Glocke. Leute wie Cassian hingegen fallen doch gleich durch ihren Fanatismus auf und vermasseln auf diese Weise alles. Folko wird gute Arbeit leisten, nur darauf kommt es an. Und wenn er es will dann lass ihn ziehen, wir lassen es uns derweil gut gehen.“

„Wenn man es von der Seite betrachtet magst du Recht haben. Und stell dir vor ich habe nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei.“

„Ach ja Apropos Gewissen. Wie sieht es denn in punkto Elena aus. Konntest du schon mit ihr reden über unseren Plan?“

„Noch nicht, ich habe Elena schon seit  Tagen nicht mehr gesehen, da wirst du dich wohl noch ein wenig gedulden müssen.“ Gab Frederic zu verstehen.

„Gut, aber denke an unser Dinner am nächsten Freitag, ich hoffe doch du kannst sie, mit bringen?“

„Ich werde es ihr sagen, sobald ich sie wieder zu Gesicht bekomme.“ Versprach Frederic, dann begaben sich beide wieder in das Ordenshaus, es gab noch eine ganze Reihe von Formalitäten zu klären.

 

Folko war in der Zwischenzeit bis an den Rand der Docks gelangt, dort hatte er sich für unbestimmte Zeit in einer billigen Pension eingemietet, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Hauptbahnhofs befand. Geschäftiger Betreib, ein ständiges Kommen und Gehen, bestimmte den Tagesablauf dort. Hier hoffte Folko fündig zu  werden. Die gesamte Spannbreite der Unterschichten traf hier aufeinander. Aus deren Mitte würde Folko eine x-beliebige Person

herausfischen mit der Absicht, diese dahingehend zu beeinflussen, das sie ihm bedingungsloses Vertrauen schenkte. Es musste ein totales Abhängigkeitsverhältnis hergestellt werden, ohne das sich jene Person dessen bewusst würde, dann würde er sie zu seinem Werkzeug seiner selbst machen und auf Cornelius ansetzen. Nur im äußersten Notfall wollte er seine eigenen Hände besudeln. Die Person sollte Cornelius erledigen, er selbst dann im Anschluss diese aus dem Weg räumen. Folko hatte seinen Plan nur schemenhaft vor Augen, über die Details, konnte er nichts sagen, das würde er dem Zufall und der Entwicklung überlassen.

Er betrat das spärlich beleuchtete Treppenhaus und schritt den Korridor entlang, defekte Leuchtstoffröhren zuckten und knisterten und verliehen dem Ganzen ein gespenstisches Ambiente.

Er schloss eine Tür auf und fand sich in einem spartanisch eingerichteten Hotelzimmer wieder, nicht schön aber zweckmäßig. Ein Doppelzimmer, das hatte seine Gründe, er würde für sein Vorhaben entsprechend Platz benötigen. Vor dem geöffneten Fenster flatterten die Gardinen vom leichten Abendhauch der lauen Sommernacht.

Folko schritt zum Fenster um einen Blick nach draußen zu werfen, er betrachtete den belebten Bahnhofsplatz auf dem noch immer reges Treiben herrschte. Von dem Bahnsteigen vernahm er das rauschen der ein -und -ausfahrenden Züge, eine Musik die ihn wohl auch in der tiefen Nacht begleiten würde. Er schloss das Fenster kurz und stellte zu seiner Genugtuung fest, dass es mit hochwertigem schalldichtem Glas bestückt war. Die Geräuschkulisse würde sich in der Nacht somit in Grenzen halte. Für eine so billige Pension recht ungewöhnlich aber das war ihm im Moment egal.

Er warf seine Taschen auf das breite Doppelbett und visitierte noch einmal deren Inhalt. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf sein Waffenarsenal, obgleich ihm bewusst wurde dass er die Schnellfeuerwaffen hier gar nicht zum Einsatz bringen konnte, von einer akuten Notsituation einmal abgesehen, doch die gedachte er nach Möglichkeiten zu vermeiden.

 Heutelief erst mal gar nichts mehr. Einen festen Plan für die Folgetage hatte er auch noch nicht entwickelt, statt dessen beschloss er einfach alles auf sich zukommen zu lassen und in Ruhe der Möglichkeiten zu harren die sich ihm boten.

Er streifte die Schnürstiefel von den Füßen und streckte sich auf dem Bett aus, genügend Platz für zwei. Eine Weile starrte er die geschmacklos weiß getünchte Zimmerdecke an. Nach kurzer Zeit betätigte er die Fernbedienung des altmodischen Fernsehers  auf dem viel zu klein geratenen Schreibtisch gegenüber. Von den insgesamt 1000 Fernsehprogrammen die Melancholanien bot waren etwa 50 zu empfangen. Er klickte und erblickte Elena auf der Mattscheibe, die sich gerade ihrer Lieblingsbeschäftigung hingab dem Kräftemessen mit ihren eingeladen Talkgästen. Der übliche Schwachsinn. Folko war aufgeklärt genug um diesem Unsinn keinen Glauben zu schenken, doch ihm war natürlich dessen enorme Bedeutung für die Infiltration der Unterschicht bewusst.

Er zappte weiter und traf auf die übliche Langeweile bis er schließlich den einzig wichtigen Knopf der Fernbedienung drückte der roten Austaste.

Er erhob sich um begann die Schnürstiefel wieder anzuziehen, dabei wurde ihm bewusst dass er die im Hochsommer gar nicht tragen musste.

Er hatte beschlossen doch noch einmal auszugehen. Erste Erkundungen einziehen, nur aus bloßer Langeweile. Er bewaffnete sich mit einer Kleinkaliberpistole und einem Dolch. Vorsichtshalber auf Nummer Sicher gehen. Der geübte Karatemeister, Träger des schwarzen Gürtel, würde sich auch mit bloßen Händen gut verteidigen können, wenn es sein musste auch gegen ein Dutzend wild gewordener Unterweltgestalten, von denen es hier im Bahnhofsviertel nur so wimmelte.

Noch die Kargoweste drüberstreifen, dann war er soweit.

Er zog die Tür ins Schloss und begab sich durch den Korridor wieder nach draußen. In der Zwischenzeit war ein starker Wind aufgekommen. Er kurzer Blick zum Abendhimmel ließ ihn darauf schließen, dass in nicht all zu ferner Zeit mit einem Gewitter zu rechnen war.

Er schritt die Seitenstraße herunter und begab sich auf den Platz. An einem Brunnen hatte sich etwa ein Dutzend obdachloser Paria eingefunden und taten ihren Unmut kund, über was konnte er im vorbeigehen nicht in Erfahrung bringen. Aber die befanden sich im Dauerkriegszustand mit ihrer Umwelt, das war nicht der Rede wert. Kaum ein paar Schritte gelaufen artete das Gekreisch in eine heftige Schlägerei aus.

Er lief durch eine Unterführung, auf deren halben ihm ein Trupp Punker entgegenkam, lauthals mit dem hier üblichen Proletenslang gestikulierend. Ihm gegenüber blieben sie aber friedlich, scheinbar hatten sie ihn gar nicht war genommen.

Die Wände der Unterführung waren von unten bis oben mit Graffiti beschmiert, ein beißender Gestank nach Exkrementen lag in der Luft.

Hier werden wir richtig aufräumen, wenn die Macht in unseren Händen liegt, schoss es ihm, einer Eingebung gleich, durch den Kopf. Das ganze Gesindel ausrotten, bis zur letzten Kreatur. Der Blaue Orden hatte sich ein erhabenes Ziel gesetzt. Noch aber war es nicht soweit, noch war er gezwungen  die gleiche Luft atmen, wie dieses Ungeziefer. Doch  hatte er schon ganz andere Prüfungen bestanden, auch diese würde er im Handstreich nehmen.

Langsamen Schrittes näherte er sich dem etwas versteckten Hinterhof des Bahnhofsgeländes, hier befand sich der größte Straßenstrich der Hauptstadt.

 Ein übeler Gestank stieg in seine Nase. An kaum einem anderen Ort der Stadt taten sich größere Abgründe auf. Hier versuchten die am untersten Ende angekommenen Randexistenzen ihren Lebensunterhalt zu verdienen, während auf der anderen Seite gerade dieser Platz von Angehörigen der oberen Privokaste besonders gerne aufgesuchte wurde, denn nirgendwo fanden die willigere Opfer für ihrer perversen Sexspiele. Ein Selbstbedienungsladen der Lust. Hier kam jeder auf seine Kosten. Prostituierte beiderlei Geschlechts und solche die sich keinem der beiden zurechneten waren hier geradezu zum Nulltarif zu haben. Moralische Grundsätze, im Blauen Orden ansonsten ein Grundgebot, waren hier außer Kraft gesetzt, viele seiner Angehörigen konnten sich hier nach Herzenslust bedienen und befriedigen lassen. Folko stand dem gleichgültig gegenüber. Im Schatten der Moral gedeiht die Doppelmoral besonders prächtig. Es sollte ihn nicht wundern wenn er sich im nächsten Augenblick einem verdutzten Ordensbruder gegenüber fand.

Auf der hinter einer dichten Hecke befindlichen Seitenstraße hatten sich schon einige Luxuslimousinen in Stellung gebracht. Prominente von besonderem Rang betraten selbstverständlich nicht persönlich diese Kloake, sondern schickten ihre Chauffeure aus um sich ihren Nachschob an Frischfleisch beschaffen zu lassen.

Es fiel auf, das sich die weiblichen Huren besonders auffallend gekleidet und geschminkt hatten, während die Strichjungs es vorzogen eher unscheinbar zu wirken.

Eine besonders junge Straßenhure hatte es offenbar vorgezogen der freundlichen Einladung in eine der Limousinen nicht nachzukommen, was dann zwei besonders brutal operierende  Bodyguards dazu veranlasste diese mit Gewalt in das Auto zu befördern. Hastig wurden die Türen zugestoßen und der Wagen brauste mit lautquietschenden Reifen davon. Das letzte was an Folkos Ohren drang war der verzweifelte Hilferuf des leichten Mädchens. Ob die hier wohl je wieder auftauchte? Nicht selten fanden sich solche Unfreiwillige in den frühen Morgenstunden des Folgetages erdolcht oder erdrosselt in einem Straßengraben wieder.

Die Hemmschwelle eine Dirne oder einen Stricher ins jenseits zu befördern war außerordentlich gering, da die verhängten Strafen meist nur aus einer Rüge, im Höchstmaß aber in einer Geldstrafe bestand, bezahlt aus der Portokasse.

Die hier Dienst taten kamen aus der Pariakaste und deren Leben zählte bekanntlich nicht viel.

Folko betrachtete das Geschehen aus der sicheren Distanz des Besuchers, der sich jederzeit in sein sicheres Apartment zurückziehen konnte wenn es ihm zu bunt wurde. Er hatte hier einen Auftrag auszuführen, sonst nichts. Nach getaner Arbeit ging ihm diese Welt nichts mehr an.

Er steckte sich eine Zigarette an und inhalierte genüsslich deren Qualm.

Etwa vier Meter vor ihm quälte sich eine andere Straßenhure heulend aus der Dornenhecke, übersäht mit Rissen und Einstichen. Offensichtlich hatte ein sich Freier der ihrer überdrüssig war, ihrer äußerst unsanft entledigt. Die blutenden Wunden schien für sie bei weitem nicht so wichtig, als die Tatsache, dass der Kunde nicht bezahlt hatte.

„Du mieses Schwein, Spaß gehabt und nicht bezahlen wollen, ja so sind sie, wir sind doch nur der letzte Dreck für euch.“ Brüllte sie in die Nacht.

Am anderen Ende des Platzes war offensichtlich wieder eine Schlägerei ausgebrochen, auch da ging es wie nicht anders zu erwarten um Geld.

Alltag im Parialand.

Genug gesehen für heute Abend, er wollte sich die ohnehin schon miese Stimmung nicht noch mehr verderben, erhob sich von der morschen Parkbank die ihm als Sitz gedient hatte und wollte sich gerade auf den Rückweg machen, als sein Blick auf einen schmächtigen Jüngling fiel der sich im halbdunkel zwischen den Hecken aufhielt. Wie lange der dort bereits verharrte entzog sich seiner Kenntnis. Gekleidet in eine schmutzige eng an liegende Jeans und ein viel zu weites schwarzes Sweatshirt, halblange, strähnig herabhängende Haare umschlossen ein schmales androgyn wirkendes und ängstlich dreinblickendes Gesicht. Ein mit dicken Gläsern bestückte billige schwarze Hornbrille deutet auf einen Sehfehler hin. Unruhig wippte er von einem Bein auf das andere, dabei furchtsam um sich blickend.

Was für ein Glück, schon am ersten Tag fündig geworden, frohlockte Folko innerlich.

Vor ihm stand das perfekte Opfer für seinen teuflischen Plan.

Er hatte es plötzlich gar nicht mehr eilig, ließ sich stattdessen noch einmal auf der Bank nieder um das Objekt seiner Begierde genau in Augenschein zu nehmen.

Folko war sich nicht sicher ob er den Jungen schon am ersten Abend mit zu sich nehmen  oder lieber abwarten sollte.  

Was ging wohl in diesem Augenblick vor, in dessen Kopf? Seiner ganzen Ausstrahlung nach zu urteilen schien er über eine gewisse  Art von Intelligenz zu verfügen. Doch der Schein konnte auch trügen. Je intelligenter desto schwieriger, denn dies barg die Gefahr durchschaut zu werden.

Aber Vorsicht gehörte schon immer zu den Tugenden die Folko auszeichnete.

Einer plötzlichen Eingebung zufolge erhob sich Folko und schritt auf den Jungen zu, bevor ihm doch noch ein anderer zuvorkäme.

„Na du? Wie geht’s, wie stets? Lust auf ein gemütliches Date, oder bist du schon anderweitig gebucht?“

Ängstlich blickte der angesprochene um sich. Mit zitterigem, kaum verständlichem Tonfall stammelte dieser „ Nein…ich äh.. bin noch frei heute Abend. Wenn du… willst, können wir gerne gehen. Wo… möchtest du denn, hier oder hast du ne Bude wo wir…?“

„Die hab ich! Das geht in Ordnung!  Dann komm doch einfach mit!“ Lud Folko mit einladend klingender Stimme ein.

Noch einmal blickte der schüchterne Jüngling um sich. „OK! Gehen wir!“ Flüsterte er.

Langsam begaben sich die beiden über den Platz, vorbei an den Szenen des Abends. Je weiter sie sich entfernten desto leiser wurde die Geräuschkulisse.

Es ging wieder durch die Unterführung, dann hatten sie den Hauptplatz erreicht, von dem es nicht mehr weit bis zur Pension war.

„Ach hier wohnst du in der Pension?“ Wagte der Junge zu fragen.

„Erraten! Bist wohl enttäuscht? Hattest was Besseres erwartet?“ Konterte Folko schlagfertig wie immer.

„Nein! Nein! Das ist mir… doch egal! Wie lange willst du denn, ne Stunde, oder zwei? Oder etwas länger?“

„Hm, unbegrenzt würde ich sagen!“ Antwortet Folko dem sichtlich Erstaunten.

„Unbegrenzt? Wie.. wie meinst du das?“ Der Tonfall verriet die aufsteigende Angst.

„Keine Sorge! Ich meine nur das wir uns nicht unter Zeitdruck setzen sollten, es soll doch Spaß machen, meinst du nicht auch?“

„Ja wie du willst! Kostet aber dann auch entsprechend!“

„Kein Problem! Nenn mir einfach den Preis!“ kam es wie aus der Pistole geschossen.

„Die ganze Nacht für 200!“  Schien er seine Sicherheit wieder gefunden zu haben.

„So preiswert bist du? Na wenn`s weiter nichts ist. Die bekommst du, versprochen!“

Angabe gehörte zu Folko`s Strategie, denn der Junge sollte ja ein Interesse verspüren wieder zu kommen. Mit Geld konnte man hier alles erreichen.

In der Zwischenzeit hatten sie den Korridor, dessen Leuchtstoffröhren noch immer im gleichmäßigen Takt zuckten, erreicht.

Folko öffnete die Tür und wies den Jungen an einzutreten. 

Dieser nahm die Einladung widerspruchslos an.

„Setz dich! Mach es dir bequem!“

Der ließ sich auf einen Ledersessel nieder, dabei erneut schreckhaft um sich schauend.

„Hast du Durst? Was kann ich dir anbieten? Ein Bier? Wir haben auch Sekt. Oder soll es lieber was alkoholfreies sein?“ Folko`s Stimme nahm immer sanftere Züge an.

„Äh… ne Cola, wenn du die hast!“

„Hab ich! So ist es recht, immer einen klaren Kopf behalten, zumindest am Anfang ,später kannst du mutiger werden, nicht nur was die Auswahl der Getränke betrifft.“

Folko öffnete eine Coladose und reichte sie ihm. Dieser nahm sie entgegen und setzte sie an und stürzte einen Großteil des Inhaltes hastig hinunter.

„Na, du scheinst ja großen Durst zu haben. Kein Problem wir haben genug davon wenn du noch eine willst.“

„Ja, den ganzen Tag da draußen und kaum was getrunken und das im Sommer!“ Antwortet der Junge.

Folko setzte sich auf das Bett und schlang die Beine über einander.

Dann schlug er sich mit der Handfläche auf die Stirn.

„Ach,  hab ganz vergessen dich nach deinem Namen zu fragen. Ist doch ok, oder willst du ihn mir nicht sagen?“

„Nein…kein Problem! Justin, ich heiße Justin!“

„Justin! Ein schöner Name, passt gut zu dir.“

„Danke!“ In seinen Mundwinkeln bildete sich ein sanftes Lächeln.

Folko griff nach einer Bierbüchse, öffnete sie und nahm einen  kleinen Schluck.

„Mein Name ist Folko! So in kühles Bier ist das richtige, ganz schön warm hier, findest du nicht auch?“

„Ja richtig heißer Sommer dieses Jahr!“

Schüchtern blickte Justin wieder auf den Boden. Wann würde seine Dienstleistung wohl beginnen. Was wollte sein gegenüber wohl genau von ihm. Freundlich war der ja, zweifelsohne, aber würde das auch anhalten, wenn er seinen Vorstellungen nicht entsprach?

Angst und Interesse wechselten einander ab. Er spürte eine innere Unruhe. Er arbeitete noch nicht lange in diesem Gewerbe, wann würde er endlich die nötige Routine entwickeln?

Sollte er selbst den ersten Schritt tun?

„Was möchtest du von mir? Haste besondere Wünsche?“ Ging Justin einfach mal in die Offensive.

„Hm, kommt ganz drauf an! Bist ja ein ganz hübscher. Also wenn du mich so direkt fragst würde ich doch schon mal gerne mehr von dir sehen. Weißt du worauf ich besonders stehe? Musterung! Kennst du doch,oder? Stell dir vor du bist bei der Armee und wirst von Kopf bis Fuß untersucht. Also zieh dich erst mal vollständig aus, damit ich deinen Körper begutachten kann.“ Schlug Folko vor.

„Ja gern mach ich doch! Ist ja ohnehin ein wenig heiß hier.“

In der Tat, seine Klamotten waren durchgeschwitzt.

Justin nahm Aufstellung und begann sich seiner Klamotten zu entledigen, Folko lehnte sich zurück und beobachtet ihn genau dabei.

Schließlich stand er splitternackt vor ihm

„Geil, einfach nur geil dein Körper! Sag mal wie alt bist du eigentlich?“

„ 17!“

„17? Oh, für dein Alter bist du aber schon sehr gut gebaut. Durchtrainiert, knackige Muskeln.

Dreh dich einfach mal um!“

Justin gehorchte und wandte ihm sein Hinterteil zu.

„Wau! Ein Knackiger Po vom feinsten, jetzt wieder nach vorn drehen! Ja gut! Beine auseinander, Arme in die Höhe, auf die Zehenballen stellen.“

Justin tat wie ihm geheißen.

„Top, absolut top! Steh wieder bequem. Ok, jetzt komm mal etwas näher!“

Justin schritt zu ihm. Mit der Handfläche fuhr Folko über Justins Brust den Bauch, bis in den Schambereich, er griff nach dessen Hoden,dann nach dem Penis und schob die Vorhaut en paar mal hin und her. Schnell bekam Justin eine Erektion.

„Ausgezeichnet! Reagiert alles hervorragend. Du bist in Bestform, genau so wie ich es mag.

So mein Hübscher, jetzt machen wir mal ein paar Übungen.“

Justin fragte sich was er wollte?

Folko stand auf und griff nach Justins Händen.

„Als erstes einen kleinen Sprint, auf der Stelle,na komm so schnell du kannst!“

Justin begann auf der Stelle zu laufen schneller immer schneller, kam dabei ins schwitzen und ziemlich aus der Puste.

„Gut Stopp und stillgestanden!“

Justin stand auf der Stelle stramm. Das Herz pochte ihm und Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper.

Folko fuhr ihm über die linke Pobacke, und roch danach an seiner Handfläche.

„Hm, geil einfach geil so ein schweißbedeckter Körper. So als nächstes Hände hinter dem Kopf verschränken und Kniebeugen mit weit gespreizten Beinen.

Justin begann damit. Am Anfang schaffte er es spielend, doch dann  fiel es ihm immer schwerer.

„Stop, genug!“

„Ja, danke, da kommt man ganz schön aus der Puste!“Bedankte sich Justin außer Atem.

„So und nun schon die letzte Übung. Auf den Boden und Liegestütze“

„Zu Befehl!“ Justin schien Gefallen daran zu haben trotz der Anstrengung.

Doch die Liegestütze bereitetem ihm arg große Schwierigkeiten. Alle Muskeln spannten sich.

Schließlich ließ er sich mit einem Seufzer auf den Boden fallen.

„Ooaach, och, es geht nicht mehr, oach!“

Folko kniete sich neben ihn und drehte ihn auf den Rücken, hob ihn leicht an und nahm ihn in die Arme.

„Alles ok?“

„ja ja geht schon, bin nur total außer Puste.“

„Das war es schon, komm, ruh dich aus, du kannst dich auf das Bett dortlegen.“

Folko half ihm auf die wankenden Beine, geleitet ihn zum Bett, hob zum Schluss Justins Beine ganz sanft auf die Decke.

Er nahm auf der Bettkante Platz und streichelte den Körper vom Kopf bis zu den Füßen.

Justins Glied war inzwischen stocksteif.

„Na, wie geht es dir mein Junge?“

„Ganz schön anstrengend, aber es war echt gut, total geiles Gefühl!“ Bekannte Justin noch immer ein wenig außer Atem.

„Ja, das kann man unschwer erkennen.“ 

Sanft fuhr Folko durch Justins schweißnasses Haar.

„Wenn du magst kannst du duschen, du findest im Badezimmer alles was du brauchst.“ Bot er mit freundlicher Stimme an.

„Ja das wäre toll ich klebe ganz schön.“ Justin blickte auf seinem vom Schweiß glänzenden Körper.

Dann erhob er sich und betrat das Badezimmer. Das warme Wasser prickelte auf seiner Haut und erregt ihn noch einmal von neuem.

Als er in das Schlafzimmer zurückkehrte hatte sich Folko schon zur Ruhe begeben.

„Komm an meine Seite, Süßer.“

Willig kroch Justin zu Folko, dieser nahm ihn sanft in den Arm und drückte ihn leicht an sich

Justin fühlte sich rundum gut, zum ersten Mal so richtig in seinem Leben.

Es dauerte nicht lange und er fiel in einen ruhigen Schlaf.

Mehr geschah nicht in dieser Nacht. Justin hatte seine Dienstleistung zufrieden stellend erfüllt und nun durfte er seine Ruhe genießen.

Noch nie hatte er dergleichen bei einem Freiern erlebt. Wenn er da an die perversen Heinis dachte, die er sonst so zu bedienen hatte. Für die war er nur ein Gebrauchsgegenstand den man benutzte und danach auf möglichst dezente Art zu entsorgen pflegte. Zärtlichkeit, Sinnlichkeit waren für die doch nur Fremdwörter

Statt dessen wurde am Morgen mit ein paar Streicheleinheiten geweckt.

„Wann musst du weg? Hast du noch Zeit? Wollte Folko wissen.

„Ach ich habs nicht eilig. Wir haben genug Zeit.“ Murmelte Justin in die Decke gehüllt.

„Frühstück gibst ab 7.30 Uhr. Wir können dann in Ruhe gemeinsam frühstücken, wenn du magst.“ Lud Folko ein.

„Ja sehr gerne!“

Das wurde ja immer besser. Hier hatte Justin wohl den Fang seines Lebens gemacht.

Gemeinsam begaben sie sich unter die Dusche. Noch mal prickelnde Erotik.

Als sie angezogen waren, zückte Folko seien Brieftasche und bezahlte anstandslos die vereinbarte Summe,  legte sogar noch einen Fünfziger drauf. Justin traute seinen Augen nicht, freigiebig war der also auch noch, das wurde ja immer besser.

Dann genossen sie ein ausgiebiges Frühstück, Justin langte ordentlich zu.

Folko geleitete ihn noch bis zur Straße.

„Also, ich bin heute Abend wieder unten. Wenn du Interessiert bist, kannst du gerne wieder mit mir gehen.“

„Ja sehr gern. Ich komme!“

Justin schritt frohen Mutes über den schon voll belebten Bahnhofsvorplatz.

Voll ins Schwarze getroffen.

Der Typ war die totale Nummer.

Fürs erste ausgesorgt. So einen Kunden konnte man sich nur wünschen. Einer der nicht viel verlangte, freundlich war, gut zahlte, mehr als vereinbart.

Auch mit seinem Zuhälter würde es somit keinen Ärger geben, im Gegenteil, konnte der doch äußerst zufrieden sein. Selbstverständlich würde er am Abend an der gleichen Stelle stehen und warten.

Folko konnte sich erst recht zufrieden zurücklehnen. Er hatte den Köder ausgelegt und schneller als erwartet einen festen Brocken an der Leine.

Seinen Auftrag würde er um so schneller abschließen. Seine Welt wartete auf ihn, da harrten seine Aufgaben und ein fester Platz ganz oben, was juckte ihm dabei ein armseliger Stricher?

Obendrein gab es Spaß. Der Junge sah gut aus, war ausgesprochen lieb und tat was er verlangte. Geld spielte dabei keine Rolle. Folko war wohlhabend, trotzdem brauchte er nicht selbst zu bezahlen. Das Geld wurde allesamt vom Blauen Orden gesponsert. Die hatten ihm eigens dafür ein Konto eingerichtet, worüber er jederzeit frei verfügen konnte.

Es ließ sich also ohne weiteres das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

Eine feine Sache einem solchen Orden anzugehören, einem Orden der sich in überwiegender Anzahl aus schwerreichen Industriellen, Politikern, Künstlern und Intellektuellen zusammensetzte.

Sein Blick fiel durch das Fenster zum Bahnhof, er hatte sich die richtige Seite ausgesucht,  konnte durchaus stolz auf sich sein.

 

Zwei Tage später fand der Empfang im Ordenshaus statt. Elena hatte sich zu guter Letzt doch noch überreden lassen Frederic zu begleiten. Wie immer würde sie der Mittelpunkt einer Party sein

Frederic wusste das, mit ihr an seiner Seite erstrahlte sein Glanz um ein vielfaches. Das konnte ihm von enormem Nutzen sein.

Elena betrat das Ordenshaus zum ersten Mal,  bisher hielt sie Distanz zu den radikalen Positionen jener elitären Vereinigung, schließlich stand sie in der Öffentlichkeit und eine allzu deutliche Nähe, könnte ihr unter Umständen zum Nachteil gereichen.

Als beide den Festsaal betraten richteten sich alle Blicke auf das Paar. Mit großer Genugtuung genoss Frederic diese Aufmerksamkeit. Was für eine markante Erscheinung Elena doch war. In ihrem samtgrünen Abendkleid sah sie bezaubernd aus. Vom Kopf bis zur Taille stellte sie ihren sonnengebräunten Rücken zur Schau. Ihren Hals zierte eine Diamantcollier, die kupferrote Lockenmähne hatte sie zu einer kunstvollen Frisur nach oben gesteckt.

An ihren Fingern und Handgelenken wimmelte es von Gold und Silber. Elena das war einfach nur Glanz, Glanz von Kopf bis Fuß. Wie unscheinbar wirkte doch Frederic an ihrer Seite, dem konnte auch die Galauniform keine Abhilfe schaffen.

Thoralf eilte auf die beiden zu um sie im übertriebenen Maße zu begrüßen.

„Was für ein Anblick. Neben Elena müssen selbst die Götter im Olymp vor Neid erblassen.

Pardon Frederic, das ging nicht gegen dich. Aber es ist nun mal so wie es ist. Elena, herzlich willkommen. Beehre unsere Hallen mit deiner Anwesenheit.“

„Danke Thoralf, ich bin hoch erfreut.  Ich bereue es nicht der Einladung gefolgt zu sein. Frederic  musste all seine Überredungskünste einsetzen. Es gibt so viele Partys in meinem Leben, das ich schon sehr gründlich aussuchen muss. Ich kann nur sagen das ich die richtige Entscheidung getroffen habe.“

Elenas arrogante Thonlage störte Thoralf nicht. Schon lange hatte er ein Auge auf dieses sinnlich-erotische Meisterwerk geworfen und trachtete schon lange nach einer Gelegenheit sie in seine Nähe zu bekommen. 

„Das freut mich! Darf ich euch an euren Tisch geleiten. Ihr findet nur die Ranghöchsten dort,mich natürlich inbegriffen,hahaha!“

Graziös ließ sich Elena am Tisch nieder, Frederic der ihr den Stuhl zurechtrückte, wirkte wie ein zahmer Pinscher.  Mit gespielt höflicher Geste nickte Elena den anderen zu. Nur unter Schwierigkeiten gelang es ihr die Langeweile, die schon jetzt von ihr Besitz ergriffen hatte, zu überspielen.

Thoralf trat an ein aus edlen Hölzern gefertigtes Rednerpult und schickte sich an ,eine Begrüßungsrede zum Besten zu geben.

„Ich will nur hoffen er spricht nicht zu lang! Bei einem ehemaligen Minister, muss man auf so was gefasst sein.“ Meinte Elena abwertend, so das es auch alle am Tisch mitbekamen.

Fassungsloses Stauen zeigte sich in deren Gesichtern.

„Es sollte ein Scherz sein!“ dafür erntet sie gekünsteltes Lachen.

„Elena bitte! Gedulde dich doch. Dieser Abend kann für uns von großer Bedeutung sein. Keine Sorge Thoralf redet nie sehr lang.“

„Na, da bin ich aber beruhigt!“

„Liebe Ordensbrüder, sehr geehrte Ehegattinnen, werte anwesende Gäste!“ Begann Thoralf seine Begrüßung. „Ein herzliches willkommen. Es tut immer wieder gut, wenn sich Gleichgesinnte in festlicher Runde einfinden. Denn wer sich für die geistig-moralische Erneuerung unseres Landes einsetzt dem kommt auch das Recht zu, die Feste so zu feiern wie sie fallen. Und dazu haben wir auch allen Grund. Unser gebeuteltes Land steht vor großen Veränderungen. Endlich ist es soweit, bald schon erhalten wir die Gelegenheit die ehrenwerte Tradition wieder aufzurichten, die unser Land einst groß und mächtig machte. Wir stehen bereit Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung die uns zusteht, uns und nur uns.

Die geistig und moralisch zurückgeblieben in unserer Gesellschaft dürfen niemals die Oberhand in unserem geliebten Vaterland erhalten. Das zu verhindern, ist uns eine heilige Pflicht. Anarchie und Chaos würden sich wie eine dunkle Wolke auf Melancholanien herabsenken, wenn wir zulassen das unwürdige und ungebildete die gleichen Rechte in Anspruch nehmen als unsere erhabene Elite. Sie sollen sich in Acht nehmen, die so genannten Revolutionäre die in Wirklichkeit nur Terroristen sind, wir werden ihrer Gewalt in gebührender Art entgegentreten. Wir sind bestens vorbereitet. Unsere Milizen hervorragend gerüstet und sie beginnen schon für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Natürlich ganz im Einklang mit der Staatsmacht. Wir sind lediglich angetreten Polizei, Militär und Justiz in ihren Aufgaben zu unterstützen. Nur im Notfall, wenn ernsthaft Gefahr drohen sollte, sehen wir uns gezwungen auch gegen diese zu operieren. Aber ich gehe davon aus dass dieser Fall niemals eintreten wird.

Große Erfolge können wir verzeichnen. Wir können stolz auf das Geleistete….“

Nun schloss sich ein Schwall an Selbstbeweihräucherung an. Erfolge wurden aufgezählt und Heldentaten gepriesen. Auf die Schwächen des Ordens kam Thoralf mit keinem Wort zu sprechen. `Die Rede zog sich in die Länge. Am Ende wurden auch noch Toaste ausgesprochen.

Verhallender Beifall brandete Thoralf  entgegen. Große Begeisterung konnte er auf diese Weise kaum hervorrufen,war sich Elena bewusst.

„Naja, ein wenig Beifall ist schon angebracht, meinte Elena während sie zaghaft in die Hände klatschte.

Sie beugte sich zu Frederic über den Tisch.

„Also wenn Thoralf glaubt auf diese Weise Begeisterung hervorzurufen, da muss er noch viel lernen. Gut, inhaltlich kann ich ihm zustimmen, keine Frage. Er mag auch ein guter Verwalter sein. Aber ein charismatischer Führer ist er nicht. Da wundert es nicht das der die letzte Wahl verloren hat.“

„Elena, wir wollen nicht durch eine Wahl an die Macht. Diese Illusion haben wir längst begraben. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch das uns die Macht ganz einfach zusteht.“ Klärte Frederic auf. "Thoralf ist kein Demokrat, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Seine Autorität ist von ganz anderer Natur. Ich habe es selber lange nicht begriffen.

Er hat diese, verzeih wenn es zu pathetische klingen mag was ich jetzt sage, von einer überirdischen Macht. Deshalb steht uns auch jedes Mittel zur Eroberung der politischen Macht zu."

„Aha, ein Staatsstreich, daher weht der Wind, ich verstehe. Selbstverständlich ist das nicht für die Ohren der Öffentlichkeit bestimmt.“

„Du hast es erfasst!“ Bestätigte Frederic.

„Lasst uns jetzt unser Beisammensein mit einem Kulturprogramm weiter fortsetzen. Wir haben uns etwas ganz besonderes dafür ausgedacht.“ Fuhr Thoralf fort.

„Unsere Jugendorganisation möchte uns heute auf besondere Weise unterhalten. Seht selber, was die von der so genannten Bürgerbewegung und ihren Phrasen halten. Sie haben sich ihren eigenen Reim darauf gemacht“

Thoralf verließ die Bühne und begab sich zurück an den Tisch zu Elena und Frederic. Dabei platzierte er sich in penetrant aufdringlicher Weise an Elenas Seite.

Ein Dutzend halbwüchsiger Jungen und Mädchen nahm Aufstellung. Alle waren gespannt was nun folgen würde.

Nicht nur Elena, sondern ein Großteil der Anwesenden erschrak, als in der Seitentür eine Person erschien die Cornelius zum verwechseln ähnlich sah. Zweifel machte sich unter nicht wenigen bemerkbar ob es sich tatsächlich um den abtrünnigen Professor handelte. Erst langsam begriffen sie, dass die Person Teil der nun folgenden Darbietung war.

Cornelius sollte kräftig durch den Kakao gezogen werden.

„Moine lüben Froinde und Freoindinnen, lübes Volk vom Mölancholonien!“Begann die Person mit gekünstelter Stimme eine Rede.

„Ähm …ähm ja, äh wo war ich stöhen geblüben. Ähm auch so ja äh… wo woo.. üst moin Manuskript?“

Die Person kramte in allen Hosen-und –Jackentaschen nach. Erst jetzt bemerkte Elena das Hose, Weste und Jacke viel zu groß geraten waren, die globigen Schuhe mindestens zwei Nummern zu groß. Die berühmte Baskenmütze dagegen erheblich zu klein und glich eher einer Badekappe. Der weiße Bart zerzaust, hinter der schwarzen Hornbrille waren die Augen übergroß zu erkennen.

Seine ganze Erscheinung kam einem Gartenzwerg gleich.

Aus der Jackentasche holte er ein Papierbündel hervor und versuchte die Seiten zurecht zulegen, wobei ihm die Hälfte auf den Boden fiel. Bei dem Versuch diese auf zu heben, stürzte er wie ein Tölpelder Länge nach hin.

„Schuldigung, äh.. Schuldigung. Bün üm Moment wohl was zerstreut. Ähm ja… wo war üch. Äh, ja äh. Lübe Mütbürgerinnen und Mütbürger, lübes Voilk von Mölancholanien. Üch möchte ühnen mütteilen dass üch ab sofort an der Spütze düses Staates stehe. Ja rüchtig, üch bin ab heute euer…ähm euer Lüber Pösidönt. Ja rüchtig gehört. Wür übernehmen die Regierung, wür das ist das Volk von Mölancholanien. Ab jetzt zühen wür andere Seiten auf in diüsem unseren Lande, ab jötzt göht es geröchter zu.“

Wieder fielen ihm die Papiere auf den Boden.

„Üch verkündige ühnen mit übergroßer Freude, dass wür als örstes dön Beschluss gefasst haben dass ab sofort ün allen öffendlichen Oinrichtungen und Haushalten das Klopapier von  beiden Seiten zu benutzen ist.“

Großes Gelächter brandete auf. Elena hingegen schien sich noch immer zu langweilen.

„Nun da hat sich die Jungschar unsere Ordens aber etwas originelles einfallen lassen, ich muss sagen das ist wirklich gut getroffen.“ Versuchte Thoralf ein Gespräch anzufangen.

„Naja, ich hab schon bessere Sketsche gehört. Cornelius als dummer August, ich weiß nicht was da so originell sein soll?  Wir sollten ihn lieber nicht unterschätzen.“

Warnte Elena.

„Tun wir auch nicht Elena, tun wir mit Sicherheit nicht!“ Konterte Frederic.

„Frederic hat Recht! Aber das soll uns nicht davon abhalten uns auf seine Kosten einen Ulk zu machen.“ Gab Thoralf zum Besten.

Derweil ging die geschmacklose Show auf der Bühne weiter. Noch immer stammelte der Komiker seine gestelzte Ansprache. Elena war Cornelius noch nie im Leben begegnet. In den Medien kam er auch nicht vor, da er mit einer Art Bann belegt war. Die meisten Menschen in Melancholanien konnten also den echten Cornelius gar nicht kennen, sondern sahen nur das negative Bild, das in der Öffentlichkeit von ihm präsentiert wurde.

Nun nahm die Gruppe Jugendlicher um den Cornelius-verschnitt herum Stellung und begann ein Spottlied anzustimmen.

„Ach Cornelius du möchtest gerne Präsident sein, ach Cornelius du bist ein wahrhaft schlauer Mann. Ach Cornelius dich lässt doch keiner in das Schloss rein, ach Cornelius sieh dich doch selber nur mal an.

Ach Cornelius, du solltest lieber unser Clown sein, ach Cornelius denk da doch mal richtig drüber nach. Ach Cornelius sonst schlagen wir dir deine Fresse ein, ach Cornelius dann schreist du nur noch weh und ach.

Ach Cornelius verdrück dich, solange du noch Zeit hast, ach Cornelius der Zirkus wartet lange schon auf dich,

Ach Cornelius, ach Cornelius, ach Cornelius  

 

Die Jugendlichen begannen den Tölpel im Kreis herum zu stoßen, danach begann der wie eine Art Rumpelstielschen von einem Bein auf das andere zu hüpfen. Schließlich krähte er wie ein Hahn.

„Kicherikie, kirerickie, kikeriekiiiii….“

Das Gejohle im Saal wurde immer lauter.

Ein junges hübsches Mädchen löste sich aus dem Kreis der Sänger und Sängerinnen, packte den Komiker an seinem langen Bart und zog ihn über die Bühne.

„Cornelius du bist eine echte Lachnummer, aber eine solche will unser Land repräsentieren?

Stellt euch vor ein solcher Spaßmacher an der Spitz, das wäre was, oder?“

Einem Zaubertrick gleich zog sie den Bart nun immer länger, bis dieser etwa ein Meter lang zum Boden hing, damit band sie ihn an einen Balken.

„Ober, ober, üch, muss doch söhr bütten! Geht man denn so mit soinem zukünftigen Staatsoberhaupt um?“ Stammelte der.

„Ich werde dir zeigen was ich von so einem Staatsoberhaupt halte!“ Grölte das Mädchen, dann holte sie aus und trat dem armen Tropf kräftig in den Hintern.

Wieder schloss sich tosendes Gelächter an.

Nun vollends gelangweilt erhob sich Elena und machte Anstalten den Saal zu verlassen.

Um ins Foyer zu gelangen musste sie direkt an der Bühne vorbei. Einer der Jugendlichen erkannte sie, schnappte sich ein Mikrofon. Gerade noch im rechten Augenblick gelang es ihm

Elena am verlassen des Saales zu hindern.

„Ich glaubte zunächst einer Sinnestäuschung zu erliegen. Aber sie ist es tatsächlich. Liebe Anwesende Elena ist unter uns. Ich denke, dass ist einen besonderen Applaus würdig.“

Wie bestellt brandete dieser von allen Seiten auf.

„Elena, komm doch für einen Augenblick auf die Bühne!“

Dieser freundlichen Einladung konnte sich Elena nicht entziehen. Widerwillig aber mit freundlich aufgesetzter Miene leistet sie der Aufforderung Folge.

„Mach uns die Freude und richte ein paar Worte an uns!“

Elena nahm das Mikrofon in die Hand und blickte sich um. Der Cornelius-Darsteller war noch immer mit der Bartattrappe an den Balken gefesselt.

„Aber wollt ihr denn nicht den armen Cornelius aus seiner Lage befreien?“ Meinte sie mit einer gehörigen Portion Ironie in der Stimme.

Gelächter schallte von den Anwesenden herüber.

„Also gut! Ihr wollt ein paar Worte von mir, ihr sollt sie haben.  Cornelius als Präsident unseres Landes? Da steht uns  in der Tat einiges ins Haus. Aber ich bin mir sicher ihr werdet es selbstverständlich verhindern. Melancholanien wäre bei euch doch in den viel besseren Händen. Aber wenn es ihn nicht gebe, ich denke, wir müssten ihn erfinden, denn wer sollte uns sonst so gut unterhalten. Seht ihn euch doch an, die perfekte Karikatur. Schade nur, dass wir es nicht mit dem richtigen zu tun haben. Ich stelle mir vor was für eine Mordsgaudi es gäbe wenn wir erst einmal Cornelius leibhaftig vor uns hätten.“

„Ja genau! Holen wir ihn doch her!“ Erschall der ruf aus dem Publikum.

„Dann tut es doch. Begebt euch einfach zu seiner alten Fabrik, oder wo er sonst zu hausen pflegt und ladet ihn ein, ich bin mir sicher, er wird eure Einladung annehmen, da er doch ein so umgänglicher freundlicher Mensch ist. Also ich stelle einfach die frage in die Runde, wer hat den Mut es zu tun?“

Elenas Frage verwirrte die Anwesenden,darauf hatte es selbstverständlich keiner abgesehen.

„Keiner? Das ist enttäuschend, ich dachte es befänden sich wenigstens einige Mutige hier im Saal.  Und was ist mit euch?“ Elena wandte sich an die vor ihr stehenden Jugendlichen.

Doch die senkten nur verwirrt und verlegen die Köpfe.

„Ihr auch nicht? Schade, dabei habt ihr euch so große Mühe gegeben, mit eurer Parodie.

Da wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben als ihm selbst die Einladung zu überbringen.“

Verwirrtes Schweigen im Saal. Meinte das Elena nun im ernst oder war das Teil des Ulkes der sich da vorne abspielte?

„Ich muss schon sagen, deine Freundin versteht es die Menschen zu beeinflussen, bemerkenswert. Ich hoffe nur die weiß auch wo sich die Grenze befindet!“ Flüsterte Thoralf Frederic über den Tisch zu.

„Also gut, überredet! Ich werde es tun, versprochen. Ich besuche den richtige Cornelius und überbringe eure Einladung , ich bin gespannt wie er darauf reagiert.“ Bot Elena schließlich genervt an.

Da gab sie das Mikro zurück und verließ die Bühne.

Thoralf und Frederic blickten sich nur an.

„Ich will hoffen, dass sie das nicht all zu ernst nimmt, das wäre nicht gut für unser Vorhaben“

Meinte Thoralf beunruhigt.“

„Sei unbesorgt! Elena weiß genau was sie tut. Sie führt etwas im Schilde, aber uns wird das nicht zum Schaden gereichen.“ Versuchte Frederic die Sache herunterzuspielen.

Nach kurzer Pause wurde die Show fortgesetzt, allerdings schien der ganzen Szenerie die Luft ausgegangen, es kam alles nicht mehr so recht in Fahrt

Elena machte sich auf der Toilette etwas zurecht. Natürlich hatte sie das nur im Spaß gesagt, allerdings kam ihr plötzlich eine geniale Idee. Diese alberne Show hatte ihr Interesse geweckt. Ihr Interesse an diesem mysteriösen Volkshelden, von dem so viele sprachen, sei es im positiven,als auch im negativen Sinne. Sie wäre tatsächlich imstande ihn aufzusuchen.  Warum nicht dieses Tabu brechen? Seine Meinung zu hören und sich dann inhaltlich mit seine Thesen auseinander zu setzen, selbstverständlich mit dem Ziel seine Anschauungen zu widerlegen und ihn in aller Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgeben. Sie war sich bewußt das sie ihm dadurch eine Plattform bot, das aber würde sie in Kauf nehmen. Am Ende gebührte ihr der Sieg.

Diese Banausen da drinnen verstanden nichts. Sie schienen Cornelius nicht recht ernst zu nehmen. Auf die Art und Weise wurde sie der Sache nicht gerecht.

Sobald sie diese langweilige Party überstanden hatte, würde sie die Planung ihres Vorhabens in Angriff nehmen. Und was Frederic dazu zu sagen hatte, interessierte sie dabei nicht im Geringsten.

Auf der Nachhausefahrt schwiegen sich die beiden weitgehend aus. Erst als Frederic sie vor ihrem Haus absetzte, wagte er sie anzusprechen.

„Sag mal war das etwa dein ernst? Ich meine die Sache mit Cornelius. Du willst doch wohl nicht wirklich in Kontakt mit dem treten, oder?“

„Warum nicht? Ich denke hier rein geschäftlich, das gebe einen guten Aufhänger für meine Show. Du hältst mir doch selber ständig vor dass die wieder mal ein neues Event brauchen. Den Alten möchte ich mal richtig ausquetschen, vor laufender Kamera und ihn vor allem bloßstellen, ich denke, das würde die Einschaltquoten kräftig in die Höhe schnellen lassen.“

„Mag sein! Aber bedenke, der Schuss kann leicht nach hinten losgehen. Cornelius ist ein intelligenter Mann.“ Hielt ihr Frederic entgegen.

„Ach so, das steht aber im krassen Gegensatz zu dem was uns da eben auf der Bühne geboten wurde. Da liegt eure Schwäche, ihr nehmt die Dinge viel zu sehr auf die leichte Schulter.“

Sie küsste ihn, dann schwang sie sich aus dem Auto und schritt mit sinnlicher Bewegung auf ihre Villa zu.

„Wenn du wüstest, was ich weiß!“ Sprach Frederic zu sich selbst. Dann brauste er davon.