Reaktionen

 

Helle Aufregung im Quartier der Radikal-Revolutionäre am Morgen nach Elenas Abgesang.

 

Wie von der Tarantel gestochen wirbelte Neidhardt durch das Hauptgebäude,es galt die anwesenden Revolutionäre und all jene die sich dafür hielten,zu einer außerordentlichen Besprechung zusammenzutrommeln.

Mit der Faust pochte er laut an jede einzelne Tür.

„Aufstehen! Sofort aufstehen! In einer halben Stunde Krisensitzung in der Aula!“ Hallte sein tiefer Bass durch die Flure.

Als einige offenbar nicht gleich zu verstehen schienen, steigerte sich sein Tonfall.

„Sitzt ihr auf euren Ohren? Krisensitzung habe ich gesagt! Das heißt augenblickliches Erscheinen!“

Schon öffneten sich die ersten Türen und die Überraschten eilten in den Flur, ins Treppenhaus und schließlich in die Aula,  den großen Versammlungsraum.

Kaum einer konnte sich den Grund für die morgendliche Aufregung erklären.

„Weißt du, was los ist? So eine Aufregung habe ich ja noch nie erlebt. Der Alte ist wohl nun komplett übergeschnappt.“ wollte Ansgar wissen, doch auch Lars hatte keine Erklärung dafür.

„Keine Ahnung! Aber da muss schon was wirklich Außerordentliches vorgefallen sein.“

„He, weiß du was Genaues?“ wandte sich Ansgar an Thomas, der gerade vorüberging.

„Nee, aber ich wette darauf, dass es sich um die Ansprache von gestern handelt!“gab dieser zur Antwort.

„Ansprache? Welche Ansprache denn?" wunderte sich Lars.

„Na, die von Elena! Sagt nur, ihr habt die gestern Abend nicht gesehen?“ 

„Also ja, ich hab da was läuten hören. Aber gesehen hab ich die nicht!“ gestand Lars.

„Na, du bist mir ja einer, da bist du wohl einer der wenigen in Melancholanien, der nicht infiltriert wurde!“ gab Thomas zur Antwort.

 Wortlos blickten Ansgar und Lars einander an und schulterten sich, inzwischen war auch noch Ronald zu ihnen gestoßen.

„Ruhe! Hinsetzen! Klappen halten!“ Neidhardt schlug mit der Faust auf die Platte des Eichenholztisches vor ihm.

„Eine Laune hat der heute! Das kann ja heiter werden!“ murmelte Lars vor sich hin.

Sogleich verstummt das Gerede im Raum und alle lauschten gespannt den neuesten Nachrichten.

„Ich begrüße euch zu unserer außerordentlichen Versammlung, die ich kurzerhand ein berufen musste.“

„Dürfen wir den Grund erfahren? Wir hatten  kaum die Zeit, uns entsprechend vorzubereiten:“ unterbrach Dagobert, der direkt neben ihm Platz genommen hatte.

„Ihr dürft, es sei denn, ihr wollt mich ständig unterbrechen.“ schallte Neidhardt, so dass Dagobert nur so zusammenzuckte.

„Wer von euch hat gestern Abend vor der Glotze gesessen und sich Elena angesehen. Raus mit der Sprache?“ forderte Neidhardt streng.

Allgemeines Gewisper, aber niemand traute sich.

„Elena? Aber Neidhardt wie kommst du darauf? Du hast uns  stets nahe gelegt, auf diese Art Fernsehen zu verzichten, da es sich deiner und auch unserer Meinung nach  um Volksverblödung handelt. Warum stellst du uns diese Frage?“ fragte Ansgar erstaunt.

„Weil es sich diesmal um eine Ausnahme handelt. Keine Angst, es gibt keine Rüge. Im Gegenteil, es würde mir viel Gefasel ersparen und ich könnte gleich auf das Wesentliche zu sprechen kommen.“

Plötzlich streckten einige ihre Hände in die Höhe, dann wurden es immer mehr. Etwa zwei Drittel bekannten sich.

„Also gut! Dann habt ihr also eine Vorstellung von dem um was es geht. Dadurch erspare ich  mir längere Erläuterungen. Es brennt, liebe Genossen und zwar an allen Enden unseres Landes. Es brennt so sehr, das wir einen akuten Notstand haben. Wenn ihr Elenas Ansprache gesehen habt, wißt ihr, das es inzwischen fünf Minuten vor zwölf ist.“

„Aber wieso denn, Neidhardt? Was hat Elena so außergewöhnliches getan? Sie bekannte sich schuldig, hat ihre Fehler eingestanden und will, wenn ich  recht verstanden habe, ein neues Leben beginnen.

Nun, dann soll sie doch! Ich gönne es ihr. Aber was haben wir damit zu schaffen? Was geht es uns an?“ Bemerkte Dagobert.

„Du bist ja ein exzellenter Agit.-Prop.-Verantwortlicher, wenn du nicht begreifst worauf ich hinaus will. Das geht uns sehr etwas an. Wer sein Ohr an der richtigen Stelle trägt, wird bemerken, dass die Stimmung in Melancholanien in den letzten Stunden geradezu am Kochen ist. Ich denke, es ist nicht zu dick aufgetragen, wenn ich von Aufruhr spreche. Ausgelöst durch Elenas Ansprache. Keiner kann zur Stunde sagen, in welche Richtung sich das entwickelt. Ich habe da nur so meine Befürchtungen.

Begreift ihr  nicht. Da könnte eine Revolution vom Zaune brechen und wir sind nicht dabei. Sind außen vor, andere tragen die Früchte davon, die wir gesät haben. Das ist eine Schande.

Da müht man sich jahrelang um die rechte Agitation, stets darauf bedacht die Menschen davon zu überzeugen, sich zu organisieren und sich zur Wehr zu setzen und nichts dergleichen geschieht. Nun kommt  dieses Flittchen daher, spricht ein paar rührende Worte im TV und auf einmal sind alle aus dem Häuschen. Das kann doch nicht wahr sein.

Wenn wir nicht auf der Hut sind, droht die Sache außer Kontrolle zu geraten,müssen wir befürchten regelrecht überrollt zu werden um in Anschluss in die Bedeutungslosigkeit zu versinken.“

„ Glaubst du tatsächlich, dass das solche Folgen nach sich ziehen könnte? Ich gehe doch eher davon aus das es sich um eine vorübergehende emotionale Regung handelt, der sollten wir nicht zuviel an Bedeutung beimessen. Ich denke, in ein paar Tagen hat sich alles wieder beruhigt.“ glaubte Dagobert zu wissen.

„So, glaubst du das? Ich werde ernsthaft darüber nachdenken, mir ein neuen Chefpropagandisten zu suchen.“ Dagobert wurde kreidebleich.

„Nein, da wurde ein Lawine losgetreten und im Moment vermag niemand sie zu stoppen.  Hier könnte sich schon bald eine ernst zu nehmende Volksbewegung etablieren  in direkter Konkurrenz zu unseren Interessen. Das aber müssen wir unter allen Umständen verhindern. Aus diesem Grund seid ihr hier. Es gilt so bald als möglich wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bevor es zu spät ist:“

„Und was schlägst du uns vor? Wir sind  ebenso vor den Kopf gestoßen. Ich könnte im Moment nicht sagen was wir tun könnten!“ meldete sich Gerold zu Wort.

„Genau da liegt das größte Problem! Auch ich vermag es nämlich auch nicht. Tut mir leid! Ihr findet mich  ratlos. Das wir etwas tun müssten steht außer Frage. Wir können es uns nicht leisten, einfach die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten?“

„Aber Neidhardt, noch vor ein paar Tagen hast du uns gelehrt, dass die Durchführung einer Revolution davon abhängig ist dass sich die Gesellschaft in einer revolutionäre Situation befindet. Die sei aber im Moment in weiter Ferne. Deine eigenen Worte. Nun soll sich das praktisch über Nacht geändert haben? Einfach so! Ich komme da nicht mit!“ gestand Lars.

" Aber genau so ist es, zum Himmeldonnerwetter noch mal. Dieses Weib hat uns ganz schön in die Bredouille gebracht. Die Situation ist da. Sicher, sie könnte abebben nach einer gewissen Zeit, auch das ist nicht ganz auszuschließen. Aber selbst dann wäre es wichtig, sich die Angelegenheit zunutze zu machen..

Allgemeines Gemurmel im Raum. Noch immer konnten sich die meisten nicht recht vorstellen, worauf Neidhardt hinauswollte. Was sollten jetzt geschehen? Konnten sie überhaupt etwas tun. Diese Frage stand im Raum.

„Neidhardt, wenn du schon keinen Rat findest, wie könnten wir dir dann mit einem solchen zur Seite stehen. Im Moment heißt es wohl resignieren" Gab Lars zu bedenken

„Nein das werden wir nicht, das dürfen wir nicht. Wenn wir das tun, sind wir erledigt, dann können wir uns gleich in Luft auflösen. Lasst uns überlegen. Wir müssen mit Vernunft und Augenmaß vorgehen.“ langsam schien Neidhardt seine Fassung wieder zu erlangen.

„Elena wird mit Sicherheit zu Cornelius gehen. Wo sollte sie auch hin. Der ist im Moment der große Gewinner. Dem fällt der Erfolg wie eine reife Frucht in den Schoß. Mit Elena an seiner Seite, ja womöglich an der Spitze, kann seine Bewegung in ganz enormen Ausmaß punkten.

Uns braucht er dann nicht mehr. Unser Bündnisangebot können wir uns schenken. Dann stünden wir im Hemd. "

„Sollten wir Elena aus dem Weg räumen? Ist es das, was du anstrebst? Klar, wenn ihr, sagen wir mal so ganz nebenbei etwas zustößt, sie nicht mehr unter uns wäre, wäre die Gefahr gebannt !“ schlug Gerold vor.

„Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank? Elena beseitigen? Das käme im Moment einem politischen Selbstmord gleich. Wenn überhaupt hätten wir dass früher erledigen sollen. dafür ist es zu spät, Im Augenblick steht sie  im Brennpunkt. Wir können sie nur auf andere Art kaltstellen.  Es gilt, uns ihre ungewöhnliche Popularität in der Bevölkerung zunutze zu machen. Sie langsam, ganz unauffällig auf unsere Seite zu ziehen. Dazu bedarf es einer gehörigen Portion Geduld und Fingerspitzengefühl.  Wir können nicht wie der Elefant im Porzellanladen vor gehen. Zunächst  einmal ausloten, welche Möglichkeiten bestehen.“

„Also, wenn ich etwas vorzuschlagen hätte.  Einfach erst den Kontakt herstellen, ausfindig machen, wo sie sich aufhält. Solange wir das nicht wissen, können wir Theorien aufstellen noch und noch. Wenn wir sie haben, dann ist es möglich, weiter zu denken.“ schaltet sich Ronald ein.

„Sehr richtig, Ronald!  Dieser Vorschlag entbehrt nicht  einer gewissen Logik. Einen direkten Draht zu ihr, dass ist es, was wir brauchen. Den müssen wir herstellen um auf diese Weise Schritt für Schritt Einfluss zu gewinnen.“ lobte Neidhardt.

„Ich bin nach wie vor der Meinung vorerst nichts zu unternehmen. Am Ende, wenn sich die Wogen geglättet, könnte es uns zum Schaden gereichen.  Es ist doch gar nicht gesagt, dass Elena auf der politischen Bühne eine Rolle spielen will.  Dazu hat sie sich noch nicht geäußert. Und überhaupt. Du vermutest dass sie bei Cornelius untergetaucht ist. Wissen tust du es nicht, tun wir es alle nicht.“ mahnte Dagobert erneut.

„Wir haben deine mahnenden Worte vernommen, Dagobert. Aber wir werden uns trotzdem bewegen. Ronald!“

„Hier!“

"Du erhältst einen Spezialauftrag, Ehrenauftrag versteht sich. Du wirst als Kundschafter in die Szene um Elena eingeschleust. Deine Aufgabe besteht darin, herauszufinden, was dort vor sich geht. Kontakte knüpfen, auskundschaften, berichten.“

„Ich? Aber warum ausgerechnet ich?“ muckte der Angesprochene auf.

„Ganz einfach, weil du Elena kennst. Zumindest ist dir das Milieu um den Dichter Kovacs bekannt, du bist  immer wieder Gast bei ihm. Dort wirst du dich ab jetzt dauerhaft auf halten. Taucht Elena auf bist du mitten im Geschehen. Und aufgrund der Tatsache dass du bekannt bist wird niemand Verdacht schöpfen.“ lautetet Neidhardts Anweisung.

„Also kennen würde ich das nicht bezeichnen. Gut, ich bin Elena dort einige Male begegnet, das ist richtig. Aber mehr als zwanzig Worte haben wir kaum miteinander gewechselt. Ach, und Ansgar betrifft das im Übrigen auch.“ versuchte sich Ronald herauszureden.

„Einer von euch beiden muss es tun. Ich habe mich für dich entschieden. Du wirst für diese Zeit von allen deinen Aufgaben hier entbunden. Bleibe solange du es für möglich erachtest. In Abständen wirst du uns Bericht erstatten. Ansgar ist dein direkter Ansprechpartner.“

„Aber dann könnte doch auch Ansgar statt meiner  gehen!“

Ansgar rammte ihm mit den Ellenbogen in die Seite.

„Ruhe! Lass mich gefälligst aus dem Spiel! Er hat dich auserkoren, dann musst du auch gehen! So ist das nun mal!“ flüsterte Ansgar ihm mit scharfen Worten ins Ohr.

„Schluss jetzt! Ich habe meine Wahl getroffen! Du wirst gehen! Basta! Du kannst stolz auf diese Aufgabe sein, sie ist von entscheidender Wichtigkeit!  würgte Neidhardt die Diskussion ab.

„Na, dann mein Glückwunsch, Ronald! Du kannst dich glücklich schätzen, jeder wird dich darum beneiden, du kannst ganz und gar in der Nähe von Elena sein. Welche Ehre“ neckte ihn Lars.

„Hahaha! Vielen Dank für die Blumen! Dann geh doch du um dich in Elenas Schein zu sonnen!“

„Mich kennt sie ja nicht! Pech gehabt! Aber nimm es nicht weiter tragisch!“ stichelte Lars weiter.

„Ruhe dort hinten! Die Versammlung ist noch nicht geschlossen!“ donnerte Neidhardt.

„Ich bin gespannt, was die Verantwortlichen des Blauen Orden tun , die hat es mindestens ebenso  kalt erwischt wie uns selbst. Aus diesem Grund ist höchste Wachsamkeit geboten. Wir können gewiss sein, dass jetzt mit verstärkten Aktionen von deren Seite zu rechnen ist. Wir sollten vor allem auf die Paria-Siedlungen ein Auge werfen, die waren schon in der Vergangenheit Ziel von gezielten Anschlägen der Blauen.“

„Aber der Blaue Orden hat sich doch in den letzten Wochen relativ zurückgehalten! Warum sollte es denn jetzt anders werden?“ wollte Gerold wissen.

„Aus den genannten Gründen! Wie oft soll ich mich denn noch wiederholen, bis ihr begreift. Wir haben seit gestern Abend einen völlig anderen Sachverhalt, eine Ausnahmesituation und da lässt sich nun mal gar nichts ausschließen. Lars, Dagobert, das wird eure Aufgabe! Ihr werdet euch in den Pariasiedlungen  in der Umgegend  umsehen. Ihr bekommt ausreichend Männer zur Verfügung. Baut eine Schutztruppe auf. Es gilt die Paria vor Übergriffen zu schützen. Das wird uns bei denen zusätzliche Pluspunkte einbringen.“

„Ach du Scheiße! Das hat mir gerade noch gefehlt!“ Lars senkte den Kopf.

„Ich gratuliere dir Lars! Eine großartige Aufgabe!“ lästerte nun seinerseits Ronald.

„Ruhe dahinten!“ fuhr Neidhardt erneut dazwischen.

„Zum Glück haben wir unseren Top-Informanten immer zur Hand. Thomas, du weißt, was du zu tun hast. Nutze deine Verbindung zum Staatsschutz, finde heraus, was der Blaue Orden plant. Gehe am besten erst mal für ne Weile zurück in deine alte Dienststelle, von dort wirst du  die Lage sicher besser überblicken können.“

„Ich werde mein bestes versuchen!“ gelobte Thomas ohne Murren.

„Somit wären wir also mit der Aufgabenverteilung fertig.  Wir haben jetzt nicht die Zeit, alles in großem Maßstab auszudiskutieren. Es kommt darauf an, dass ein jeder sein Aufgabengebiet kennt und entsprechend handelt. Für alle anderen heißt es mit denken, Lösungsvorschläge zu entwerfen und mir vorlegen. Wir werden uns dann zu gegebener Zeit erneut zusammensetzen um die Ergänzungen einzupflechten. Alles ist danach zu einem großen Ganzen zusammenzufassen. Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, ich sehe nicht ein, warum ich mir allein Gedanken machen soll.“

Das waren ganz neue Töne. Ansonsten scherte sich Neidhardt ausgesprochen wenig um die Vorschläge seiner Untergebenen. Bahnte sich etwa eine Kehrtwende an? Wohl kaum! Eher versuchte Neidhardt in dieser heiklen Situation nicht als allein Verantwortlicher da zu stehen.

„Haltet euch bereit! Wie ich immer sage, erwartet auch das Unerwartete! Dann wird uns nichts aus der Fassung bringen.“ verkündete Neidhardt schon sein Schlusswort.

„Aber Neidhardt, sollten wir uns nicht  noch mit dem geplanten Aufbau der neuen politischen Partei befassen. Ich denke, hier gibt es noch genügend Diskussionsbedarf. auch dieses Projekt dürfen  wir nicht vernachlässigen!“ glaubte Dagobert zu wissen.

„Dagobert, Jegliches zu seiner Zeit. Damit befassen wir uns, wenn wir in der anderen Angelegenheit Gewissheit haben. Sei aber ohne Sorge. Ich habe nicht aus Zufall dich und Lars für die Aufgabe bei den Paria ausgesucht. Ihr werdet dort eine ausgezeichnete Gelegenheit haben, praktische Erfahrung zu sammeln, die euch  bei dem späteren Parteiaufbau zugute kommen werden. Denn es gilt, auch bei den Paria den Fuß in die Tür zu setzen.“ bog Neidhardt ab. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er sich auch in dieser Angelegenheit das letzte Wort vorbehielt.

„Alle, die heute eine Ehrenauftrag erhalten haben. Bereitet euch vor und brecht in absehbarer Zeit auf. Die Angelegenheiten sind zu wichtig, als dass sie all zu langen Aufschub dulden.“

Neidhardt erhob sich, Diskussion beendet.

Nun erhoben sich auch die anderen und allgemeines Gemurmel setzte wieder ein.

„Na, das ist ja ne feine Sache! Zu den Paria gehen, mich dort auf halten, wenn nötig ein schreiten, wenn der Blaue Orden in Erscheinung tritt. Wie denkt der sich das eigentlich?“ beschwerte sich Lars.

„Da kann ich ja im Nachhinein für meine Auftrag danken. Ist zwar auch nicht gerade das Gelbe vom Ei, aber im Gegensatz dazu bin nicht durchaus gut dran!“ stellte Ronald fest.

„Ich werde mich gleich auf den Weg machen. Die Sache duldet in der Tat keinen Aufschub. Also bis demnächst, wann immer das ist. Gehabt euch wohl.“ gab Thomas zu verstehen und verschwand sogleich auf dem Flur.

„Was ist denn mit dem los? Ist wohl unter die Streber gegangen?“ wunderte sich Lars.

„Schon möglich, bei dem kann man nie wissen. Staatsschutz ist so eine Angelegenheit für sich, da beneide ich keinen drum.“ gab Ansgar zu verstehen.

" Du bist  wieder mal ungeschoren davon gekommen. Kannst ganz still sein!“ beschwerte sich Ronald.

„Ach, lass den Kopf nicht hängen! Wird sicher ne ganz lustige Sache, wir wissen doch, wie es bei diesem Dichter aussieht. Da kommt nie Langeweile auf.“ versuchte Ansgar Ronald Mut zu machen. „Den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen und Kovacs' Geschichten lauschen, was kann es Schöneres geben, hast du selbst einmal gesagt, wenn ich dich daran erinnern darf.“

„Ich will es hoffen! Kann aber zuweilen auch ganz schön anstrengend sein, wie du aus eigener Erfahrung feststellen konntest. Nun gut, dann will ich mal alles vorbereiten. Mal sehen, wann ich mich auf den Weg mache, sehr eilig habe ich es eigentlich nicht.“

„Du hast Neidhardt gehört! Keinen Aufschub!“ meinte Lars.

„Ach, es wird nie so heiß gegessen als gekocht. Ich glaube ebenso wie Dagobert, dass wir uns viel zu viele Gedanken machen. Das wird schon  wieder ins Lot kommen. Wir kennen doch unsre Melancholanier. Revolution? Hier? Erlebt doch keiner mehr von uns!“ glaubte Ansgar.

" Am Ende alles wie gehabt! Falscher Alarm! Aber immerhin, ne kleine Abwechslung zwischendurch, gibt’s hier ja nicht all zu oft.“ fügte Ronald hinzu.

 

 

Es versteht sich von selbst, dass auch die Verantwortlichen im Blauen Orden wenig begeistert von Elenas Abendauftritt waren. Auch hier lagen die Nerven blank.

Elena hatte dessen Plänen erheblichen Schaden zugefügt.

AuchThoralf hatte sich die Übertragung angesehen und dabei auf völlig andere Worte gehofft. Nun das! In seinen Augen war Elena zur Verräterin geworden. Was um alles in der Welt hatte sie zu diesem außergewöhnlichen Schritt veranlasst? Aber sie war nicht auffindbar. Das wusste er bereits von Frederic. Nur an den konnte er sich im Moment halten.  An ihrer statt  wurde er ins Hauptquartier zitiert um stellvertretend Rede und Antwort zu stehen. Er und noch ein paar weitere Verantwortliche des Stabes. Es bestand erhöhter Klärungsbedarf. Es mussten Mittel und Wege gefunden werden, Elena auf den rechten Weg zurückzuführen, oder, sollte sie das nicht wollen, über andere Methoden nachzudenken..

„Sag mal, ist deine Freundin von allen guten Geistern verlassen? Wie um alles in der Welt kommt sie auf die Idee, sich auf diese Art der Öffentlichkeit zu präsentieren. All unsere Bemühungen der letzten Wochen, Monate,  ich möchte fast sagen, Jahre einfach zunichte gemacht. Ist sie sich der Tragweite ihres Auftrittes überhaupt bewusst? Ich glaube kaum.  Ein schönes Kuckucksei das sie uns ins Netz ins Netz gelegt hat. Kannst du mir erklären, was das zu bedeuten hat? Hat sie den Verstand verloren?  Kein vernünftiger Mensch käme auf so einen abstrusen Gedanken.“ brüllte Thoralf und lief dabei wie ein aufgescheuchtes Huhn in seinem Büro auf und ab.

„Mit welchem Recht schreist du mich so an? Was kann ich denn dafür? Elena ist nicht mein Mündel. Sie tut, was sie will und das schon immer,ich habe überhaupt keinen Einfluss drauf. Was hätte ich denn tun sollen?“ wehrte sich Frederic energisch.

„Sie ganz einfach unter Kontrolle halten, mein Lieber, so lautete deine Aufgabe. Aber seit langem schon beobachte ich, dass du ihr nicht gewachsen bist. Das ist das Problem. “

„Ich kann Thoralf nur in allem zustimmen. All das hätte vermieden werden können, hättest du deinen Einfluss geltend gemacht!“ stimmte Christoph zu, der immer wie ein Lakai am Rockzipfel des allmächtigen Großmeisters hing hing.

„Ich weiß überhaupt nicht, was ihr von mir wollt. Elena kapselte sich die letzten Tage völlig von der Außenwelt ab,  niemanden ließ sie vor, mich inbegriffen. Es lag nicht in meiner Macht zu intervenieren Zugegeben, seit langem schon bemerkte ich, dass etwas nicht mit ihr stimmte, eine radikale Veränderung seit ihrer Rückkehr, dass etwas in ihr arbeitete. Aber wer hätte denn damit rechnen können?“ verharrte Frederic noch immer in Verteidigungsstellung.

„Du hättest damit rechnen müssen, denn du kanntest sie  am besten. Du bist doch ihr Liebhaber, oder etwa nicht mehr?“ schnaubte Thoralf noch immer vor Wut.

„Ich wüsste nicht, was das damit zu tun hat! “

„Und ob es das hat! Jetzt haben wird den Salat. Ich kann es immer noch nicht glauben. Was hatten wir für Pläne mit ihr! Alles hätte sie haben können. Jeden Einzelnen um den Finger wickeln. Und nun vergilt sie es uns mit Undank und Auflehnung. Etwas großes, etwas geradezu Gigantisches hätte ich aus ihr machen können.“ entsetzte sich Thoralf der es noch immer auf sie angesehen hatte.

„Aber sie ist doch schon ganz oben! Wohin wolltest du sie noch bringen? Sie hat uns doch gar nicht mehr nötig!“ erkannte Frederic richtig.

„Genau! Das ist es! Sie hat uns nicht mehr nötig. Die junge Dame ist dem Anschein nach schon zu hoch geklettert und glaubt sich alles erlauben zu können. Vor allem keine Rücksichten mehr. Das ist ein schwerer Irrtum. Sie sollte daran denken, wem sie ihren kometenhaften Aufstieg zu verdanken hat. Wir haben sie entworfen, wir haben sie zu dem gemacht, was sie ist. Und wenn wir wollen, können wir das ganz schnell wieder revidieren.“ polterte Thoralf weiter.

„Ganz richtig! Ich kann mich  Thoralfs Meinung zu 100 % anschließen. Elena ist einfach viel zu weit gegangen!“ plapperte Christoph wie ein Papagei.

„Mich würde auch sehr wundern, wenn du in der Zwischenzeit eine eigene Meinung entwickelt hast.“ entgegnete Frederic.

„Na, erlaube mal! Wie redest du denn mit mir?“ entrüstete sich der Angesprochene.

„Schluss damit! Ich will hier keinen Zank!  Lasst uns lieber überlegen, was wir tun könnten. Denn wir müssen aktiv werden, bevor es zu spät ist.“ gab der Großmeister zu verstehen und ließ sich in seinen Ledersessel fallen.

„Tun?  Können wir denn überhaupt etwas tun?“ wollte Christoph wissen.

„Natürlich! Und zwar so bald als möglich! Frederic, das ist vornehmlich deine Aufgabe. Sie ist deine Partnerin, also obliegt es dir, sie zur Rechenschaft zu ziehen!“ wies Thoralf an.

„Ich? Ich soll sie zur Rechenschaft ziehen? Ihr macht mir Spaß. Wie soll ich das bewerkstelligen?  Dafür müsste ich ihrer zunächst habhaft werden.Ich weiß ich nicht mal wo sie sich gerade befindet. Soll ich ihr nachlaufen? Zweites wäre ich der letzte, von dem Elena einen Ratschlag akzeptieren würde. Und drittens mache ich euch darauf aufmerksam, dass sie mit ihrem Leben gebrochen hat, also Drohungen gleich welcher Art, wären hier völlig wirkungslos.“ lehnte Frederic mit Nachdruck ab.

„Du wirst sie wieder auf den rechten Weg bringen, oder wir sehen uns leider gezwungen, andere Maßnahmen zu ergreifen.“ Thoralfs Drohgebärde nahm beachtliche Ausmaße an.

„Maßnahmen, welche Maßnahmen?“ wollte Frederic wissen.

„Das wirst du  sehen, wenn die  Zeit  gekommen ist. Gut, ich will aufgrund der Dienste, die sie uns bisher erwiesen hat, nicht all zu streng vor gehen. Ich räume ihr Bedenkzeit ein. Aber meine Geduld hat Grenzen. Sie darf sich nicht einbilden, diese über die Maßen strapazieren zu dürfen. Ich erwarte in den nächsten sagen wir mal 3 Wochen eine Antwort.“ bot Thoralf an.

„Aber ich habe dir doch gesagt, dass ich keinen Einfluss auf sie habe. Die lässt sich nichts sagen.“

„Was einmal mehr unter Beweis stellt, dass du offensichtlich total bei ihr versagt hast!“ bemängelte Thoralf so, als ginge ihn das etwas an.

„Meine Beziehung zu Elena ist Privatangelegenheit. Das ist eine völlig andere Sache.“ verteidigte sich Frederic.

„Elena ist aber keine reine Privatperson. Alles was sie tut betrifft eben auch die Öffentlichkeit.“

„Du wirst etwas unternehmen. Wie, das ist ganz allein deine Angelegenheit. Solltest du versagen, dann sind wir an der Reihe.“ gab Christoph zu verstehen, der glaubte, seine Meinung bekunden zu müssen.

„Kannst oder willst du nicht verstehen? Hier steht unsere Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.

Mit Elena hätten wir eine Gegnerin von ungeahnten Tiefen.  Zuerst Cornelius, dieser senile Professor, selbsternannter Volkstribun, der die Massen anstachelt, wo er nur kann.

Dann Kovacs, dieser durchgeknallte Dichter, der sich einst zu unseren erlauchten Kreisen rechnete, wir haben ihn nach oben gebracht, auch er vergalt es mit Verrat und Undank. Gesellt sich nun auch noch Elena hinzu, das wäre nicht auszudenken. Solchen Gegnern haben wir nichts entgegenzusetzen. Typen wie Neidhardt sind es, die wir brauchen, die im Volke kaum über Rückhalt verfügen. Die können wir als eine echte Bedrohung erscheinen lassen. Aber wie sollte uns das mit Elena gelingen?“

„Ich verstehe dich ja! Diese Sorgen teile ich mit euch. Aber ich habe nun mal keine Möglichkeit, ihr Einhalt zu gebieten. Ich wollte, ich könnte es, ich würde auf der Stelle alles nur Erdenkliche in die Wege leiten. Meine Interessen sind von ihren unüberlegten Aktionen ebenso tief in Mitleidenschaft gezogen. Aber ich kann es nicht! Ich kann einfach nichts tun!“ beschwor Frederic noch einmal.

„Du könntest schon! Aber du willst es nicht! Das ist ein gewaltiger Unterschied.“ glaubte Christoph zu wissen.

„Ach denkt und tut doch was ihr wollt! Ich habe es satt, mich von euch vorführen zu lassen. Tut was ihr für richtig erachtet, aber laßt mich aus dem Spiel.“ Wollte Frederic sich nicht länger zum Sündenbock machen lassen.

"Einverstanden! Wenn du so darüber denkst. Du hattest deine Chance, aber wenn du nicht willst, dann  müssen wir uns persönlich der Angelegenheit widmen.

Christoph, du wirst dich noch heute mit Folko in Verbindung setzen.“ gebot Thoralf.

„Mit Folko? Aber der ist doch schon in einer anderen wichtigen Mission unterwegs.“ gab der Angesprochene zu bedenken.

„Richtig! Aber die können wir gut unter einen  Hut bringen. Er wird vorerst von Cornelius abgezogen. Wie ich schon betonte, der alte Laberer ist im Moment das kleinere Übel. Elena ist wichtiger. Folko wird ab sofort auf Elena angesetzt.“

„Auf Elena angesetzt? Du willst damit sagen, dass ihr sie aus dem Weg räumen wollt, oder?“ Sorgenfalten bildeten sich auf Frederics Stirn.

„Zum Beispiel! Aber nur wenn alle anderen Methoden ausgeschöpft sind.“ bestätigte Thoralf.

„Und ihr glaubt dass ihr so weit gehen müsst?“

„Ich habe dir angeboten, deinerseits für Ordnung zu sorgen Frederic, aber gerade hast du abgelehnt. Jetzt darfst du dich nicht beschweren, wenn wir auf unsere Weise vor gehen. Elena muss von der Bildfläche verschwinden, radikal. Sie hat sich den Ärger selber eingebrockt, nun hat sie die Konsequenzen zu tragen.“

Wortlossenkte Frederic den Kopf. Natürlich hatte Thoralf Recht. Elena musste sich der Folgen ihres Handelns bewusst sein. Bei ihrem überragenden Intellekt hätte ihr das einleuchten müssen. Was ihn selbst betraf, so beschloss er, nicht mehr länger den Kopf  für Elenas eigenmächtiges Handeln darzubieten.

Was der Orden auch beschloss, er würde sich dem Urteil fügen.

„ Du handelst Recht, Thoralf! Tut, was ihr für richtig erachtet. Ich bin mit allem einverstanden! Elena trägt die Verantwortung für ihr Tun, nun muss sie dafür gerade stehen.“

„Sehr gut, Frederic! Schön, dass du es begriffen hast. Folko wird beauftragt, sie ausfindig zu machen. Zunächst soll er nur beobachten und wenn er es für angemessen hält  auf seine Weise handeln. Um Cornelius kann er sich zu einem späteren Zeitpunkt kümmern.“ wies Thoralf nochmals an.

„Ich werde in Kürze mit ihm Kontakt aufnehmen und ihm deine Anweisungen übermitteln!“ versprach Christoph und verließ kurzerhand den Raum.

„Nicht den Kopf hängen lassen, Frederic! Wie gesagt, Elena trägt allein die Schuld. Sie wusste, was sie tat. Ich muss sagen, dass ich sie ungern verliere. Sie hat uns gute Dienste geleistet und hätte es auch noch weiter tun können. Aber wenn sie sich derart entschieden hat gibt es nur eine Maßnahme. So und nur so muss man mit Verrätern verfahren. Wir dürfen keine Ausnahmen dulden, sonst ist es vorbei mit der Disziplin in unseren Reihen. Du bist aus der Sache raus, mehr kann ich nicht anbieten.“ gab Thoralf weiter zu verstehen.

„Ja, ich möchte mich völlig rausnehmen. Ich bin halt einfach zu befangen in dieser Hinsicht. Aber wenn ich recht überlege, es geschieht ihr Recht. Niemand hat sie dazu gedrängt. Wie in aller Welt konnte sie nur.“

„Privates muss einfach zurückstehen in diesem Moment der größten Gefahr. Wir müssen an die Rettung unseres Standes und unseres Landes denken, das ist wichtiger. Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns und wird spüren was es heißt, sich mit dem erlauchten Blauen Orden anzulegen.“

Frederic erkannte, wie ernst es der Großmeister meinte. Sollte er doch. Elena hatte ihm mit Sicherheit schon gewaltige Hörner aufgesetzt. Warum sich noch für sie einsetzen? Sie hatte es  nicht anders verdient.

Andererseits dachte er mit Wehmut zurück an die schönen Stunden die er mit ihr verbrachte. Konnte es noch Hoffnung geben? Es lag allein in ihrem Ermessen, zurückkehren. Zum Narren würde er sich nicht machen.

„Was aber wäre, wenn Elena nach einer Zeit der Euphorie zur Besinnung käme und zur Einsicht gelangte“ wagte Frederic nun seine Gedanken zu äußern.

„Hm, nun, das wäre natürlich etwas anders.  Selbstverständlich würde ich alle Augen zudrücken. Du denkst, dass sie irgendwann genug hat und sich nach ihren Seidenkleidern zurücksehnt? Auch damit muss  gerechnet werden. Folko soll wie schon erwähnt, zunächst beobachten. Er erhält die Anweisung abzuwarten auf weitere Befehle. Mehr kann ich nicht versprechen. Aber zu viel Zeit darf sie sich nicht lassen. Sollte sie tatsächlich reumütig zurückkommen, dann bekommt sie die Möglichkeit, über TV ihren Irrtum öffentlich zu bekennen. Dann kann es meinetwegen wieder so werden wie vordem.“ versprach Thoralf mit entsprechenden Hintergedanken.

Frederic war sich der Tatsache bewusst, dass er wohl vergeblich auf diesen Moment wartete.

 

 

Gedankenversunken saß Kyra vor dem alten Bahnhof und genoss die wärmenden Stahlen der Sonne, dabei genüsslich ihren Joint rauchend und die Wolken in den Himmel blasen. Was Elena da gestern über den Bildschirm verkündete, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Das war nicht mehr die Zicke von einst, das war eine völlig andere Person. Sollte sie sich derart in ihr sehr getäuscht haben?

„Kyra? Bist du noch da, oder hast du inzwischen schon abgehoben?“ wollte Kim wissen, die schon eine ganze Weile neben ihr stand.

„Hm? Ach Kim, ich habe dich gar nicht bemerkt! War halt so in Gedanken unterwegs.“

„Das merkt man. Iss was besonders?“ wollte die Freundin wissen.

„Ach, ist wegen Elena! Ich mach mir da so meine Gedanken. Es scheint so, als habe ich sie völlig falsch beurteilt. Möglicherweise habe ich ihr sogar Unrecht getan. Wer weiß!“

„Ach komm! Wegen der brauchst du dir doch keine Gedanken zu machen! Was geht uns das überhaupt an? Um uns kümmert sich ja eh niemand.“

„Sicher, aber wer weiß, möglicherweise könnten Veränderungen sogar bis zu uns durchdringen. Ich habe mich mal umgehört unten in der Stadt. Die Leute sind voll von den Socken, sag ich dir. Die reden von nichts anderem. Da macht sich auch ein gehöriges Stück Unmut breit.“ versuchte Kyra zu verdeutlichen.

„Aber wir Paria haben doch jeden Tag Unmut und trotzdem hat sich nie etwas geändert. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer.“ zweifelte Kim weiter.

In der Zwischenzeit hatten sich auch Dino und Adrian den beiden zugesellt.

„Ich meine, wir müssen auf der Hut sein. Könnte mir gut vorstellen, dass die Dreckskerle vom Blauen Orden hier bald wieder auftauchen, um sich zu bedienen. Seid alle vorsichtig,  das will ich damit sagen.“ gab Kyra zu bedenken.

„Warum sollten die Blauen denn was unternehmen. Is doch schon ewige Zeiten her, seit die das letzte Mal hier aufkreuzten.“ wollte Dino wissen.

„Drum eben! So was nennt man die Ruhe vor dem Sturm!“ warnte Kyra.

„Ach du meinst, dass die uns wieder mal brauchen, als Ablenkungsmanöver oder so?“ stellte Kim fest.

„Genau! Überlegt doch mal. Das Land in Aufruhr. Elenas Botschaft hat für mächtigen Wirbel gesorgt. Die Blauen haben eine ganz wichtige Verbündete verloren, das müssen die erst mal verdauen.“

„Ach die Ärmsten, die tun mir aber leid!“ unterbrach Adrian.

„Ich meine es ernst! Ich gebe euch Brief und Siegel, dass die schon  wieder etwas ausbrüten. Die Taugenichtse von Paria wird es wieder heißen, die sind eine Schande für unser schönes Land.

Wieder mal Zeit, hier kräftig aufzuräumen mit diesem arbeitscheuen Gesindel. Sind die erst mal ausreichend entsorgt geht es wieder aufwärts in unserem schönen Melancholanien. Das wird die Preka freuen denn um die geht es ja vordergründig, die müssen bei Laune gehalten werden. Nur ja keinen Aufruhr unter den Preka. Wenn es gegen die Paria geht, sind die meisten Preka den Privo  stets in den Arsch gekrochen. So war das immer. Dann haben wir Ruhe an allen Fronten.“

„Ruhe? Eine Friedhofsruhe!“ meinte Dino.

„Ja so in etwa.“

„Du willst also damit sagen, dass uns diese komische Ansprache von gestern doch was angeht.“ hakte Kim nach.

„Ja! Ausnahmsweise mal!“

Kyra drückte ihren Joint aus und richtete sich auf.

„Wisst ihr, was ich tun werde?“

„Nein, aber du wirst es uns sicher gleich sagen!“ erwiderte Kim lakonisch.

„Ich mache mich auf den Weg zu Kovacs. Ich denke, der weiß sicher einen Rat. Ich könnte mir vorstellen, nein, ich glaube sogar ganz sicher, dass ich  Elena  dort antreffen werde.“

„Wie kommst du auf die Idee?“ Wollte Dino wissen.

„Wo sollte sie sonst hin? In ihrer spießigen Privoszene kann sie sich erst mal nicht mehr sehen lassen. Sie is ne Verräterin, vergeßt das nicht. Entweder bei Kovacs oder bei Cornelius, andere Möglichkeiten hat sie derzeit nicht. Ich sehe mir beide an.“

„ Kannst du machen! Hat ja keiner was dagegen. Wenn du dir was davon versprichst.  Und wann willst du wiederkommen? Denk dran, wir arbeiten an unserem Konzert und da gibt’s noch grässlich viel zu tun.“ erinnerte Kim.

„Hab ich nicht vergessen! Da bin ich längst wieder zurück!  Wer weiß, womöglich bringe ich Elena mit. Wäre doch cool, oder? Findet ihr nicht auch?“ Neckte Kyra

„Elena auf unserer Punkfete,  das wäre  ein Ding. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die dafür Interesse zeigt. Also du kommst manchmal wirklich auf Ideen!“ bekundete Kim ihren Zweifel.

„Ihr werdet schon sehen! Ach, hat einer von euch Lust mich zu begleiten?“

„Nee, geh nur alleine!  Zu diesem Klugscheißer Kovacs kriegen mich keine zehn Pferde hin!“ lehnte Dino ab.

„Und was ist mit dir, Kim? Du warst doch schon ein paar Mal bei Kovacs, hat dir doch auch gefallen dort wenn ich mich recht entsinne?“ erinnerte sich Kyra.

„Na meinetwegen! Wenns sein muss! Bevor ich mich schlagen lasse,“ stimmte die Angesprochene zu.

„Wirst sehen, wird sicher interessant und spaßig, da kannste Gift drauf nehmen.“ glaubte Kyra zu wissen.

„ Und? Solltest du Elena tatsächlich findest. Was willst du sie dann fragen?“ wollte Adrian wissen.

„Na zum Beispiel ob es ihr ernst ist  mit ihrem Geschwätz ist. Reden kann man viel, wenn der Tag lang ist, oder der Abend. Aber etwas tun, das sind zwei paar Schuhe. Ich will von ihr einfach wissen, wie sie zu uns Paria steht ob wir für sie ebenso zählen wie die Preka, oder ob es da immer noch nen feinen Unterschied gibt. Wenn ich feststelle, dass es ihr tatsächlich ernst ist, dann nehme ich alles zurück, was ich bisher über sie gesagt habe, dann Leute, dann bin ich auch bereit, ihre Füße zu küssen, oder noch was anderes an ihrem Körper.“ versprach Kyra.

„Na, da kann ich mir vorstellen, welchen Körperteil du meinst!“ lachte Dino laut auf.

„Das kannst du! Ich werde es tun. Da gehe ich jede Wette  mit euch ein. Also Kim, wollen wir, ich mache mich jetzt auf den Weg!“ drängte Kyra nun.

„Man hast du's eilig. Wirst schon hin kommen zu deiner Elena. Bist wohl neuerdings verknallt in die, oder? Naja vielleicht haste sogar Chancen!“ erwiderte

„Halt die Stellung, Dino! Wir melden uns!“

Auch Kyra und Kim machten sich auf den Weg.

 

 

Alles strebte zu Elena. Aus den unterschiedlichsten Motiven. Das gemeinsame Interesse würde nun Menschen zusammen kommen lassen, die unter anderen Umständen  einander nie begegnet wären. Hier nahm etwas seinen Ausgang, das später einmal Programm werden sollte.

Natürlich ahnte zu jener Zeit noch niemand davon, Elena am allerwenigsten.