Zeit des großen Terrors

Wie eine Besessene rannte Kyra um ihr Leben,  Todesangst bemächtigte sich ihrer. Die Häscher auf ihren Motorrädern waren ihr dicht auf den Fersen. Längst hätten sie Kyra gefangen nehmen können, doch weideten sie sich an deren Unglück. Menschenjagden sind für Jäger echte Erlebnisse, sie können ungeheuer stimulierend wirken und ein verschüttetes Selbstwertgefühl an die Oberfläche bringen. Deshalb ließen sie Kyra immer wieder entkommen, ließen sie ein Stück laufen und holten sie rasch wieder ein.

Nicht mehr lange und Kyras Ausdauer kam an ihre Grenzen. Wie lange dauerte das schon? Die Gejagte  hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Eine Stunde? Zwei? Oder noch länger? Keine Ahnung!

Sie war kaum noch imstande einen klaren Gedanken zu fassen.

Hügelig war es hier in der Gegend vor den Toren der Hauptstadt, zerfurchter Boden zudem.

Matschig und aufgeweicht aufgrund des Dauerregens des zurückliegenden Tages.

Immer weiter entfernte sie sich von der Zivilisation, von der Fernverkehrsstraße und den Rauschen der sich fortbewegenden Fahrzeuge.

Wohin könnte sie flüchten? Hier gab es nichts! Sie saß in der Falle!

Schließlich näherten sich die beiden Motorräder mit den Freikorpsleuten bedrohlich. Offensichtlich hatten die jetzt genug Spaß und es galt den Auftrag auszuführen, Kyra einzufangen und auf die Ordensburg zu schaffen.

Sie warfen ihr eigens für diese Jagd angefertigtes Netz und Kyra kam zum Fallen. Die beiden hatten alle Hände voll zu tun sie zu bändigen, denn mit letzten Kräften schlug die Kämpferin wie eine Furie um sich. Einer hatte wohl genug davon und setzte sie mit einem Faustschlag außer Gefecht. Dunkel, Leere, Kyra bekam nichts von all dem mit was um sie vorging.

Nichts von dem Kleintransporter der wie aus dem Nirgendwo auftauchte und zum stehen kam, nichts davon, wie man sie äußerst unsanft,  gleich einem Kartoffelsack auf die Ladefläche warf und schließlich mit ihr davon brauste, einem ungewissen Schicksal entgegen.

 

Nach erfolgreichem Ende des Generalstreikes, hatten Thoralf und die Seinen das Feld geräumt und sich in die Ordensburg zurückgezogen. Manrovia war frei und die Räteregierung versuchte wieder Normalität herzustellen. Doch das sollte sich als ausgesprochen schwierig erweisen, denn die Freikorpsverbände zogen marodierend durch das ganze Land, verbreiteten Angst und Schrecken. Sorgten vor allem dafür das die Anordnungen der Räte nicht durchgesetzt werden konnten. Im Grunde bestand die Räterepublik nur aus der Hauptstadt und ein paar km Umland. Mehr Einfluss besaßen sie nicht. Nur wenige Einheiten der regulären Streitkräfte hatten sich auf ihre Seite gestellt, der überwiegende Teil sympathisierte hingegen mit den Freikorps des Blauen Orden.

Das Land drohte nun in einen Bürgerkrieg zu versinken.

Noch kam es zu keinen größeren Gefechten, doch konnte sich das von einer zur anderen Minute ändern.

Zeit des Großen Terror nannte man später jene Epoche.

 

 

Thoralf und seine Paladine befanden sich gerade in einer Besprechung, als der Wachposten vor ihnen salutierte:

„Erhabener Großmeister! Melde gehorsamst dass die entsandten Kundschafter soeben in der Ordensburg eingetroffen sind, sie haben den Spezialauftrag erfolgreich durchgeführt.“

„Ausgezeichnet! Nun denn, dann  wollen wir unsere Jagdtrophäe mal in Augenschein nehmen. Ich bin mir sicher, sie wird zu einem wichtigem Trumpf in unseren Händen.“

Er erhob sich und die anderen taten es ihm gleich, bewegten sie sich einer nach dem anderen aus dem feudalen Besprechungszimmer und schritten den langen Flur entlang bis sie an die große Treppe kamen die in das Untergeschoss führte.

Unten hatte die Patrouille Aufstellung genommen, mit sich führten sie die ungewöhnliche Fracht, die sie in einem beigefarbenen Jutesack verbargen.

„Heil dir Großmeister! Wir übergeben dir, wie befohlen die gewünschte Person!“

Thoralf bewegte sich langsam die Treppe hinunter, Folko, Frederic und Cassian folgten.

„Sehr gut! Ausgezeichnet!“

Einer der Freikorpsleute öffnete den Sack und schüttelte Kyra wie einen Gegenstand auf den Boden. Die rollte über den feinen Parkettboden und blieb zu Thoralfs Füßen liegen.

Das kalte Entsetzen packte Folko als er ihrer ansichtig wurde.Nicht im Geringsten hatte er mit solch einer Begegnung gerechnet, er wähnte seine Geliebte in der Sicherheit der alten Abtei.

Langsam kehrte bei Kyra das Bewusstsein zurück. Verschwommen konnte sie in Umrissen ihre Umwelt wahrnehmen. Stimmen drangen an ihr Ohr doch vermochte sie nicht zu sagen woher die kamen und zum wem sie gehörten. Es klang wie Hohngelächter. Es gelang ihr sich mit den Handflächen von Boden abzustützen und dabei langsam aufzurichten, dabei den Kopf schüttelnd und die Augen auf und zu zukneifen.

Sie nahm zuerst nur die polierten Lackstiefel um sich wahr, dann dämmerte ihr was ihr widerfahren war..

Als einer der Soldaten sich anschickte sie am Arm zu packen, mit der Absicht sie nach oben zu richten, kehrten kurzzeitig ihre Kräfte wieder und sie begann erneut wild um sich zu schlagen. Einen der Freikorpsleute trat sie so heftig zwischen die Beine, das der laut aufschreiend zu Boden ging. Einem andern traf ihr Faustschlag mitten ins Gesicht. Elenas und Folkos Kampfsportausbildung hatte sie mit Bravour gemeistert. Es gelang ihr geschickt die erlernten Griffe anzuwenden.

„Was ist mit euch ihr Scheißkerle? Na, wo bleibt ihr? Angst oder was,he? Damit habt ihr wohl nicht gerechnet? Na los, was ist, stürzt euch auf mich ihr miesen Feiglinge. Vier Kerle gegen eine Frau, was für eine Heldentat.“

Was für eine Heldentat. Nie in seinem Leben empfand Folko ein größeres Schamgefühl. Am liebsten wäre er auf der Stelle im Boden versunken. Noch hatte ihn Kyra nicht entdeckt.

„Ausgezeichnet! Eine Kämpferin! Genau das was ich suche! Die gehört mir!“ Meldete Thoralf seinen Besitzanspruch an.

„Dir gehören? Bei dir pieps wohl du Oberfuzzi. Ich gehöre niemanden. Verstanden!“

Schrie ihn Kyra an.

„Die Pariamanieren werden wir dir schnell abgewöhnen. Los gib ihr ein paar Ohrfeigen!“

Der Freikorpskämpfer wollte sich ihr gerade nähern als er schon einen brennenden Schmerz in der Magengrube spürte. Dort hatte ihn Kyras Stiefel getroffen.

Sie war gerade im Begriff sich auf Thoralf zu stürzen als sie zu dessen linken Folkos Gesicht erspähte. In diesem Moment brach eine Welt für sie zusammen. Bittere Enttäuschung! Lähmung! Schock! Da traf sie der Schlag ins Gesicht, benommen sank sie zu Boden, wurde von zwei Wachposten aufgefangen. Blut lief ihr aus der Nase und dem Mundwinkel, ihr rechtes Auge begann zu schwellen. Halb benommen blickte sie noch zu Folko, bevor sie das Bewusstsein verlor.

„Weg mit ihr! Ab in den Keller! Bereitet alles vor. Ein Arzt soll sich um sie kümmern, ich will dass sie ordentlich hergerichtet ist wenn ich ihre Dienste in Anspruch nehme."

Kyra wurde aus dem Flur geschleift.

Folko gelang gerade es gerade noch die Toilette auf der anderen Seite des Flures zu erreichen. Über der Kloschüssel würgte er wie ein Erstickender. Dann taumelte er zum Fenster, öffnete es. Luft, frische Luft! Alles drehte sich um ihn. Die Handfläche seiner linken drückte er gegen die weißgetünchte Wand und bette seine Stirn drauf. Seine rechte Hand ballte er zur Faust und schlug damit auf die Wand ein.

Folko war am Ende seiner Kräfte. Kyra in diesem Zustand zu sehen konnte er nicht ertragen, es schien als riss ihm einer mit voller Wucht das Herz aus der Brust.

 Bleibt nach Möglichkeit die nächsten Wochen in der sicheren Umfriedung der Abtei! Hörte er seine eigene Worte. Immer und immer wieder hatte er Kyra gepredigt.Warum nur hatte sie seine Warnungen in den Wind geschlagen?

Ein Blick in den Spiegel,ein kreidebleiches Gesicht blickte ihm entgegen, so als habe der Atem des Todes gerade seine Aura berührt. Sollten sie ihr etwas antun,  könnte er für nichts mehr garantieren. Er griff nach seiner Pistole, die in einer ledernen Tasche an seinem Gürtel hing. Thoralf erschießen! Die Welt von diesem Verbrecher erlösen, dann seine Kyra in die Arme schließen und mit ihr auf und davon.

Doch wie bahnte er sich den Weg zu ihr? Thoralf hatte sie gerade zu seinem persönlichen Eigentum erklärt, vor Zeugen. Ihm waren die Hände gebunden. Nur mit dessen ausdrücklicher Genehmigung würde man ihn überhaupt zu ihr vorgelassen.

Noch war seine Stellung im Orden unangefochten, er war der Vizegroßmeister, die Nummer zwei direkt hinter Thoralf. Doch in weiser Voraussicht hatte dieser vor wenigen Tagen die Rangfolge neu geregelt.

Offensichtlich misstraute der Großmeister seinen Kommandeuren. So hatte er verfügt, dass, sollte einer von diesen auf die Idee kommen ihn zu beseitigen um selber seinen Platz ein zunehmen, diesen auf der Stelle von der Nachfolge auszuschließen und mit dem Tode zu bestrafen. Folko konnte unter diesen Umständen seinen ursprünglichen Plan nicht in die Tat umsetzen. Denn der bestand darin Thoralf zu eliminieren, sich an dessen Stelle als Großmeister auszurufen. In dieser Funktion und der damit einhergehenden absoluten Machtfülle wollte Folko augenblicklich Frieden schließen, die Freikorps entwaffnen und der Übergangsregierung die bedingungslose Kapitulation an bieten. Schlussendlich wäre er dazu über gegangen, den Blauen Orden aufzulösen und Elena seine Loyalität zu bekunden.

Doch unter der veränderten Situation schien das unmöglich. Thoralf ließ sich rund um die Uhr bewachen. Außer seinen engsten Mitarbeitern gewährte er niemanden Zutritt. Selbst wenn Folko mit ihm unter vier Augen sprach gab es immer Lauscher die alles registrierten was vor sich ging.Die Ordensburg hatte Tausende Augen und Ohren.

Was also konnte er tun. Tiefe Hoffnungslosigkeit grub sich in seine Seele.

Gelänge es ihm wenigstens sich für einen kurzen Zeitraum Zutritt zu Kyra zu verschaffen um ihr die Situation darzulegen. Er musste es fertig bringen Thoralf sein Ansinnen anzutragen und zwar so, dass jener nicht den leisesten Verdacht schöpfte.

Am Abend lud der selbsternannte Herrscher Melancholaniens seine Mitstreiter an die große Runde Tafel um mit ihnen die neue Strategie zu erörtern. Wie die legendären Gralsritter versammelten sie sich dabei an einem großen runden Tisch, gefertigt aus alter dunkler Eiche mit glatt polierter Oberfläche die von mit edelem weinrotem Samt bespannten Sesseln um geben waren.  

Folko war verständlicher Weise überhaupt nicht bei der Sache, seine einzige Sorge galt allein Kyra.

Wie ging es ihr? Jetzt? in diesem Augenblick. Der schmerzende Stich in der Herzgegend wollte einfach nicht von ihm lassen.

„Folko? Was ist? Träumst du mit offenen Augen, oder was ist los mit dir?“ Riss ihn Frederic aus seinem Alptraum.

„He? Was meinst du? Ha..Ha..Hast du was gesagt?“ Stammelte dieser nur noch unbeholfen.

„Das tun wir schon die ganze Zeit, aber du hast scheinbar nicht zugehört. Was ist denn? So kennen wir dich gar nicht.“ Bestätigte Frederic.

„Folko, ich weiß nicht was ich machen soll. Ich habe dir eine ganz besondere Rolle zugedacht in unserer neuen Strategie. Wenn du dich nicht wohl fühlst, oder aus sonst einem Grund nicht recht bei der Sache bist, sehe ich mich leider gezwungen einem anderen die Aufgabe anzuvertrauen.“ Schaltet sich Thoralf ein.

„Nein, nein! Deine Sorge ist unbegründet. Ich weiß sehr genau was ich zu tun habe.“ Gab Folko sichtlich gefasster zurück.

„Nun das will ich  hoffen!“

 Sich auf keinen Fall gehen lassen. Das könnte verheerende Folgen nach sich ziehen.

Er durfte seine Stellung als Vizegroßmeister  nicht aufs Spiels setzen, denn nur in dieser Position  konnte er im verborgenen für den vermeintlichen Gegner wirken, diesen zum Beispiel mit wichtigen Informationen versorgen.

„Warum bieten wir nicht alle verfügbaren Streitkräfte auf, starten einen Generalangriff und nehmen Manrovia im Handstreich? Ich verstehe dein Zögern nicht Thoralf. 

Diese lächerliche Räteregierung, oder wie sich zu nennen pflegt ist ein reines Zweckbündnis, die sind untereinander tief zerstritten und verfügen zudem kaum über nennenswerte militärische Kenntnisse. Lass uns jetzt  losschlagen! Und der Sieg wird unser sein!“ Forderte Cassian unverblümt.

„Ich habe es immer wieder betont und ich wiederhole mich nicht gerne.  Die wichtigste Strategie besteht darin, dem Gegner stets den schwarzen Peter zu zuschieben. Die sollen den Anfang machen. Greifen sie uns an, werden wir uns lediglich verteidigen, für eine Weile, versteht sich, dann erst können wir expandieren. Der Schein ist auf jeden Fall zu waren.“ Lehnte Thoralf dieses Ansinnen kategorisch ab.

„Aber warum denn ? Gibt es denn noch einen Schein zu waren? Dieser Generalstreik hat uns brüskiert. Wir mussten uns zunächst zurückziehen. Es ist dem Gegner gelungen, das Volk gegen uns aufzuwiegeln. Ich denke, viel haben wir ohnehin nicht mehr zu verlieren. Angriff ist in diesem Zusammenhang immer noch die beste Verteidigung. Cassian hat Recht,

Wir sollten zu schlagen! jetzt! Mit dem Überraschungseffekt auf unserer Seite. Schnell könnten wir verlorenes Terrain zurückholen.“

Pflichtete Folko Cassian bei. Natürlich tat er das nicht weil er tatsächlich dessen Meinung teilte. Eine Überraschung würde es kaum geben, da er, sollte es dazu kommen, vorher längst die Räteregierung informiert hätte um dieser ausreichend Zeit für geeignete Gegenmaßnahmen einzuräumen.

„Du siehst Thoralf, selbst Folko stimmt mir zu. Bemerkenswert, denn ansonsten liegen unsere Meinungen doch eher weit auseinander.“ Erinnerte sich Cassian.

Thoralf warf Folko einen bösen missbilligenden Blick zu.

„Noch habe ich das letzte Wort in dieser Runde und ich sage nein!“

Damit wischte er dieses für ihn unliebsame Thema einfach beiseite. Es bedurfte keiner weiteren Worte mehr.

„Was ist denn eigentlich mit den Gefangenen die wir machen konnten und die sich hier im Verlies befinden?“ Wollte Egbert wissen.

„Das sind unsere Trumpfkarten: Sie dienen als unsere Geiseln. Auf diese Weise werden wir weitaus mehr erreichen als durch einen unüberlegten Angriff.“ Gab der Großmeister zu verstehen und blickte dabei demonstrativ auf Cassian.

„Wie mir vor kurzem aus sicherer Quelle zugetragen wurde, ist es uns gelungen Leander zu fassen. Der befindet sich derzeit an einem geheimen Ort außerhalb der Ordensburg.“

Fuhr Thoralf fort, dies versetzte Folko einen weiteren Schlag.

„Was meinst du mit geheimen Ort? Warum hat man ihn nicht gleich hierher gebracht?“ Wollte Folko wissen.

„Er ist in meiner Obhut, ich habe ihn mir für eine kurze Zeit, sagen wir mal ausgeliehen.  Es sind da noch ein paar alte Rechnungen offen.“ Klärte Frederic auf und lachte dabei hämisch in sich hinein.

Folko begriff natürlich auf der Stelle was das zu bedeuten hatte.

„Du sollst deinen Spaß haben Frederic. Aber treib es nicht zu weit mit ihm. Den brauchen wir noch. Ist seine Aufgabe erfüllt, kannst du ihn wiederbekommen und für den Rest seines irdischen Lebens mit ihm machen was du willst. Noch aber stehen die Interessen des Ordens an erster Stelle, vor den privaten.“ Entgegnete Thoralf.

Welche Heuchelei, dachte sich Folko. Kyra befand sich in seinem Besitz. Was für eine Bedeutung maß Thoralf wohl ihr bei, wenn nicht ausschließlich seine eigene. Der trachtete nur danach seine perversen Triebe an Kyra zu befriedigen.

Folkos Gedanken schweiften wieder ab. Er vermochte es nicht mehr sich auf die Zusammenkunft zu konzentrieren.

Es schien als habe er auf einem Wespennest Platz genommen, so sehr hummelte er auf seinem Platz hin und her.

„Aber Folko, was ist denn schon wieder mit dir? Irgend etwas geht doch in dir vor. Wenn dir nicht gut ist, solltest du dich wirklich zurückziehen.“ Meinte Thoralf zu ihm gewandt und aus seinen Worten sprach kalte Herablassung.

„Du hast Recht! Mir ist es in der Tat nicht gut. Eine Erkältung im Anmarsch? Womöglich!

Ich werde deinen Rat an nehmen und mich zurückziehen.“ Stimmte der sichtlich erleichtert zu.

„Nun dann will ich dir nur gute Besserung wünschen!“ Verabschiedete ihn Thoralf. Folko erhob sich und schritt zur Tür die in das große Foyer führte.

„Aber sieh zu dass ,dich die Krankheit nicht zu sehr von deinen Aufgaben entrückt Folko. Du kennst unser Prinzip. Wir können keine Schwächlinge in unseren Reihen dulden.“ Rief ihm Cassian nach.

Die Beleidigung verfehlte wohl ihr Ziel. Folko hatte wichtigeres im Sinne als sich mit Cassian, ob dieser ungeheuerlichen Anmaßung herausfordern zu lassen.

Er schloss die Tür hinter sich und atmete erst mal tief durch.

Dann schritt er den Flur entlang und öffnete ein großes Fenster. Sein Blick fiel ins Tal das sich so still und friedlich vor ihm auftat. Die Frage die ihn bewegte war, wie lange noch.

Kyra, immer wieder Kyra. Was konnte er nur tun.

Er holte ein Zigarettenetui hervor und steckte sich eine an, inhalierte tief den Rauch. Er hatte nach Monaten der Abstinenz wieder zu rauchen angefangen, vor allem aus Frust und um sich Beruhigung zu verschaffen. Doch nach zwei drei Zügen warf er den Glimmstängel achtlos in den Graben.

„Was ist denn mit dem los? So kenne ich ihn gar nicht. Folko ist doch ansonsten die Gefasstheit in Person.“ Glaubte sich Egbert zu erinnern.

„Nun ich denke, unser Folko ist gerade im Begriff zum Weichei zu mutieren. Die Zeit in dieser Kommune muss ihm arg zugesetzt haben. Ich fürchte er hat seine Emotionen nicht mehr im Griff. Ein Vizegroßmeister mit Gefühlen ist nicht mehr tragbar. Das können wir uns nicht leisten. Emotionen sind eines echten Ordensbruders unwürdig, so steht es in unserer Satzung und die ist heilig!“ Stachelte Cassian.

„Hm, richtig Cassian, da könntest du recht haben. Auch ich bemerke das schon seit geraumer Zeit. Der hat sich stark verändert, auch wenn er alles nur Erdenkliche tut um es vor uns zu verbergen. Der führt etwas im Schilde, aber ich kann noch nicht deuten, um was genau es sich dabei handelt. Ich schätze ihn, deshalb gewähre ich ihm noch eine Chance. Mir ist nicht entgangen dass du es  auf seinen Posten abgesehen hast, aber eine Weile wirst du dich wohl noch gedulden können.“

Erwiderte der Großmeister kühl.

„Folko ist eine Sache, die soll uns im Moment nicht weiter beschäftigen,“ schaltete sich nun Corbinian ein, der greise Senior des Ordens und Ehrengroßmeister.

„Ich würde viel lieber über die unehrenhafte Ordensausschlüsse diskutieren. Thoralf, ich finde es ein wenig arg dass wir Canisius, Helmfried, Romuald und noch einige andere aus dem Orden ausgeschlossen haben, womöglich ins Exil schicken. Die haben ihren Dienst immer nach besten Wissen und Gewissen ausgeübt, waren uns von großem Nutzen. Ich bin der Ansicht, wir sollten das alles noch einmal gründlich überdenken.“

„Der Ansicht bin ich ganz und gar nicht. Ich habe gesprochen. Meine Entscheidung gilt, auch wenn sie zugegebener Maßen ein wenig hart erscheint. Doch liegt gerade in der Härte unsere Stärke. Auf diesen Pöbel da draußen macht es enormen Eindruck,  wenn wir schon mit den Versagern aus den eigenen Reihen so hart ins Gericht gehen um wie viel mehr wird unser Bannstrahl all jene treffen, die uns feindlich gesonnen sind? Nein, es war eine gut strategische Entscheidung.“

Widersprach Thoralf energisch.

„Aber Elena und diesen Pöbel in der Abtei? Den lässt du ungestraft verfahren, vor allem Neidhardt diesen Erzverbrecher. Das stoßt mir außerordentlich sauer auf.“ beschwerte sich Corbinian hartnäckig.

„Die sind außer unserer Reichweite. Im Moment können wir gegen die nichts ausrichten, Corbinian. Das musst du einsehen. Wenn wir ihrer habhaft werden, wird es ihnen um so schlechter ergehen. Keine Sorge, die bekommen die volle Wucht unserer Abrechnung noch früh genug zu spüren.“ Versuchte Frederic zu beschwichtigen.

„Jegliches zu seiner Zeit. Derzeit sind die Versager aus den eigenen Reihen dran. Die haben für uns keinen Nutzen mehr. In dem erhabenen Staatswesen das ich zu installieren gedenke, wird es für Versager keinen Platz mehr geben. Ich will, den perfekten Befehlsempfänger kreieren, einen der schon gehorcht bevor der Befehl überhaupt erteilt wurde.

Säuberungen von größtmöglichem Ausmaß werden von Nöten sein. Am Ende wird man Melancholanien nicht wieder erkennen.“ Phantasierte Thoralf voller Pathos.

 

Die Nacht gebärdete sich für Folko grausam. Gerade jetzt musste er immer wieder daran denken wie es wohl seiner Kyra ging, hier in seinem mondänen 3-Zimmer -Appartement, das ihm als Vizegroßmeister zur Verfügung stand, ganz weit oben unter dem Dach der Ordensburg. Tief unten im Verließ litt seine Kyra. Elend, Schmerz, Durst und Hoffnungslosigkeit.

Schweißgebadet warf er sich in seinem Doppelbett von der einer auf die andere Seite.

Er tat kein Auge zu. Er setzte sich auf und vergrub sein Gesicht tief in den Handflächen.

Es machte keinen Sinn sich wieder hinzulegen, denn einen ruhigen Schlaf würde er in dieser Nacht mit Sicherheit nicht finden.

Er schlich sich ins Badezimmer, der Blick in den Spiegel. „Feigling!“ Sprach er zu dem Gesicht das ihm da entgegenblickte. „Du bist nichts weiter als ein elender, armseliger Feigling!“

Danach betrat er sein Arbeitszimmer, griff nach seiner Pistolentasche, holte die Waffe hervor und  fingerte daran herum. Jetzt zu Thoralf gehen, ihm das Ding an die Schläfe halten und einfach abdrücken. Und dann? Dann wäre er ein Verräter, den das Standgericht erwartete, sofort ohne Aufschub. Dann würde er für Kyra gar nichts mehr tun können. So sah es aus.

„Feigling! Du bist nichts weiter als ein elender armseliger Feigling!“ sprach er erneut zu sich selbst, bevor er die Pistole wieder in der Tasche verstaute und sich zurück in sein Bett schleppte.

Die Gedanken suchten ihn heim wie ein Bienenschwarm. Er erlebte sie noch einmal die schöne Zeit in Elenas Gemeinschaft, die Zeit mit Kyra. Als er mit ihr durch die Wälder streifte, mit ihr steile Berghänge erklomm, ihr seine Kampftechniken lehrte. Wie er mit ihr im Kanu unterwegs war, angelte oder ihr in der Siedlung am See das schwimmen bei brachte

Wie sie gemeinsam am Lagerfeuer saßen, sich immer näher kamen und sie sich schließlich in der Nacht ihre Liebe schenkten .

Er war seiner kleinen Wildkatze mit Haut und Haar verfallen.

Das sollte nun ein jähes Ende nehmen?

Er vergrub sein Gesicht tief in das Kissen und der große Kämpfer, der coole Gentleman tat etwas was ihm schon seit ewigen Zeiten nicht mehr untergekommen war, er schluchzte wie ein kleines Kind.

 

Zur gleichen Stunde etwa füllte sich auch Kyras Augen mit Tränen. Nackt lag sie in ihrem etwa zwei qm großen Käfig. Ihr Gesicht schmerze noch immer von den groben Schlägen die sie hatte ertragen müssen.

Nachdem man sie in das Verließ gebracht hatte wurde sie ihrer Kleidung beraubt. Ihre Bewacher taten sich gütlich an ihr. Einer nach dem andern vergewaltigte sie. Doch das bitterliche flehen um Gnade, das sie von ihr erwarteten kam nicht. Kyra blieb trotz der Schmerzen die sie ihr zufügten standhaft. Wer auf der Straße gelebt und Tag für Tag einem brutalen  Existenzkampf ausgeliefert war, konnte kein Weichei sein. Immer auf alles vorbereitet, hatte sich Kyra stets auf die Fahnen geschrieben, das kam ihr nun zugute. Solcherlei Schmerzen konnte sie ertragen, sie die Abgehärtete. Schläge, Fußtritte und so vieles mehr hatte sie zur Genüge über sich ergehen lassen müssen. Außerdem wollte sie ihren Peinigern keinesfalls den Triumph gönnen.

Der Seelenschmerz wog bedeutend schlimmer. Wie hatte  sie nur diesem Manne vertrauen können, sich ihm gar hingegeben.

Sie fühlte sich betrogen, verraten und verkauft.

Dir geschieht ganz recht, fuhr es ihr durch den Kopf. Von solch einem feinen Pinkel aus der Privokaste war nichts anderes zu erwarten. Der hatte nur mit ihr gespielt, sie benutzt, gebraucht. Nun warf er sie wie ein schmutziges Handtuch beiseite und konnte sich wieder den feinen Damen aus der gehobenen Gesellschaft widmen.

Das übelste daran war dass Gefühl des ausgeliefert seins, das Bewusstsein, nichts tun zu können. Alles was sie wollte, in diesem Moment, war Rache nehmen. Sie hätte Folko auf der Stelle erdolchen können, solche Wut spürte sie in ihrem Bauch.

Ihm wenigstens noch einmal gegenüber stehen und ihm ins Gesicht spucken, würde ihr aber auch schon genügen.

 

„Ach ja Thoralf, bevor ich es vergesse. Ich wollte dich darum ersuchen, einen Blick auf die neuen Gefangenen zu werfen, die gestern hier eingetroffen sind!“ Sprach Folko eher beiläufig zum Großmeister, als dieser gerade im Begriff war sich vom Frühstückstisch zu erheben.

Seit einiger Zeit pflegten die beiden ranghöchsten Repräsentanten des Ordens gemeinsam zu frühstücken um dabei schon wichtige Belange zu besprechen.

Folko verstand es gut, den rechten Augenblick für diese heikle Frage zu finden. Thoralf war in Eile und würde eine sinnlose Konversation über dieses Thema zu vermeiden suchen.

„Die Gefangenen? Hm, meinetwegen. Ich weiß zwar nicht was du von denen willst, aber es wird schon seine Richtigkeit haben. Aber warum fragst du mich? Du hast doch als mein Stellvertreter ohnehin freien Zugang?“ Stellte Thoralf mit Verwunderung fest.

„Aha, seit wann denn das?“ Wollte Folko wissen.“ Ich denke du allein, wolltest über ihr Schicksal entscheiden?“

„Ich ließ das ändern! Ach, das habe ich dir noch gar nicht mitgeteilt? Wie nachlässig von mir!“ Gestand der Großmeister und entfernte sich dabei langsam vom Tisch.

Folko ballt die Fäuste unter der Tischdecke, eigenhändig hätte er ihn er erwürgen können.

Problemlos hätte er die Nacht zu Kyra gelangen können, mit ihr sprechen und sie trösten können. Wäre imstande gewesen ihre Wunden versorgen,  sie womöglich gar mit sich in seine Wohnung zu nehmen. In den Armen hätte er sie halten können, sie streicheln und ihr liebe Worte ins Ohr flüstern können.

„Ich bin ohnehin außer Haus heute, zumindest am Vormittag, treffe mich mit Vertretern der regulären Streitkräfte. Ich fand es besser mich mit denen außerhalb der Ordensburg zu verständigen.

Während meiner Abwesenheit hast du uneingeschränkte Vollmacht. Sollte mir gar etwas zustoßen, dann bist du der Großmeister!“

Scharfen Schrittes verließ der Ordensobere das Zimmer, die Absätze seiner Langschäfter krachten mit jedem Schritt auf dem Boden und hinterließen ein hallendes Echo.

Folko traute seinen Ohren nicht. Welche Möglichkeiten lagen jetzt in seinen Händen, zumindest für einige Stunden. Er musste sich sputen um diese  bestmöglichst zu nutzen.

Hastig eilte Folko die lange Steintreppe in Richtung Verlies hinab. Zunächst beabsichtigte er den Aufzug zu benutzen, doch einer Eingebung folgend verzichtete er darauf. Warum konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen.

Schneller und schneller wurde er. Hatten sie Kyra etwas angetan? Kam er womöglich zu spät?

Nicht auszudenken.

Unten angekommen brauste er durch die engen Korridore, alles wie leer gefegt. Was war geschehen? Die Käfige leer. Kaltes Entsetzen bahnte sich den Weg.

Eher zufällig öffnete er die Türe die zum Sanitätszimmer führte. Kyra lag auf einer Pritsche.

Folko stürzte auf sie zu. Sie lebte.

Er hob ihren Kopf an und bette diesen an seine Brust.

„Kyra, Kleine, hörst du mich, ich bin es Folko.“

Er erhob sich und eilte zu einer Glasvitrine, entnahm einen Becher und begann ihn mit Wasser zu füllen, um es ihr zu reichen.

Jetzt hatte Kyra begriffen, wer sich im Raum aufhielt. Wie eine Furie stürzte sie sich auf ihn.

„Du verdammter Dreckskerl, du mieses Schwein, ich bringe dich um!“

Gerade noch rechtzeitig konnte Folko ihre Handgelenke greifen um zu verhindern, dass sie ihm das Gesicht zerkratzte.

„Ich hasse dich du Mistkerl, schäbiger Lump. Ich habe dir vertraut, ich habe dich geliebt. Du hast mich verraten, du hast uns alle verraten. Ich bin fertig mit dir. Lass mich los! Du sollst mich loslassen!“

Wie eine in die enge getriebene Katze fauchte Kyra und versuchte ihn zu treten.

„Kyra hör auf! Hör mir zu! Ich kann mir vorstellen was du von mir denkst und ich kann es dir nicht verübeln. Aber es ist anders als du denkst!“ Versuchte sich Folko zu rechtfertigen.

„Ja natürlich ist es dass! Es ist immer ganz anders! Versuch mich nicht schon wieder zu belügen. Stehe wenigstens zu deiner Tat!“

„Ich stehe dazu! Nenne mich ein Schwein, ja womöglich bin ich eins. Nennen mich einen Feigling,  auch das mag stimmen. Hasse mich, ich habe es nicht anders verdient. Aber ich bin kein Verräter!“

„Lass mich los, du sollst mich endlich loslassen!“ Kyras Kräfte begannen zu schwächeln.

„Gut, ich lasse dich los, wenn du versprichst endlich Ruhe zu geben!“

Folko lies ihre Handgelenke los. Kaum hatte er das getan, verabreichte sie ihm eine heftige Ohrfeige.

„So da hast du was du verdienst! Elender Feigling! Ich habe dir meine Liebe geschenkt, du hast mich nur benutzt!“

Kyra lies sich zu Boden fallen und schluchzte dabei heftig.

Folko beugte sich zu ihr um sie zu umarmen, doch sie wehrte ihn erneut ab.

Er nahm neben ihr auf dem Boden Platz.

„Lass mich doch erklären, wie alles zusammenhängt. Es ist eine lange Geschichte. Ich kann sie dir nur im Zeitraffer mitteilen, denn ich fürchte wir haben nicht viel Zeit. Du befindest dich in großer Gefahr!“

„Gib dir keine Mühe. Ich glaube dir kein Wort! Ich habe genug von deinen Lügen!“

„Du wirst mich jetzt anhören!“ Jetzt wurde Folko energischer und packte sie an den Armen.

Dann begann der ihr alles zu offenbaren, was ihm wichtig erschien. Von Anfang an. Kyra lies es geschehen.

„Ja, ich bin einer von den Blauen, sogar einer der Ranghöchsten wie dir ja aufgefallen ist. Vizegroßmeister!“

„ Der Vizegroßmeister! Na, da kannst du dir ja ne Stange drauf einbilden!“

„Nein das tue ich nicht! Nicht mehr! Ja, auf diese Stelle spekulierte ich mein ganzes Leben, doch nun, da ich sie inne habe, weis ich, in Wirklichkeit bin ich der geringste von allen.“

„Welch wunderbare Wandlung!“ Spottete Kyra.

„Verspotte mich nur Kyra,  ich habe es verdient. Aber glaube mir, wir müssen fliehen, jetzt auf der Stelle.  Was glaubst du  wer die Räteregierung in den zurück liegenden Tagen mit Informationen versorgt hat? Ich konnte euch in dieser Stellung von enormen Nutzen sein, deshalb habe ich mich zum Bleiben entschlossen. Ich hätte jederzeit fliehen und wieder zu euch überlaufen können. Ich tat es nicht, weil ich Gefahren von euch abwenden wollte.“

Kyra begann zu schwanken. Sollte sie ihm Glauben schenken? Wenn er die Wahrheit sprach war sie im Begriff ihm großes Unrecht anzutun.

„Klingt sehr abenteuerlich was du da sagst! Ich weis nicht ob ich dir glauben kann. Es tat so unendlich weh, dich da plötzlich vor mir zu sehen. Das hat mich mehr getroffen als all die Schläge die sie mir beibrachten.“ Tränen rollten über ihre Wangen.

Sanft legte Folko seinen Arm um sie und drückte sie fest an sich, diesmal wehrte sie sich nicht, neigte ihre Kopf an seine Schulter.

„Weist du, ich habe sehr mit mir gerungen, in der Zeit in der Kommune. Ich brauchte lange um nach zu vollziehen was unser großer Philosoph Kovacs so alles zum Besten gab.“

„Da bist du nicht der einzige!“ pflichtete ihm Kyra bei.

„Na siehst du, dir ging es ebenso. Ich blieb! Warum? Am Anfang allein um meine Mission zu erfüllen. Danach blieb ich deinetwegen! Ich wollte in deiner Nähe sein, weil du mich von Tag zu mehr fasziniertes, weil du mich in deinen Bann zogst und ich mich Schritt für Schritt ein Stückchen mehr in dich verliebte, kleine Wildkatze. Erst ganz zum Schluss wurde mir offenbar, wie bedeutsam diese außergewöhnliche Kommune ist. Dann erst konnte ich auch politisch umdenken und erkannte Elenas Mission als die Richtige an. Auch wenn ihr mich alle hassen müsst. Ich gehöre schon lange nicht mehr hierher. Ich gehöre zu euch und das zu 100 Prozent.“

„Ich möchte dir so gerne glauben, aber die Zweifel nagen heftig. Ich habe Angst wieder belogen zu werden.“

„Das ist dein gutes Recht! Aber ich kann nur sagen, es ist wie es ist. Später sprechen wir ausführlich darüber , nächtelang, wenn du magst, ich bin zu allem bereit, um dein Vertrauen wieder zu erlangen. Doch jetzt drängt die Zeit, Kleine, wir müssen hier raus. Ich habe ein äußerst ungutes Gefühl.  Das Gespräch mit Thoralf, eben am Frühstückstisch das ging alles viel zu glatt, da ist etwas oberfaul.“

Folko richtet sich auf, da erblickte er im halbdunkel den unscheinbaren Spiegel an der Wand.

Eine Falle!  Er der große Elitekämpfer hatte sich im Rausch der Emotionen wie ein Anfänger verhalten.

Thoralf, Frederic und Cassian kauerten in dem Geheimzimmer hinter dem Spiegel und hatten seine Beichte Wort für Wort mit angehört.

„Ein eindeutiges Geständnis! Mein Verdacht hat sich bestätigt. Schade! Ich verliere Folko äußerst ungern, gerade jetzt in dieser Zeit, da wir jeden Mann brauchen. Aber für diesen Verrat kann es nur eine Antwort geben.“ Thoralf fuhr mit den Zeigefinger quer über seinen Hals.

„Nein, das hätte ich Folko niemals zugetraut.  Die Zeit in der Kommune hat ihn verändert. Wen wunderst. Elena diese Hexe hat alle vergiftet. Unter ihrem Einfluss wird sogar der Stärkste und Zuverlässigste weich wie Butter..“ Glaubte Frederic zu wissen.

„Cassian! Dieser Mann war einmal mein Freund! Ich werde meine Hände nicht mit seinem Blut besudeln. Es ist die Aufgabe eines Schlächters. Du bist bestens dafür ausgestattet. Du weist was du zu tun hast.“

„Sehr genau! Tot dem Verräter!“

Das Urteil war gesprochen.

 

„Kyra, wir müssen hier raus und zwar so schnell es geht. Eine Falle! Die haben uns eine Falle gestellt und ich bin ihnen voll auf den Leim gegangen. Kannst du laufen,oder soll ich dich tragen?“ Hasstete Folko und versuchte seine Geliebte auf die Beine zu stellen.

„Natürlich kann ich laufen!“ Erwiderte Kyra barsch bevor sie nach hinten zu Boden taumelte.

„Ja das sehe ich! Komm, lass dich stützen. Wir müssen unbedingt hier raus!“

„Folko, ich bin vollkommen nackt! Willst du so mit mir nach draußen?“ Erinnerte ihn Kyra an ihren Zustand.

Hastig durchwühlte Folko die Schränke, bevor er endlich einen kleinen weißen Kittel fand und diesen Kyra überstreifte. Dann ergriff er ihre Hand und rannte auf den unbeleuchteten Flur.

Zum Glück konnte er sich hier gut orientieren.

„Kennst dich ja gut aus hier! Ja, warst eben hier zu hause!“ Stänkerte Kyra.

„Darüber sprechen wir wenn wir außer Gefahr sind. Ich verdammter Idiot. Trotz meiner Kenntnis bin ich in deren Falle geraten. Ich bin enttarnt Kyra, wenn die uns finden ist es mit uns beiden aus. Mich werden sie auf der Stelle liquidieren, dich aber werden sie bis zu deinem Lebensende wie ein Tier gefangen halten.“ Folko zog Kyra hinter sich her, doch die hatte Schwierigkeit Schritt zu halten. Schließlich hielt er inne und hob sie auf seine Arme.

„Wo willst du denn mit mir hin?“ Wollte Kyra wissen.

„Erst mal raus hier!“ Folko war sich der Tatsache bewusst, das seine Art der Flucht völlig widersinnig war. Es gab kein Entkommen vom Gelände der Ordensburg, für niemanden, natürlich konnte er das Kyra nicht sagen. Er hoffte den entscheidenden Einfall noch zu finden.

Er kannte die unterirdischen Gänge gut. Es gab auch geheime, die nach draußen führten. Das Gebäude konnten sie somit noch hinter sich lassen, nicht aber das hermetisch abgeriegelte Gelände. Seinen Status als Vizegroßmeister konnte er vergessen, denn in der Zwischenzeit waren sämtliche Wachposten über alles informiert und angewiesen ihn sofort festzusetzen wenn sie seiner habhaft würden.

Endlich draußen, Kyra kniff die Augen zusammen, die Helligkeit schmerzte ihr. Niemand zu sehen. Sie bewegten sich schnurstracks auf die große Pforte zu. Die lies sich problemlos öffnen. Dann rannte sie die steile, von mit dichtem Blattwerk eingehüllten Bäumen gesäumte Straße hinunter.

„Puuh, das ist ja noch mal gut gegangen!“ atmete Kyra erleichtert auf.

„Freu dich nicht zu früh! Ich denke, es ist zu gut gegangen. Das geht hier nicht mit rechten Dingen zu. Noch nie habe ich die große Pforte unbewacht erlebt.“ Erinnerte sich Folko.

Kaum hatte er ausgesprochen sollte sich seine Befürchtung bewahrheiten.

„Sieh da sieh da! Der Verräter mit samt seinem  Pariaflitchen!“ Höhnte Cassian während er aus dem Gebüsch direkt vor ihnen auftauchte, begleitet von einem dutzend Bewaffneter. Mit einem Schlag waren sie umstellt.

„Danke dir noch dass du dich so perfekt selbst geoutet hast. Das lief besser als erwartet. Thoralf der Narr wollte mir nicht glauben. Es kostete ihm schon ganz schön Überwindung meinem Ansinnen nachzukommen dir eine Falle zu stellen. Nun hat es sich gelohnt.“ Frohlockte Cassian weiter.

„Hätte ich mir denken können, dass du dahinter steckst. Wenn es Arbeit für den Henker gibt bist du immer bereitwillig zur Stelle. Nun hast du also erreicht wonach du schon lange strebtest.

Herzlichen Glückwunsch neuer Vizegroßmeister. Ich hoffe der Titel bleibt dir im Halse stecken.“ Entgegnete Folko cool.

„Heute Vizegroßmeister und morgen, wer weiß. Thoralf dieser Zauderer, es wird nicht lange dauern dann werde ich auch ihn beerben.“ Gestand Cassian.

„Armer, armer Thoralf! Wer solche Freunde hat, benötig wahrhaftig keinen Neidhardt zum Feind!“

Erwiderte Folko.

„Dein Flittchen dort habe ich mir schon gesichert. Ich habe sie ihm sozusagen für meine Dienste abgekauft. Sie wird mir gefügig sein noch bevor dein Blut kalt wird.“

Folko spuckte ihm eine volle Ladung ins Gesicht.

Darauf hin holte Cassian aus und streckte ihn mit dem Knauf seine Pistole nieder. Als er im Begriff war seine Waffe auf Folkos Kopf zu richten ging plötzlich eine Ladung Steine auf alle um stehenden nieder. Geistesgegenwärtig warf sich Kyra zu Boden. Wie Geschosse prasselten die spitzen Steine nieder und setzen einen Posten nach dem andern außer Gefecht, Cassian wurde an der Hand getroffen und schrei laut auf, verlor dabei seine Pistole und rettete sich ins Gebüsch. Noch benommen von dem Schlag der ihn getroffen hatte robbte Folko zu Kyra und zog sie auf die andere Gebüschsseite. Daraufhin rollten beide die Böschung hinab.

Plötzlich erschien wie aus dem Nichts die Gestalt eines Jungen vor ihnen, nicht älter als etwa 15/16 Jahre.

„Kommt hier rüber! Dort seit ihr in Sicherheit!“

Wortlos folgten die beiden.

„Es ist noch nicht zu Ende Folko. Wir werden uns wieder sehen und dann rechnen wir ab!“

Drohte Cassians Stimme von der gegenüberliegenden Seite, doch sie wurde immer leiser je weiter sie sich davon entfernten.

Der Junge führte die bedien weiter durch das Dickicht, Äste schlugen ihnen dabei entgegen, doch das schien im Moment ohne Belang. Schließlich erreichten sie eine kleine Lichtung.

Dort hatten sich mehrere dutzend ebenfalls ausgesprochen junge Kämpfer versammelt.

Viele noch halbe Kinder, wie Folko feststellen konnte als er, noch außer Atem aufblickte.

Auch Kyra nahm erst jetzt so richtig war, was da von statten ging.

Als sie ihren Blick so durch die Reihen fahren lies blieb der plötzlich an einem Gesicht hängen.

„Caro, bist du es wirklich oder täusche ich mich da?“ sprach sie sogleich in ihrer forschen Art die Betroffen an.

Die ruderte durch die Reihen und blieb vor Kyra stehen.

„Kyra du? Was..was machst du hier?“

„Das gleiche könnte ich auch dich fragen, oder besser was macht ihr alle hier? Folko, das ist Caro, wir waren mal ne zeitlang in einer Straßenclique zusammen unterwegs, damals vor Urzeiten.“

„Was wir hier machen? Na ,wir versuchen zu überleben, so wie wir es immer getan haben, wie du dich sicher erinnerst und das tun wir immer noch, auch wenn es von Tag zu Tag gefährlicher wird."

Gab die angesprochene zur Antwort.

„Ich bin Nils, so was ähnliches wie der Anführer der Truppe!“Stellte sich jener Junge vor der sie hierher geführt hatte. „Die haben in den letzten Tagen gewütet wie die Schweine, unten in den Pariasiedlungen. Haben alles niedergemacht, sind mit Bulldosern gekommen und die Wellblechhütten einfach weg geschoben. Wenn die Menschen sich vorher nicht retten konnten, wurden sie ebenfalls auf diese Weise beseitigt.“ Fuhr er fort.

„Wir haben uns hier zusammengetan um zu überleben. Was sollten wir tun? Um uns kümmert sich doch keiner?“ gab Caro zu verstehen.

„Ach und was ist mit den republikanischen Milizen? Neidhardt hat doch vollmundig erklärt alle Pariasiedlungen von seine Leuten beschützen zu lassen?“ Stellte Kyra mit Verwunderung fest.

„Ach die! Wenn wir uns auf die verlassen, dann sind wir verlassen! Nee, die kommen doch gar nicht durch. Auf den vom Orden kontrollierten Gebieten habe die nichts zu sagen!“ Klärte Nils auf. „Hier, damit versuchen wir sie in Schach zu halten, mal gelingt es, mal haben wir Pech. Wir knöpfen uns die Freikorpsleute einem nach dem anderen vor.“ Stolz präsentierte Nils seine selbst gebastelte Steinschleuder.

Folko schritt auf ihn zu, nahm ihm diese aus der Hand, und begutachtete sie fachmännisch.

„Eine gute Waffe! Muss ich zugeben, eine wirksame Waffe vor allem. Ihr tut gut daran euch zur Wehr zu setzen.“

„Ihr seit zur rechten Zeit aufgetaucht! Ich dachte schon es wäre um uns geschehen.“ Bedankte sich Kyra.

„Wir beobachten die Ordensburg schon seit einigen Tagen, die bringen immer neue Gefangene rein, da beschlossen wir zu helfen, soweit das in unserer Macht steht. Wir greifen die Freikorpsleute auch hin und wieder direkt an, haben sogar schon Waffen von denen erbeutet.“ Bereichtete Nils.

„Kommt doch einfach mit! Wir haben uns in der Nähe ein provisorisches Lager eingerichtet, da könnt ihr euch erst mal ausruhen!“ Bot Caro an.

„Das nehmen wir gerne an.“ Antwortet Kyra.

Ein Kleines etwa 8-9 Jahre altes Mädchen schritt auf Folko zu und griff nach seiner Hand.

„Bleibst du jetzt für immer bei uns Onkel?“ wollte die Kleine wissbegierig in Erfahrung bringen.

„Ja gerne! Wenn ihr mich denn haben wollt!“ Gab dieser zu Antwort.

„Oh ja, kannst gerne für länger bleiben!“ Die kleine zog Folko, der auf einem Baumstumpf Platz genommen hatte, nach oben und hielt weiter seine Hand.

„Wir kommen mit zu euch Caro und heute Abend werden wir alle versuchen die Sperren zu überwinden um auf die andere Seite der Demarkationslinie zu gelangen. Ihr könnt alle mit uns kommen, bei Elena ist jeder willkommen, sie wird euch für unsere Rettung danken und entsprechend weiterhelfen.“ Bot  Kyra an.

Folko war in seine Geländekleidung gekleidet, niemand sah ihm an wer oder was er noch vor wenigen Stunden war. Was würden diese gestrauchelten Jugendlichen wohl sagen wenn sie in Erfahrung brachten dass sie den ehemaligen Vizegroßmeister des Blauen Orden in ihrer Mitte beherbergten?

Folko konnte gar nichts sagen, überlies freimütig Kyra das reden. Ihm war ganz und gar nicht nach Konversation zumute. Tiefes Schamgefühl bemächtigte sich seiner. Wie oft hatte er in früheren Zeiten selbst Jagt auf Paria gemacht, viele auch zur Strecke gebracht, auch Kindern gegenüber keinerlei Gnade walten lassen. Nun verdankte er eben jenen Randexistenzen sein Leben. Es wollte einfach nicht in seine Kopf. Konnte es ihm je gelingen seine Vergangenheit aufzuarbeiten? Das vermochte er in dieser Stunde nicht zu sagen. Lange, sehr lange würde er an sich arbeiten müssen.

 

Überall in den von den Freikorps kontrollierten Gebieten kam es in diesen Stunden und Tagen zu Übergriffen. Missliebige Personen wurden entführt, von der Straße aufgegriffen oder auch aus den eigenen vier Wänden verschleppt. Sie verschwanden, viele kehrten nie wieder zurück.

Die Zeit des Terrors forderte zahlreiche Opfer.

 

Leander hatte nicht so ein Glück wie Kyra. Er wurde zunächst in Frederics Villa gefangen gehalten. Dieser hatte eigens seinen Keller dafür herrichten lassen. Hier wollte er sich an seinem Nebenbuhler auf seine Weise rächen. Er hatte ihm die Sache mit Elena nie verziehen, seine gekränkte Eitelkeit verlangte nach Vergeltung.

Ein kleiner 4x4m großer Raum umgab Leander, nur von einer düsteren bläulich scheinenden Deckenlampe spärlich ausgeleuchtet.

Außer einen Holzbank konnte Leander keine weitere Einrichtung feststellen. Auch ihm hatten sie seine Kleidung abgenommen so dass er sich hier vollständig nackt wieder fand.

Wie viel Uhr mochte es sein? Er schien jegliches Zeitgefühl verloren. Bisher hatte ihm niemand ein Leid getan, außer der Drohung nachzuhelfen, wenn er sich nicht freiwillig seiner Kleidung entledigte. Doch wie würde es weitergehen? Er wusste nicht einmal wo er sich befand. Er vermutete zumindest das es sich dabei um die Ordensburg handelte, denn wohin sollten ihn die Freikorpsleute sonst bringen?

Er durchschritt die kleine Kammer, alles hermetisch abgeschlossen, es gab nicht die geringste Hoffnung  zu entkommen. Die schwere Stahltür fest verschlossen. Er lehnte den Kopf dagegen und glaubte draußen Schritte sowie vereinzelte Stimmfesten zu hören, doch das mochte  eine Sinnestäuschung sein. Er fürchtet ohnehin hier bald den Verstand zu verlieren, denn schon seit seiner Kindheit litt er an Klaustrophobie. Lange würde er es nicht aushalten. Irgendwie mussten seine Entführer das in Erfahrung gebracht haben um ihn damit weich zu kochen.  Schon bald würde alles tun was sie von ihm verlangten, nur um hier raus zu kommen.

Endlich, es mochten etliche Stunden vergangen sein, drehte sich ein Schlüssel im Schloss.

Zwei Wachleute erschienen und forderten ihn auf mit zu kommen. Willig folgte er, nur raus hier, es war ihm gleich was sie mit ihm taten.

Sie nahmen ihn in die Mitte und schritten wortlos einen langen von grellen Leuchtstoffröhren erhellte Gang entlang, dann ging es eine Treppe nach oben.

Eine Tür öffnete sich vor ihnen und sie befanden sich in einem nobel ausgestatteten Foyer wieder. Mit kostbaren Teppichen ausgelegt, wertvollen Gemälden an den Wänden und kunstvoll geschnitzten Ebenholzschränken davor.

Einer der beiden wies Leander an auf einer Polsterbank Platz zu nehmen. Dieser tat wie ihm geheißen. Anschließend nahmen die beiden einer zur rechten, einer zur Linken Platz.

Nach wenigen Minuten öffnete sich eine Tür, ein junger Mann trat heraus und befahl Leander zu folgen, dieser trat ein und befand sich in einem mondän gestalteten Büroraum wieder.

Umgeben von Schrankwänden, die zum Teil kostbares Porzellan enthielten, des Weiteren wertvolle Bücher. Ein großer gläserner Schreibtisch nahm breiten Raum ein. Dahinter ein teurer Ledersessel, dessen Lehne nach hinten gerichtet war, was darauf schließen lies, dass jemand darauf Platz genommen hatte.

Der Sessel drehte sich schwungvoll nach vorn und Leander blickte direkt in Frederics Gesicht.

„Guten Tag, Leander! Ich begrüße dich in meinem bescheidenen Heim, dass wir von nun an gemeinsam bewohnen werden.“ Sprach ihn Frederic mit gekünstelter Freundlichkeit an.

„In..in deinem Haus befinde ich mich? Wieso? Ich nahm an ich sei auf der Ordensburg.“ Stellte Leander mit Verwunderung fest.

„Kannst es wohl gar nicht erwarten dorthin zu kommen? Nun, dem können wir sehr schnell nachkommen. Alles hängt von dir und deiner Bereitschaft zur Kooperation ab.

„Kooperation? Welche Kooperation? Was habt ihr mit mir vor?“

„Nun, im Moment bist du mein persönlicher Gefangener, aber du stellst natürlich auch einen besonderen Wert für den gesamten Orden dar. Als Geisel bist du von enormen Nutzen für unsere Sache!“ Klärte Frederic weiter auf.

„Als Geisel?  Ich verstehe!“

„Du verstehst? Das ist ja schon mal ein guter Anfang! Ich gehe davon aus das wir uns glänzend verstehen, wenn du dich in dein Schicksal fügst.“

„Und welches Schicksal hast du mir zugedacht?“

Frederic schoss von seinem Sessel hoch und bewegte sich auf Leander zu. Er umrundete ihn mehrfach und blieb dann direkt vor ihm stehen.

„Du hast mir Elena genommen! Sie hat mich um deinetwegen verlassen. Mich betrogen mit einem Preka. Das ist eine Schande! Das werde ich dir nie verzeihen! Nun werde ich mich dementsprechend an dir rächen!“ Polterte Frederic.

„Elena hat eine freie Entscheidung getroffen. Elena gehört nur sich selbst, sie ist weder dein noch mein Eigentum und kann tun wie es ihr beliebt!“ wagte Leander ihm die Stirn zu bieten.

„So? Hat sie das?“

Frederic griff Leander zwischen die Beine und drückte fest zu, so dass dieser laut aufschrie.

„Ja, das tut weh! Aber das ist nur der Anfang. Verstehst du, es geht weiter und es wird für mich ein Vergnügen sein. Ob es eins für dich ist, wird sich noch erweisen!“

Frederic ließ los und begann Leander erneut zu umrunden. Als er hinter ihm stand kniff er ihm in den Pobacken.

„Du siehst gut aus! Knackige Figur und alles was dazu gehört. Das ist dein Glück!° Du gefällst mir! Ich werde an dir meine finstersten Phantasien verwirklichen. Du wirst mir gefügig sein wann immer ich es wünsche und du wirst tun was ich von dir verlange. Tue es und wir kommen bestens mit einander aus. Weigere dich und ich werde dich umgehend in der Ordensburg abliefern. Dann kannst du Bekanntschaft mit dem dortigen Verlies machen. Da erwartet dich eine 1x1 m große Zelle. Na, wäre das etwas für dich?“ Höhnte Frederic.

Leander lief es eiskalt über den Rücken, er wagte sich diesen Umstand nicht einmal vorzustellen. Es bestand kein Zweifel, Frederic hatte ihn in der Hand.

„Entscheide dich, aber schnell! Thoralf erwartet eine Antwort. Er hat seine Bereitschaft bekundet dich mir zu überlassen. Verhören können wir dich auch hier.“

Leander senkte beschämt den Kopf, er saß in der Falle.

„Ich höre!“ Frederic wurde ungeduldiger.

„Ich bin einverstanden! Ich bin bereit alles was du wünschst zu tun!“ stimmte Leander schließlich zu.

„Sehr gut! Sehr gut! Die richtige Entscheidung!“ Aus einem Schubfach seines Schreibtisches holte Frederic eine Lederpeitsche hervor. Anschließend umrundete er Leander erneut und schlug ihn mit der Peitsch mehrfach auf ihn ein.

Er umfasst Leanders Taille und zog ihn an sich heran.

„Wir werden unseren Spaß miteinander haben, du und ich. Und da gibt es noch ein paar andere die sich mit dir vergnügen wollen.“

Frederic nahm auf der Tischplatte platz.

„So und zeig deinem neuen Herrschen mal was du so alles drauf hast. Runter auf die Knie!“

Leander gehorchte augenblicklich.

„Brav, sehr brav! Dann krieche auf dem Boden bis ich dir gestatte damit aufzuhören!“ Leander führte den Befehl ohne Widerstand aus. Frederic hatte ihn bereits gebrochen, es ging schneller als dieser vermutete.

Macht und Ohnmacht dicht bei einander. Ein Vorgeschmack dessen, was die Bewohner Melancholaniens erwartete , sollte sich am Ende der Blaue Orden als Sieger erweisen.

Leander kroch am Boden entlang und begann Frederics Stiefel sauber zu lecken. Danach nahm dieser auf Leanders Rücken platz und ritt auf ihm durch die Gänge der Villa. Die Wachposten bekundeten applaudierend ihre Zustimmung.

„Und so werden wir es von nun an jeden Tag halten. Hast schon mal einen kleinen Teil der Prüfung bestanden. So wird es weitergehen. Meine Phantasie kennt in dieser Hinsicht kaum Grenzen. Ich werde mir täglich neues einfallen lassen. Du wirst sehen, langweilig wird es bei  mir auf gar keine Fall.“

Feine Aussichten. Leander keuchte und ihm wurde zusehends schwarz vor Augen, denn Frederic war nicht gerade ein Leichtgewicht. Mit letzter Kraft versuchte er seine Last zu tragen, doch dann verließen ihn die Kräfte und er sackte am Boden zusammen.

Frederic erhob sich. Dann rollte er Leander auf den Rücken, hob dessen Kopf etwas an und klatschte ihm im Gesicht herum.

„Aber , aber, wir wollen doch nicht gleich am ersten Tag schlapp machen. Wie ich schon sagte, das ist doch erst der Anfang. Es wird noch viel besser.“

Mit der Handfläche strich er über Leanders Brust.

„Du gefällst mir von Augenblick zu Augenblick besser. Das wird ein geiler Spaß. Warum bin ich da nicht schon viel eher drauf gekommen.“

Auf ein Zeichen erschienen zwei Wachposten im Zimmer und salutierten.

„Ab in mein Schlafgemach mit ihm. Auf das Bett legen und fesseln.“

Die beiden schleppten Leander aus dem Zimmer.

Mit ausgestreckten Armen und weit gespreizten Beinen, harrte Leander nun der Dinge die mit ihm geschehen sollten. Er fühlte sich elend und schwach und das atmen fiel ihm schwer.

Sollte so der Rest seines Lebens aussehen? Wie lange würde er diesem Druck wohl stand halten?

Schließlich erschien Frederic in der Tür, gekleidet in einen langen dunkelblauen Morgenrock, in der Hand ein Glas mit sprudelnden Sekt haltend.

„Was für ein Anblick! Ein Körper wie von einem meiner zahlreichen Gemälde. Weißt du, früher habe ich mir gar nicht so viel aus Männern gemacht, doch mit der Zeit bekomme ich immer deutlicheren Appetit.“

Er nahm auf der Bettkante Platz und begann Leanders Brust zu betasten, arbeitet sich zu den Genitalien vor.

„Geil ist das supergeil!“

Er leerte sein Glas und warf es beiseite, so das es irgendwo an der Wand klirrte. Dann streifte er seinen Morgenrock ab. Nun selber nackt streckte er sich auf Leander aus. Mehrfach drang er in ihn. Irgend wann verlor Leander das Bewusstsein. Doch selbst dann lies Frederic noch nicht von ihm ab.

Schließlich löste er die Fesseln. Auf Befehl der Wachleute wurde Leander wieder nach unten in den dunklen Keller gebracht.

 

In den folgenden Tagen wurden diese Torturen fortgesetzt. Schärfer, tatsächlich immer schärfer. Frederics perverse Phantasien schienen in der Tat grenzenlos. Er lud dann schließlich auch, wie schon angedeutet seine Kumpane ein. Egbert nahm das Angebot mit größtem Vergnügen an.

Mit einigen andern umstanden sie den Tisch auf dem der nackte Leander geschnallt wurde und trieben ihren Schabernack mit ihm, bis ihm schließlich hören und sehen verging, so zumindest kam es ihm vor.

Leander wurde dabei immer schwächer. Sollte er sich je aus dieser Lage befreien, würde er wohl für den Rest seines Lebens traumatisiert bleiben.

 

Auch draußen ging der Terror weiter. Cassian konnte schließlich doch noch seinen Willen durchsetzen. Nun war er am Ziel und hatte Folkos Stelle als Vizegroßmeister eingenommen, dies verschaffte ihm bedeutend bessere Möglichkeiten. In den vom Orden nicht kontrollierten Gebieten wurden gezielt Anschläge und Attentate verübt. Viele verloren ihr Leben. Unmut machte sich allerorts breit. Warum leistete die Räteregierung keinen Widerstand, warum sahen die fast teilnahmslos zu, wie die Freikorps wüteten?

Es gab keinen eigentlichen Oberbefehlshaber, denn die Milizen waren demokratisch verfasst. Alles musste zunächst diskutiert und später darüber im Plenum abgestimmt werden. Kostbare Zeit ging auf diese Weise verloren.

Immer deutlicher und lauter wurde der Ruf nach einer starken Hand. Nach einem durchsetzungsfähigen Befehlshaber, imstande Kraft seiner Autorität, den Attacken etwas entgegen zu setzen.

Neidhardt schien dafür wie geschaffen . Er sah sich seinem Ziel Schritt für Schritt näher kommen.

Die Tatsache dass Leander in Frederics Folterkeller saß, Kovacs immer tiefer in seinen Depressionen versank und  Elena die Sorge um Leander fast in den Wahnsinn trieb, kam ihm hier sehr entgegen.  Die Zeit arbeitet für ihn und schamlos nutzte er die Gunst der Stunde.

Nun musste er nur noch Cornelius überzeugen und das schien ihm ein Leichtes.

Es sollte nach Möglichkeit nicht nach einem Putsch aussehen, sondern den Anschein erwecken das man nach ihm gerufen habe.Ihn gerade zu habe drängen müssen den Auftrag an zunehmen. Er, der berufene Retter der Melancholanischen Republik. Als solcher beabsichtigte er in die Geschichte ein zu gehen.