Aschenputtels Glücksfee

Venus verblasste am Morgenhimmel. Die Sonne war aufgegangen, während sich Madleen auf das Abteigelände zubewegte. So tat sie das fast jeden Morgen seit jenem Tag als ihr Cassian die Abtei so großzügig überlassen hatte. Gleiches Ritual seit etwa vier Monaten. Nachdem Tessa zur Schule gebracht wurde, brach sie meist sehr zeitig auf, um den Vormittag in den altehrwürdigen Mauern zu verbringen, die einmal Anarchonopolis beherbergt hatten. Erst um die Mittagszeit pflegte sie in die Villa zurückzukehren, um gemeinsam mit Tessa das Mittagessen einzunehmen. Wenn es sich ergab kehrte sie während des frühen Nachmittags erneut zur Abtei zurück, dann des Öfteren von Tessa begleitet.

Inzwischen war es Mai geworden und der Frühling präsentierte sich von seiner besten Seite.

Am Anfang des Jahres, als sich noch bittere Kälte über das Land breitete, war es oft sehr kalt in den großen Räumen der Abtei, auch wenn die Heizung die ganze Zeit hindurch auf Sparflamme lief.

Doch nun wurde Madleen mit angenehmer Wärme belohnt. Der Gang ein Wohlgefühl.

Wie so oft hatte sie auch heute das Gefühl nachhause gekommen zu sein, nachdem sie die Pforte durchschritten hatte.

Hier oben, auf der Anhöhe schien sich ihr das Leben in einem neuen Licht zu zeigen. Sie glaubte sich am Anfang eines Weges, der sie zum Ursprung zurückführen würde. Nur auf diesem Gelände konnte sie leben, wie es ihr bestimmt war.

Es war Zeit den Kampf aufzunehmen. Der Frühling verlieh ihr die entsprechende Kraft.

Erleichtert atmete sie auf. Ihr Blick fiel auf den dichten Wald hinter der Klostermauer.

Die schlanken Fichten streckten in stummem Flehen ihre Äste aus und versuchten, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Die bizarre Berglandschaft ließ sie in Ehrfurcht verharren, so als habe sie diese Gegend heute zum aller ersten Mal erblickt.

Konnte es einen schöneren Ort auf der Welt geben?

 

Doch schlagartig wurde sie wieder von diesem beklemmenden Gefühl heimgesucht, kaum dass sie das Konventsgebäude betreten hatte

Verlorene Heimat. Alte Träume erwachten. Sie sah die Bilder der Vergangenheit deutlich vor ihrem Inneren Auge.  Tiefe Sehnsucht grub sich leidvoll in ihr Herz. Einsamkeit, wohin sie auch blickte, nur Einsamkeit. Es fehlte das Leben, das bunte, ausgelassenen Treiben der Kommune.

Und natürlich vor allem die Nähe der Schwestern.

Sie glaubte Stimmen zu hören, die aus den langen Gängen an ihre Ohren drangen. Die Sprache der Schwestern. Alexandras Gekicher. Kyras flapsige Sprüche. Colette, die mit ihrem Gehstock immer etwas hart auf den Boden stampfte, so dass man sie schon lange hörte ,bevor man sie zu Gesicht bekam.

Und Elena natürlich, die sich immer auf leisen Sohlen von hinten an sie heranschlich, schlagartig ihre Taille umfasste und zu sich zog. Dann folgte zumeist ein Bad aus heißen Küssen.

Alles so vertraut und doch so fern, wie eine fremde Galaxie.

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Würde sie je wieder Teil dieser Gemeinschaft sein?   

Gab es ein zurück, in dieses verlorene Paradies? Hatte sie nicht einen erheblichen Anteil an dessen Zerstörung? Musste sie nun die Folgen tragen?

Bitter schmeckte der Trunk aus dem Kelch der Trauer.

Wer oder was war sie jetzt?

Die einsame Hüterin einer gefrorenen Vergangenheit. Eine Hüterin ohne Herde. Eine Konkursverwalterin?

Sie schluckte den Klos im Hals hinunter. Jetzt nur nicht die Fassung verlieren. Sie durfte sich unter keinen Umständen gehen lassen.

Dann begann sie ihre morgendliche Runde durch das große Haus. Inspizierte dabei jeden einzelnen Raum, um nach dem Rechten zu sehen. Hielt sich aber nie lange in den einzelnen Zimmern auf.

Aus der Ferne drangen Geräusche an ihr Ohr. Sie war nicht allein im Haus. Schon im Winter hatte sie damit begonnen Instandsetzungsgruppen zu organisieren, die Gebäude und Gelände zu pflegen hatten und wenn erforderlich, Reparaturarbeiten zu leisten.

Ihre Privilegien als Braut des künftigen Kaisers öffneten ihr dabei problemlos alle Tore.

Sie bekam was sie anforderte und teilte den Angestellten ihre Aufgaben zu. Inzwischen sorgten gut zwei Dutzend Leute für das ganze Areal.

Cassian lies sie gewähren und legte ihr keine Steine in den Weg, noch war sie nicht seine Frau.  

Der hielt sich ohnehin nur noch äußerst selten bei ihr auf, zog stattdessen durch das Land, um seine Macht zu festigen, vor allem um seine neue Eliteeinheit, den wiedererstandenen Blauen Orden zu reorganisieren. Sie war sich weitgehend selbst überlassen, eine Tatsache, die ihr nur allzu gelegen kam.

Auf diese Weise wurde sie Stück für Stück zur Hüterin von Anarchonopolis. Sie war davon überzeugt, dass es irgendwann seine Auferstehung feiern würde, wann immer das auch sein mochte.

In der Zwischenzeit war sie in der Basilika eingetroffen und durchschritt andächtig das Kirchenschiff. Im Chorraum angelangt schritt sie auf Colettes großen bequemen Sessel, mit seinem weichen, dunkelgrünen Samtbezug, der hier noch immer stand und nur darauf zu warten schien erneut von der Königin benutzt zu werden, die hier ihre legendären Audienzen abzuhalten pflegte.

Madleen trat vor den Thron und verneigte sich kurz. Dann schritt sie weiter und ließ sich schließlich darauf nieder.

„Sei ohne Sorge Colette. Ich mache dir deinen Platz nicht streitig. Nie würde ich mir so etwas anmaßen.  Ich halte ihn dir warm, für die Zeit nach deiner Rückkehr. Du warst es immer und du wirst es immer sein, unser aller Königin.

Sie wollen mich als ihre Kaiserin, stell dir das vor. Auch ich soll nach deren Willen auf einem Thron sitzen. Aber ich werde denen einen Strich durch die Rechnung machen, das gelobe ich dir.“

Dann lehnte sich Madleen zurück und schloss die Augen. Im Geiste sah sie die Schwestern wieder vor sich, Colette und Elena in deren Mitte.

Sie atmete schwer, der Druck auf ihrem Herzen schien sich langsam zu verhärten.

Aus der Ferne vernahm sie Schritte, die sich ihr langsam näherten.

Dann wieder Stille, jemand räusperte sich.

Erschrocken öffnete Madleen ihre Augen.

„Majestät? Ich hoffe ich habe euch nicht gestört?“

„Wie, was? Majestät? Nein, nein, du hast mich nicht gestört, ich wollte ohnehin aufbrechen.

 Vor ihr stand eine junge etwas schlaksig wirkende,  Frau , etwa Anfang 20,mit dunkelblonden strähnigen Haaren die sie zu einem Pferdeschwanz straff nach hinten gebunden hatte und einer großen runden, schwarzgerahmten Brille auf der leicht nach vorn gebogenen Nase. Gekleidet in eine hellblaue Latzhose und schwarze Schürstiefel, um den Hals ein rotes Tuch aus feinem Leinen. Geschmeidige, aber kräftige Hände, Hände, die das Zupacken gewohnt waren. Bei näherer Betrachtung wirkte nun auch ihr ganzer Körper muskulös und drahtig.

„Ich bin Larissa, eine der neuen Gärtnerinnen. Ich habe euch gesehen, wie ihr in die Basilika gingt. Ich… ähm, ich wollte mich nur kurz vorstellen, Majestät.“

„Das mit der Majestät lass einfach weg. Noch bin ich nicht Kaiserin.“

Und werde es hoffentlich niemals sein. Fügte Madleen in Gedanken noch hinzu.

„Wie sollte ich euch denn sonst nennen?“ Versuchte die Gärtnerin in Erfahrung zu bringen.

„Na mit meinem Namen. Madleen. Der ist dir doch bekannt.“

„Einfach so?“

„Ja, einfach so!“

„Wenn ihr….ähm. wenn du meist? Ist aber schon ein wenig komisch.“

„Du bist noch nicht lange hier beschäftigt?“ Erkundigte sich Madleen.

„Nein, erst seit Anfang letzter Woche. Ich habe dich schon mehrfach gesehen, bei der Arbeit im Garten. Das hat mich sehr beeindruckt. Die zukünftige Kaiserin bei der Gartenarbeit. Ist schon ein Ding.“

Bekannte Larissa.

„Ich wollte dich daraufhin ansprechen, habe es dann doch nicht getan!“!

„Und warum nicht?“

„Schwer zu sagen. Ich war der Ansicht, dass es wohl nicht erlaubt sei.“

„Ach Unsinn! Warum denn? Natürlich darfst du das. Dass alles und noch viel mehr. Ich freue mich jedenfalls dass du dich heute dazu durchgerungen hast.“ Ein sanftes Lächeln huschte über Madleens Gesicht.

„Und gibt es etwas Besonders, was du mir sagen willst? Hmm.., das können wir aber auch draußen besprechen. Ich gehe kurz nach oben, mich umziehen und dann können wir gemeinsam im Garten schaffen. Wie wäre es damit?“

„Das wäre toll!“

„Der Meinung bin ich auch. Also dann bis gleich. Wir treffen uns bei den Blumenbeeten:“

Madleen erhob sich und strebte der Sakristei entgegen. Von dort gelangte sie in den ehemaligen Klausurbereich und von dort aus ging es in ihre alte Wohnung, die sie wieder eingerichtet hatte. Hier pflegte sie sich aufzuhalten und den alten Zeiten nachzutrauern.

Wartete des Öfteren, auf ihrem gemütlichen Sofa sitzend darauf, dass Elena zur Tür hereinkam, so wie früher, um mit ihr, nach anstrengendem Tag in der Regierungszentrale, den Abend zu verbringen.

Doch es geschah nichts dergleichen und somit blieb Madleen allein mit ihren Erinnerungen.

In letzter Zeit hatte sie hier schon einmal übernachtet. Als sich Tessa auf einem Schulausflug befand und somit nicht zu versorgen war.

Wie gerne würde sie wieder ständig hier leben. Mit Tessa natürlich, in der alten Wohnung. Doch das würde Cassian niemals zulassen. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass sie jene Freiheiten noch besaß.

Auch die Tatsache, dass sie im Garten selbst Hand anlegte würde ihm ganz und gar nicht behagen, bei seiner stockkonservativen Einstellung. So etwas schickte sich nicht für seine künftige Gemahlin, für die Kaiserin von Neu-Melancholanien.

Doch es war ihr gleich was er darüber dachte. Sie würde ihre Freiheiten verteidigen, koste es was es wolle.

Plötzlich war sie guter Dinge und freute sich auf den Garten. Schnell waren die Designerklamotten gegen den oliv-grünen Overall ausgetauscht und die Arbeitsstiefel übergezogen. Nun noch die Arbeitshandschuhe, schon befand sie sich wieder auf dem Weg nach unten.

Frühling in Anarchonopolis, das war immer etwas ganz Besonderes. Die Luft war erfüllt vom Gezwitscher der Singvögel und vom Duft süßer Kräuter. Die hellgrünen Blätter der Linden und Eichen glänzten in der Morgensonne. Sie bildeten ein natürliches Dach über den Blumengarten, der sich in den letzten Tagen voll entfalten konnte. Jetzt Anfang Mai  verwandelte sich der Garten in ein wahres Feenreich von Farben und Düften. Die Kaiserkronen hatten ihre besten Tage schon hinter sich und würden bald verblüht sein. Die Hyazinthen präsentierten sich hingegen noch immer in ihrer vollen Schönheit und die Tulpen natürlich, ein wahrer Augenschmaus.

Aber auch das Unkraut wucherte an allem möglichen Stellen. Madleen streifte die Handschuhe über, da bemerkte sie, dass sie ihr Haar noch offen trug. Die langen schwarzen Locken würden jedoch bei der Arbeit  behindern.

Plötzlich erschien Larissa wie gerufen.

„Oh, du kommst wie gerufen. Kannst du mir die Haare zusammenbinden, zu einem Pferdeschwanz. Hab ich wieder mal vergessen.“

„Ja natürlich!“ Die Angesprochen machte sich sogleich ans Werk.

„Wau! Was für eine Pracht. Ich hätte nie gedacht, die einmal berühren zu dürfen.“

Madleen honorierte dieses Kompliment mit einem sanften Lächeln.

Schnell war die lange Lockenmähne, die ihr bis zur Taille reichte gebändigt.

„Wenn ich doch nur annähernd so schöne Haare hätte.“ Beklagte sich Larissa.

„Nun, man kann nicht alles haben. Aber ich finde dich trotzdem hübsch und sympathisch noch dazu.“ Entgegnete Madleen.

„Gut, dann ans Werk. Die Quecken haben sich schon breit gemacht. Danach müssen wir den Boden ein wenig auflockern. Es ist zu trocken. Zwar finde ich das Wetter einzigartig schön. Aber ein Regenguss wurde der Natur gut bekommen. Sollte es heute wieder nicht regnen, müssen wir morgen gießen.“

Larissa bekundete nickend ihre Zustimmung.

Sie machten sich an verschieden Stellen an die Arbeit und kamen gut voran. Nach einer Weile faste Larissa Mut, Madleen in ihr Problem einzuweihen.

„Nun bin ich also doch noch in Anarchonopolis gelandet. So hatte ich es mir zwar nicht vorgestellt, aber immerhin. Ich bin hier und das ist doch auch schon mal was.“

„Wie meinst du das?“ Forschte Madleen nach , während sie sich gerade an den frischen Unkräutern zu schaffen machte.

„Nun, ich wollte immer zu den Töchtern. Hab mich beworben, wurde aber abgelehnt. Das hat mich sehr traurig gemacht. Es war immer mein Traum bei euch zu leben. Aber es sollte wohl nicht sein.“

„Warum hast du es nicht erneut versucht? Wir hatten hier natürlich jede Menge an Bewerberinnen. Da mussten wir sieben. Viele gute Mädchen sind uns dadurch verlorengegangen. Aber Leute die es hartnäckig weiter versuchten fanden am Ende doch noch ihren Weg zu uns.“

„Hab ich ja! Immer wieder und immer wieder. Insgesamt habe ich 38 Mal den Versuch gestartet.“ Bekannte Larissa.

Madleen schnellte in die Höhe.

„38 Mal?? Na, das nenne ich wirkliches Interesse. Da kann ich deinen Frust nur allzu gut verstehen. Komisch, dass mir das nicht aufgefallen ist. Ich habe normalerweise die Anträge bearbeitet und meist eine Vorentscheidung getroffen, bevor dann der Große Rat entscheiden konnte. Seltsam, wirklich seltsam. Aber du bist hier, in der Tat, um mir Gesellschaft zu leisten, an meiner Seite zu arbeiten.“

„Ja, das bin ich. Und das macht mich schon ein wenig glücklich.“

„Wollen wir Freundinnen sein?“ Lautete das lockende Angebot.

„Oh ja, das wäre toll!“

„Dann soll es so sein! Glaubst du an Zufälle Larissa?“

„Hm schwer zu sagen. Kommt darauf an.“

„Ich glaube, dass wir uns eben nicht zufällig begegnet sind. So zumindest mein Eindruck.  Also wenn es noch ein funktionierendes Anarchonopolis gäbe, würde ich dich sofort aufnehmen. Du hättest ausgezeichnet in unsere Gemeinschaft gepasst.“

„Ja, aber Anarchonopolis ist Geschichte.“ Erinnerte Larissa Madleen an die kalte Wirklichkeit und ließ traurig den Kopf hängen.

Eine kurze Weile verharrten beide in Schweigen.

„Ja, es ist Geschichte, das ist wohl war.“ Nahm Madleen den Faden wieder auf.

„Im Moment zumindest. Aber das muss ja nicht so bleiben. Nein das muss es in der Tat nicht.“

Dann beugte sich Madleen wieder zu Boden, um ihre Arbeit fortzusetzen.

Eine ganze Weile arbeiteten sie wortlos nebeneinanderher. In der Zwischenzeit war der Vormittag weit fortgeschritten und der Tag schritt seinem Höhepunkt entgegen.

Die Sonne kletterte weiter nach oben in einen blassblauen Himmel, der von dünnen Wolkenstreifen überzogen war, als ob zerrissene Spitze hoch auf dem Wind dahintrieb.

Die Turmglocke der Basilika lies 11 Schläge ertönen.

Madleen blickte sich hastig um.

„Meine Güte, schon 11 Uhr, dann wird es aber Zeit.“

Sie zog die Arbeitshandschuhe von ihren Händen und schritt zu Larissa die sich am anderen Ende des Blumenbeetes zu schaffen machte.

„Ich muss mich erst mal verabschieden. So ist das, wenn man unter Zeitdruck steht. Schnell umziehen und erst mal nach drüben in die Villa. Tessa kommt bald aus der Schule und wir essen gemeinsam zu Mittag.

Sag mal was ich dich noch fragen wollte. Wo bist du eigentlich untergebracht?“

„Oben, in der ehemaligen Schnapsfabrik, wo später das Männerhaus war. Da haben wir so ne Art Gemeinschaftsunterkunft eingerichtet.“ Gab die Befragte zur Antwort.

„Und gefällt es dir dort?“

„Naja, ich bin unter. Nicht gerade komfortabel. Aber was will ich machen. Ich muss nehmen, was sich bietet.“

„Hmmm… da wüsste ich etwas Besseres. Wenn du magst kannst du gern im Konventsgebäude wohnen. In meiner alten Wohnung ist ein Zimmer frei. Das haben Elena und ich früher als Gästezimmer benutzt. Schönes großes Zimmer, möbliert mit allem was dazu gehört und mit grandiosem Blick auf das Gebirge.“

Larissa fiel aus allen Wolken.

„Wirklich??? Aber das wäre ja… fantastisch. Meist du das im Ernst?“

„Ja, natürlich!  Was dachtest du denn?“

„Danke! Vielen, vielen Dank. Ich weiß noch immer nicht was ich sagen soll.“

„Also ich geh jetzt erst mal rüber. Du holst in der Zwischenzeit deine Sachen…. Ach Quatsch, was rede ich da. Du kommst natürlich erst mal mit. Du bist zum Essen eingeladen. Gerlinde unsere Köchin wird sich über eine weitere Esserin sicher freuen, die kocht immer viel zu viel. Da lernst du auch Tessa kennen. Wenn wir gegessen haben und uns ein wenig ausgeruht, kommen wir zurück. Vielleicht kommt Tessa auch mit uns. Dann kannst du deine Sachen holen und dich gleich bei mir einquartieren.“

„Ja! Ja gerne!“ Larissa strahlte über ihr ganzes Gesicht.

„In Ordnung! Ich zieh mich nur schnell um. Undenkbar für die künftige Kaiserin von Melancholanien im Arbeitsoverall zum Essen zu erscheinen. Möglicherweise wäre es gut wenn auch du dir etwas anders überziehst. Wir treffen uns dann wieder hier.“

„Meinst du wirklich das ich dich nach drüben begleiten kann, Ich habe ein wenig Angst vor..

Larissa verstummte, doch Madleen konnte sich denken in welche Richtung ihre Befürchtung ging.

„Du hast Angst vor Cassian, nicht wahr?“

Die Angesprochene senkte nur den Kopf.

Sie setzte zu einer Antwort an, verbiss sich jedoch die Worte.

Madleen legte ihr sanft die rechte Hand auf die Schulter.

„Sei ohne Sorge! Unser Herr und Gebieter ist unterwegs, weit im Süden des Landes, auf Truppeninspektion, ist eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. Ich erwarte ihn erst Mitte nächster Woche zurück. Und wenn er kommt bleibt er maximal zwei bis drei Nächte, und schon ist er wieder auf und davon. Während seiner Abwesenheit können wir viel Zeit mit- einander verbringen. Natürlich nur wenn du magst:“

„Ob ich mag? Ja, ja gern. Ich laufe dann schnell rüber und ziehe mich um, bis gleich….“

Hastig entfernte sich Larissa. Madleen sah ihr schmunzelnd nach, blickte kurz auf ihre Armbanduhr aus echtem Gold. Nur eines von vielen exklusiven Geschenken, ihres Zukünftigen. Dann lief sie in Richtung Haupthaus.

Gedankenversunken schritt Madleen durch den Kreuzgang. Das Schicksal geht manchmal seine eigenen, für die Augen der Menschen oft verworrenen Wege. Und diese Wege waren die Quellen, die hier versiegten und anderer Orts plötzlich wieder zutage traten.

Noch vor wenigen Stunden fühlte sie sich leer und ohne Ziel. Mit einem Mal war alles anders.

Der Druck auf der Brust, den sie seit Wochen spürte, verschwunden. Ein Augenblick der Erhabenheit in einem Leben voller Einsamkeit. Schuld daran war jenes Geschöpf, dass sie gerade zum Essen eingeladen hatte und im Begriff war sie auch zu ihrer Mitbewohnerin zu machen.

Einen einfachen, aber aufrichtigen Menschen in ihrer Nähe, das war es wonach sie sich so sehr gesehnt hatte in den zurückliegenden Monaten. Sie war einfach einer Eingebung gefolgt, als sie die Einladungen ausgesprochen hatte.

Eine Woge der Erleichterung hatte sie erfasst.

In ihrer Eigenschaft als zukünftige Kaiserin standen ihr alle Möglichkeiten offen sich nach Freundinnen umzusehen, die ihr Gesellschaft leisten konnten. Diesbezügliche Anfragen und Angebote gab es wie Sand am Meer. Ständig erhielt sie Einladungen zu allen möglichen Anlässen und hätte jeden Tag dutzende interessierte Frauen um sich haben können, die nur darauf brannten sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Doch jene Glitzerwelt sagte ihr so ganz und gar nicht zu. Dort würde sie sich nur noch bedeutend mehr langweilen als in der Einsamkeit der alten Abtei.

Nun brauchte sie nicht mehr einsam zu sein und das erfüllte sie mit großer Freude.

 

Nachdem sich Madleen gewaschen und umgezogen hatte bewegte sie sich gemächlichen Schrittes die Treppe des Konventsgebäudes hinunter und fand sich bald im Garten wieder.

Larissa war noch nicht eingetroffen, nicht weiter verwunderlich, denn von der ehemaligen Schnapsfabrik war es ein Stück Weg.

Nach einer Weile kam diese völlig außer Puste bei ihr an.

„Oh, da bist du ja noch. Gottseidank. Ich dachte schon ich würde dich nicht mehr antreffen.“

Larissa hechelte wie ein Hund während sie die Worte sprach.

„Hey, hey, langsam! Erst mal richtig durchatmen. Beruhige dich, wir haben noch Zeit.“

Behutsam schloss Madleen die neue Freundin in die Arme.

Danach gelang es ihr sie eingehender zu betrachten.

„Schickes Kleid, einfach aber mit Stil!“ Lobte Madleen.

„Meinst du? Hab ich mir schnell gegriffen in der Eile!“

Larissa war in ein dunkelgrünes langärmliches Kleid aus feinen Leinen gekleidet, dazu trug sie weiße Stoffturnschuhe. Auf den Schultern einen schwarzen Lederrucksack.

„Also, wollen wir?“ Lud Madleen ein.

„Ja, von mir aus gern!“

Gemeinsam schlenderten sie über das Gelände in Richtung neuer Siedlung, dort wo sich auch die Villa befand, die Madleen mit Cassian und Tessa bewohnte.

 

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch folgte Larissa der zukünftigen Kaiserin in die Villa.

Der Tisch im Esszimmer war bereits gedeckt.

„Nimm Platz!“ Forderte Madleen auf.

Larissa folge der Bitte und lies sich am Tisch nieder.

Tessa stürmte zur Tür herein und fiel Madleen um den Hals.

„Hallo Prinzessin! Hattest du einen schönen Tag?“

„Naja, war ganz in Ordnung! Langweilig wie immer!“

„Du wirst noch mal eine große Professorin, wenn du einmal groß bist.“

Tessa beäugte den Gast am Tisch akribisch genau.

„Also meine Kleine, darf ich vorstellen, dass ist die Larissa. Sie wird mit uns essen heute, sag ihr guten Tag!“

„Hallo Larissa!“ Tessa schritt auf sie zu und nahm sogleich deren Hand.

„Hallo Tessa, schön dich kennen zu lernen!“

„Ich hoffe ihr versteht euch gut! Sag mal Tessa was hältst du davon, wenn wir wieder öfters drüben in der Abtei wohnen, und zwar mit der Larissa zusammen? Würde dir das gefallen.“

„In meinem alten Zimmer? Wirklich?“

„Aber ja, natürlich!“

„Oh ja, da freue ich mich drauf! Hier ist es nur blöd!“

Die Tür ging auf, zwei Diener schritten herein und tischen das Essen auf.

Larissa blickte auf ihre Hände, die sie zwar gewaschen hatte, doch den Schmutz unter den Fingernägeln vergessen hatte.

Sie errötete leicht und hoffte, dass es nicht aufgefallen war.

Tessa blickte beständig auf den Gast zu ihrer Linken.

„Hast du dich in der Schule auch so gelangweilt?“ Wollte sie auf einmal von Larissa wissen. 

Die schluckte schnell den Bissen hinunter und suchte nach den rechten Worten.

„Ja, manchmal schon. Aber meist war es schon interessant was wir dort gelernt haben.“

„Wohnst du drüben im Schloss?“ Bohre Tessa weiter.

„In welchem Schloss denn?“

„Sie meint die Abtei. Für Tessa ist das nur ein großes Schloss!“ Klärte Madleen auf.

„Na, nicht direkt. In einem Gebäude neben dem Schloss. Aber vielleicht werden wir bald zusammen dort wohnen.“

„Oh ja. Du bist lieb. Mit dir wohne ich gern zusammen.“ Bekundete Tessa damit ihre Zustimmung.

„Na, dann wäre doch alles geritzt. Larissa wird heute noch bei uns einziehen.“

Für Madleen war die Angelegenheit damit geregelt.

Die drei ließen sich mit dem Essen Zeit, auch wenn Larissa immer wieder ihre Armbanduhr betrachtete. Ihre Arbeitszeit ließ eine solch lange Mittagspause eigentlich nicht zu. Aber solange Madleen nichts dagegen einzuwenden hatte, schien das in Ordnung.

 

Nach dem Essen eilte Larissa schnellen Schrittes auf ihre Unterkunft in der alten Schnapsfabrik zu.

Schnell hatte sie ihre wenigen Utensilien zusammengepackt und entfloh ihrer bisherigen Behausung.

Madleen erwartet sie schon im Foyer, sie benutzten den Aufzug in Richtung 3. Stockwerk und schon fanden sie sich in der Wohnung wieder.

„Das ist umwerfend schön hier. Ich hätte mir nie träumen lassen einmal in diesen Räumen mein Quartier aufzuschlagen. Ich finde einfach keine Worte.“

Larissa kam aus dem Staunen nicht mehr raus.

„Lass es einfach auf dich wirken. So, hier ist dein Zimmer. Ich hoffe es genügt deinen Ansprüchen.“

Madleen öffnete eine Tür und wies die Freundin an einzutreten.

„Meinen Ansprüchen? Das ist weitaus mehr.“

„Richte dich erst mal in Ruhe ein. Lass dir Zeit. Im Wohnzimmer, das du selbstverständlich jederzeit nutzen kannst, findest du alles was du brauchst. Fernseher, wenn du magst, aber kommt eh nur noch Unsinn raus. PC, alles was dazu gehört. Eine Tür weiter findest du Bad und Toilette. Zu blöd das ich jetzt schon gehen muss. Aber da gibt es einen Empfang heute Abend, den ich nicht absagen kann. Lästig, sehr lästig. Würde viel lieber den Abend mit dir verbringen. Holen wir morgen nach, versprochen, dann feiern wir deinen Einzug.“

„Ja gern!“

Nach einer Weile verabschiedete sich Madleen und entschwand in den Weiten des großen Gebäudes.

Nun war Larissa mit sich allein. Solange es noch Tag war kein großes Problem. Doch mit Einbruch der Dämmerung wurde es ihr schon unheimlich, so ganz allein, in diesem weitläufigen Gemäuer.

Es wurde bewacht, doch man konnte ja nie wissen, wer sich hier so alles herumtrieb.

Sie schritt zum Fenster und blickte in die Ferne.

Der Ausblick war atemberaubend. Die nahen Berggipfel waren vom milden Glühen der untergehenden Sonne übergossen und warfen tiefe Schatten über den Wald darunter.

Die Sonne schwebte eben über den Rand der Welt, und während Larissa weiter zuschaute, zersplitterte das Bild in schimmernde Lichtstreifen.

Sie verharrte noch lange im ehrfürchtigen Schweigen, solange bis die Dunkelheit die Oberhand gewann.

Sie betätigte die Stehlampe und schloss die Vorhänge. Dann schritt sie noch einmal durch die Wohnung, Tessas Zimmer, akkurat aufgeräumt, gleich daneben Elenas und Madleens Schlafzimmer.

Larissa konnte nicht widerstehen und nahm auf dem Bett Platz. Jenes Bett indem noch vor gar nicht langer Zeit das berühmteste Frauenpaar der gegenwärtigen Zeitgeschichte seine Nächte verbracht hatte.

Larissa schloss die Augen und es schien, als könne sie die beiden schönen Frauen vor sich sehen,  wie sie einander liebten.

Da wurde ihr die derzeitige Situation wieder voll bewusst. Mit einer der beiden war sie seit dem Morgen des Tages befreundet. Nie hätte sie sich das träumen lassen, sie, deren Aufnahmegesuche in die begehrte Runde mit aller Regelmäßigkeit abgelehnt wurden und somit alle Träume zum Platzen brachten.

Aber es war kein Traum, es war ganz real. Madleen hatte ihr die Freundschaft angeboten und nun war sie hier. Ging das alles zu schnell, sollte sie sich vor der Zukunft fürchten?

Sie ging zunächst ins Bad, danach auf ihr Zimmer. Schlaf würde sie kaum finden, viel zu aufgewühlt war ihre Seele. Trotzdem legte sie sich hin und schlang die Decke um sich, wälzte sich von einer zur anderen Seite

Die Zeit war weit fortgeschritten als plötzlich ihr Handy piepte.

Erschrocken fuhr Larissa nach oben. 1.30 Uhr. Wer konnte das zu dieser Stunde sein?

Es meldete sich Madleens sanfte Stimme.

„Hast du schon geschlafen? Habe ich dich etwa geweckt? Ich wollte mich nur erkundigen, wie es dir geht. So ganz allein, dort drüben in der Einsamkeit.“

„Nein, ich habe noch nicht geschlafen. Schön, dass du dich meldest. Ist ein wenig einsam und ungewohnt, um nicht zu sagen unheimlich so ganz allein hier. Aber ich werde die Nacht schon überstehen. Am Morgen werden wie uns ja sehen. Du kommst doch morgen?“

„Ja, selbstverständlich! Ich würde jetzt noch zu dir kommen. Aber das wäre zu riskant. Ist wirklich ein wenig blöd so allein. Ich kann dich verstehen. Ab morgen werde ich dir da drüben Gesellschaft leisten.“

„Das wäre toll, ich freue mich.“

„Ich auch! Nun, versuch ein wenig zu schlafen und träum was Schönes.“

„Das werde ich tun! Gute Nacht!“

 Larissa ließ sich in die Kissen fallen.

Plötzlich schien die Angst wie weggeblasen. Unglaubliches Glücksgefühl überflutete sie wie ein warmer Strom. Ihr Gesicht überzog sich mit hellem Lachen. Sie streckte ihre Glieder aus und stöhnte dabei auf.

Madleens Gedanken weilten auch in den tiefsten Nachtstunden bei noch bei ihr. Fortuna war im Begriff den ganzen Inhalt ihres Füllhorns über ihrem Haupte aus zu gießen.

Ihr Herz klopfte und ihr Puls raste. Nun würde sie schon ganz und gar nicht in den Schlaf finden, doch das war ihr egal.

Madleen war ein fleischgewordener Traum. Alle Mädchen des Landes blickten voller Ehrfurcht zu ihr auf und wollte so sein wie sie. Schon als Frau an Elenas Seite. Nun würde sie bald Kaiserin sein.

Und sie, Larissa, durfte am Tische dieser Göttin sitzen.

Innere Ruhe und Müdigkeit stellten sich nun doch noch ein.   

Das Zimmer begann vor ihren Augen zu verschwimmen und die sanften Wogen des Schlafes trugen sie mit sich fort.

 

Auch Madleen begab sich zur Ruhe. Sie hatte den langweiligen Empfang zu ihren Ehren über sich ergehen lassen und war froh dieser verstaubten Gesellschaft entronnen zu sein, nachdem sie erfolgreich eine Migräne vorgetäuscht hatte.

Sie dachte an Larissa, dass hatte sie den ganzen Abend getan. Sie mochte die junge Frau sehr. Konnte sie nach so kurzer Zeit schon von Verliebtheit sprechen? Larissa war nicht Elena, der konnte sie kaum das Wasser reichen. Doch darum ging es nicht. Warum sich nicht eine Geliebte nehmen. Was war schon dabei? Elena würde ihr das auf keinen Fall vorwerfen, Elena am allerwenigsten. Selbst Cassian könnte mit einer weiblichen Gefährtin an der Seite seiner Frau leben, wenn sie natürlich ihre ehelichen Pflichten nicht dabei vergaß und ihm den angemessenen Raum zu Verfügung stellte. Ein männlicher Geliebter würde das hingegen kaum lange überleben.

Soweit so gut.

Doch da tat sich ein Problem ganz anderer Natur auf. Madleen gedachte zu fliehen. Den Plan hatte sie schon im Winter ausgeheckt und nur deshalb noch nicht in die Tat umgesetzt, weil die geplante Hochzeit nebst Krönung immer wieder hinausgeschoben wurde. Natürlich hatte sie auch Angst. Deshalb musste alles gut durchdacht sein.

Larissa kam ihr nun in die Quere. Eine völlig veränderte Situation. Erst jetzt wurde sich Madleen der ganzen Tragweite bewusst.

Larissa hierlassen, gemeinsam mit ihr fliehen, oder selbst hierbleiben und sich in ihr Schicksal fügen. Das waren die Möglichkeiten. Sie musste eine Wahl treffen.

Welch verschlungene Wege doch das Schicksal oft zu bieten hatte. Unbewusst befand sich Madleen in einer ähnlichen Situation wie Elena zur gleichen Zeit.

Schließlich senkte sich der Schlaf über sie und wischte die letzten Gedanken fort.

 

Der Morgen des Folgetages begann wie immer. Frohen Mutes machte sich Madleen in Richtung Abtei auf den Weg.

Die Farben des Sonnenaufgangs die sich mit grenzenloser Willkür über den Himmel ausbreiteten ließen sie innerlich aufleben. Der Frühling war doch eben die schönste Zeit im Jahr.

Und da war noch etwas anders. Dort drüben wurde sie erwartet, von einem Menschen, der ihrem Herzen Schritt für Schritt näher zu kommen schien.

Sie konnte es gar nicht erwarten in Larissas Augen zu blicken. Leichtfüßig schritt sie in den Garten und traf die neue Freundin schon bei der Arbeit an.

„Guten Morgen Larissa schon fleißig wie ein Bienchen, wie ich sehe.“

„Guten Morgen Madleen. Nun, ich bin recht spät dran. Habe doch tatsächlich verschlafen. So etwas passiert mir sonst nie. Ich denke das liegt an der neuen Umgebung.“

Gab die Angesprochenen zur Antwort.

„Kein Problem. Du brauchst dich bei mir nicht zu endschuldigen. Apropos! Wie war es denn in der neuen Behausung? Hast du dich schon ein wenig eingelebt?“

„Ja, es ist toll! Einfach toll! Wenn auch ein wenig unheimlich in dem alten Gemäuer.“

„Nun daran können wir etwas ändern. Ich werde dir heute Abend Gesellschaft leisten.“

Madleen wies auf die Reisetasche, die sie auf dem Boden abgestellt hatte.

„Und was ist mit Tessa?“ Wollte Larissa wissen.

„Die kommt gleich nach der Schule hierher, bzw, nachdem sie ihr Mittagessen verspeist hat.

Ich bereite uns beiden heute hier ein Essen. Hab ich früher ständig gemacht. Und ich darf doch nicht aus der Übung kommen.“ Erwiderte Madleen und ihr Mund formt sich wieder zu einem sanften Lächeln.

„Aber vorher helfe ich dir noch ein wenig im Garten. Ich verschwinde mal kurz, um mich umzuziehen.“

Madleen ließ Larissa mit sich allein um sich zu verwandeln, kehrte wenig später zurück und gemeinsam begannen sie ihr Tagwerk.

Dabei kamen sie sich immer näher und waren bald so vertraut wie zwei alte Freunde, die sich schon seit Ewigkeiten kannten.

 Natürlich wollte Madleen einiges in Erfahrung bringen über jene neue Freundin, mit der sie vieles zu teilen gedachte. Doch sie lies ihr dabei Zeit und drängte nicht mit neugierigen Fragen.

Die Zeit verging schnell und schon war es später Vormittag.

„Ich verabschiede mich erst mal in die Küche. Komm doch mal, sagen wir in einer Stunde nach.“

Madleen eilte in Richtung Konventsgebäude und wurde zur Köchin. Was würde wohl

Gerlinde dazu sagen, wenn sie die künftige Kaiserin in einem solchen Aufzug sah. Doch das spielte jetzt keine Rolle. Beim Essen glaubte Madleen die neue Freundin noch ein wenig näher zu kommen.

Seit langer Zeit wieder ein Essen zubereiten. Wie oft hatte sie hier auf Elena gewartet, um sie nach einem anstrengenden Tag mit ihren Kochkünsten zu verwöhnen. Würde jene Zeit jemals wiederkehren?

Madleen wollte nicht darüber nachdenken, sondern sich der realen Gegenwart stellen und jene Gegenwart hieß Larissa.

Pünktlich auf die Minute erschien diese in der Tür.

„Wau, auf dich kann man sich wirklich verlassen. Das Essen ist gerade fertig geworden. Setz dich und lass es dir schmecken. Elena war bei weitem nicht so pünktlich, die Staatsgeschäfte , verstehst du? Aber wir haben das stets gut ausgefochten.“

„Ich möchte mir vorher noch die Hände waschen. Da ist ne Menge Erde dran.“

„Ja natürlich, du findest das Bad.“

Schnell war Larissa zurück und platzierte sich am Wohnungstisch.

„Du hast damals auch gekocht? Du als Frau der Kanzlerin?“

„Aber ja! Wir führten ein normales Leben, keineswegs abgehoben, wie vermutet. Natürlich hatte ich Hilfe von den Schwestern, wenn ich denn welche nötig hatte.“ Antwortete Madleen während sie Larissa den Bohneneintopf auftischte.

„Hmm, riecht gut. Und schmecken tut es auch.“ Larissa löffelte mit viel Appetit.

„Du bist eine gute Köchin. Ich kann mich da nicht messen. Klappt halt so mehr oder weniger.“

Madleen honorierte das mit einem Augenzwinkern.

„Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?“ Traute sich Larissa.

„Ja, immer raus damit!“

„Bist du glücklich, so wie du jetzt lebst?“

Madleen schwieg zunächst. Larissa hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Sie besaß die Gabe mit einer Frage ins Herz der Sache vorzudringen. War es falsch von ihr diese Frage zu stellen. Würde ihr Madleen jetzt böse sein?

„Hmm! Eine direkte Frage!“

„Bitte entschuldige, ich wollte nicht so neugierig sein.“

„Aber nein! Du hast ganz recht getan mit deiner Frage. Wir wollen doch Freundinnen sein und die sind offen und ehrlich zueinander.

„Glück? Was ist das? Ich hatte alles Glück auf Erden an Elenas Seite. Eine schönere Zeit gab es nie in meinem Leben. Aber wie heißt es so trefflich in einem alten Sprichwort. Wenn es dem Esel zu wohl geht, dann geht er aufs Eis zum Tanzen.

So musst du dir meine Situation vorstellen. Ich habe alles weggeworfen, alles was mir Sinn und Halt im Leben bot. Wenn du es so sehen willst, habe ich mich selbst weggeworfen.

Madleen die Kaiserin von Melancholanien? Wenn ich das tue, mache ich mich zur Karikatur. Nein Larissa, ich bin nicht glücklich. Und ich glaubte ich würde es nie wieder sein und war bereit mich aufzugeben.

Ja, bis gestern Vormittag. Seitdem beginnt sich alles in mir zu drehen und ich schöpfe wieder Hoffnung. Seit du in meine Leben getreten bist.

Madleen legte ihre Hand auf Larissas Hand und drückte diese ganz sanft

„Ich? Aber wer bin ich? Eine kleine Gärtnerin, die froh sein kann diesen Job ergattert zu haben. Ich…ich habe nicht mal Abitur.“

„Ich habe meines auch erst bei Elena nachgeholt, nachdem ich in ihr Leben trat. In gewisser Weise verlief das ähnlich wie bei dir. Auch ich nahm alle Strapazen auf mich, nur um in ihrer Nähe sein zu können. Aber ich denke, ich brauche dir das nicht noch mal zu berichten. Du bist mit Sicherheit gut über meine Biographie unterrichtet?“

„Ja, das bin ich. Ich habe mich sehr genau über euer Leben informiert.“

„Dann ist dir ja auch bekannt, dass ich mit 4 Brüdern auf einem Bauernhof aufgewachsen bin und daher mit Land-und Gartenarbeit gut vertraut. Genauso habe ich dann auch in Anarchonopolis, in der Schwesternschaft, an Elenas Seite weitergelebt, wenn auch zugegebenermaßen unter etwas veränderten Bedingungen.“

„Ich stelle es mir fantastisch vor, so wie ihr euer Leben gestalten konntet. Ich wollte das auch, aber es gelang mir nicht. Es waren eben nur Schatten von Träumen die nie Wirklichkeit wurden. Aber jetzt sitze ich hier mit dir und kann es noch immer nicht recht glauben.“

Ein trauriges Lächeln huschte über Madleens Gesicht.

„Ja, gern hätte ich dich unter anderen Bedingungen kennen gelernt. Aber wichtig ist das wir uns gefunden haben, trotz der widrigen Umstände.“

Larissa hatte tausende von Fragen, doch die stockten ihr auf der Zunge. Madleen die doch alle beneideten, ob der glanzvollen Karriere, die vor ihr lag, war nicht glücklich mit ihrem Leben.

Eine Kaiserin wider willen also. Die offizielle Berichterstattung in den Medien verlor darüber kein einziges Wort. Nur sie, Larissa, die unscheinbare Gärtnerin von Alt-Anarchonopolis durfte dieses Geheimnis mit ihr teilen und darauf konnte sie durchaus mit einem gewissen Stolz blicken.

Sie sahen sich eine Weile schweigend an und löffelten dabei weiter ihre Suppe.

„Hmm, ich bin gesättigt! Der Eintopf war ausgezeichnet. Jetzt eine Weile ruhen, wäre nicht schlecht.“ Larissa strich sich über den Bauch.

„Ja, setzt dich in den Sessel oder leg dich hin. Ganz wie dir beliebt. Den Abwasch können wir auch später noch erledigen.“ Bot Madleen spontan an.

„Aber das geht doch nicht. Ich habe meine Pause eh schon überzogen. Ich muss doch arbeiten. Die anderen werden sich schon Gedanken machen, wo ich so lange verbleibe.“

Eine Sorgenfalte bildete sich auf Larissa Stirn.

„Aber Larissa, vor dir sitzt, wenn du soll willst, deine Vorgesetzte. Wenn ich dir erlaube Pause zu machen, dann ist das ok. Und es sei dir erlaubt, solange du magst. Niemand wird dich dafür zur Rechenschaft ziehen. Dafür werde ich schon Sorge tragen.“

Larissa fiel aus allen Wolken. Sie suchte nach Worten der Dankbarkeit, doch wollten die sich nicht so einfach finden lassen.

„Madleen, warum bist du so lieb zu mir?“ Brachte Larissa hervor und Madleen glaubte deutlich eine Träne in deren Augenwinkeln zu entdecken.

„Ganz einfach! Weil ich dich sehr gern habe. Und weil ich endlich wieder etwas Gutes tun kann, wenn auch nur für einen einzigen Menschen.“

„Aber du kennst mich gerade einmal einen Tag.“

„Das ist genug, um abschätzen zu können, dass du es verdient hast.“

Verlegen blickte Larissa zu Boden.

„Ich…ich möchte mich doch lieber wieder auf den Weg machen. Habe noch einiges zu tun unten. Ich muss das alles erst mal verarbeiten. So hat noch niemand mit mir geredet. Ich …ich glaube ich muss heulen. Ach, das ist zu blöd.“

Sie erhob sich und wollte sich zum Ausgang bewegen, doch Madleen hinderte sie daran.

„Larissa, komm zu mir!“

Die angesprochene gehorchte dem Befehl. Sanft wurde sie von Madleens Armen in Empfang genommen.

„Alles ist gut! Alles hat seine Richtigkeit. Lass dich darauf ein. Glaub mir, es wird uns beiden guttun. Hab keine Angst. Ich spiele nicht mit dir. Das würde ich dir niemals zumuten. Ich möchte dir eine Freude machen und mich selbst daran erfreuen. Las dich beschenken, und sei gewiss, es kommt von Herzen.“  

Larissa entwand sich der Umarmung und blickte in Madleens meerblaue Augen.

„Ich bin von einem tiefen Glücksgefühl durchdrungen. Ich habe sowas noch nie erlebt. Ich habe Angst, dass es ein Traum ist und ich plötzlich erwachen muss.“

„Keine Angst! Es ist kein Traum. Ich stehe wahrhaftig vor dir. Geh erst mal nach unten. Gib dich deinen Gedanken hin und der frischen Luft. Arbeite ein wenig, ich glaube das ist ganz gut im Moment. Ich werde hier oben sein. Diese Nacht wirst du nicht allein verbringen müssen. Tessa kommt später dann direkt hierher.“

Larissa verlies die Wohnung und begab sich wieder in den Klosterpark, dort arbeitet sie weiter bis in den Nachmittag hinein.

Was geschah mit ihr? Sie konnte sich nach wie vor keinen Reim darauf machen warum Madleen auf diese Art mit ihr verfuhr.

Ihr bisheriger Lebensweg war mit Dornen übersät. Sie war ein Aschenpudel wie aus dem Märchenbuch. Denn genauso verlief ihr Leben. Ihre Mutter starb als sie gerade einmal 10 Jahre alt war. Ein schmerzhafter Verlust, den sie nie überwand. Sie fühlte sich allein in einer Welt, die nicht die ihre war. Ihr Vater heiratete wieder. Die Stiefmutter brachte zwei Töchter mit in die Ehe, die sich nicht sonderlich viel aus ihr machten und nur auf sie herabblickten. Stehts fühlte sich Larissa überflüssig, so wie das fünfte Rad am Wagen. Sie ging und stand nicht richtig, alles was sie tat war falsch und wurde sofort getadelt oder in Frage gestellt.

Auch in der Schule lief es kaum anders. Stets und ständig wurde sie von den Mitschülerinnen gehänselt und verspottet, aufgrund ihrer  leichten Hakennase. Sie war das hässliche Entchen vom Dienst. Die Welt schien keinen Platz für sie zu haben. Sie sehnte sich nach echten Freunden, doch die kamen nicht. Als sie älter wurde sehnte sie sich nach Liebe und Zärtlichkeit, doch die blieb unerfüllt. Sie hatte auch einmal einen festen Freund, doch der spielte nur mit ihr und lies sie sehr bald allein.

Trotzdem glaubte sie lange Zeit an die Liebe, aber schmerzvoll hatte sie lernen müssen, je mehr man die Menschen liebt, desto mehr taten sie einem weh.

Viel zu früh musste sie in die Welt der Erwachsenen treten. Selten nur brach sich das Kind in ihr seinen Weg und verlieh ihren Träumen Flügel, aber immer nur wenn sie allein war.

Sie hatte immer nur sich selbst, war immer sie selbst, die sich aus der Finsternis ihres Selbstmitleids an das Licht der Erkenntnis führte.

Sie liebte sich wie keinen anderen Menschen, aber sie hasste sich auch mehr als sie je einen anderen Menschen würde hassen können.

Sie war genauso stark wie sich schwach war.

 Doch sollte das ihr Leben sein? Eine Insel im stürmischen Meer der Gezeiten?

Sie war noch jung, gerade einmal Anfang zwanzig. Ein Lebensabschnitt der noch Hoffnung in sich barg. Doch nach und nach begann sie den Glauben an sich zu verlieren.

Seit gestern begann sich die Welt im Kreis zu drehen.

Von Augenblick zu Augenblick begann sie sich mehr in Madleen zu verlieben. Zunächst war es eine völlig neue Erfahrung dass sie sich zu einer Frau hingezogen fühlte. Konnte das den Schlüssel zur Schatztruhe der Erfüllung bedeuten? Daran hatte sie vorher nie gedacht.

Eine Frau konnte sie erlösen und was für eine. Die künftige Kaiserin von Melancholanien, Madleen die Schöne, die sinnliche, die von Herzen lieben konnte.

War das Wirklichkeit? Zu oft schon wurde sie im Leben bitter enttäuscht. Warum sollte es diesmal anders sein. Doch sie wollte den negativen Gedanken nicht gestatten zu viel Raum einzunehmen. Einfach alles auf sich zukommen lassen schien im Moment wohl doch das Beste.

Manchmal muss man eben die Augen schließen, um besser zu sehen.

 

 

Am Larissa am späteren Nachmittag die Wohnung betrat, war auch die kleine Tessa anwesend und freute sich über die neue Freundin ihrer Mama Madleen.

„Hallo Larissa wohnst du jetzt wirklich bei uns? Oh, ich freue mich.“ Begrüßte Tessa Larissa überschwänglich.

„Danke! Naja, erst mal vorübergehend, würde ich sagen. Aber ich finde es schön, dass du dich darüber freust.“ Antwortete Larissa leicht verlegen.

„Aber warum nicht für immer? Mama, warum können wir nicht hier wohnen. Mir gefällt es viel besser als da drüben.“ Beschwerte sich Tessa.

„Na, jetzt sind wir doch erst mal hier, Prinzessin. Wie es weitergeht kann ich dir auch nicht sagen. Aber ich verspreche dir, dass ich mit Cassian darüber spreche, wenn er wieder da ist.“

Versicherte Madleen, auch wenn sie sich der Tatsache bewusst war, dass jenes Ansinnen wenig Aussicht auf Erfolg hatte.

„Von mir aus kann Cassian wegbleiben. Wann fahren wir endlich zu Tante Colette und den anderen? Ich möchte auch meine Mutti Elena wiedersehen!“

„Bald, mein Schatz! Das verspreche ich dir! Bald werden wir die anderen wiedersehen.“

„Bald, bei dir heißt es immer bald! Ich mag es nicht mehr hören!“ Schimpfte Tessa und stützte trotzig die Ellenbogen auf die Tischplatte.

Larissa schien es peinlich Zeugin dieser Auseinandersetzung zu sein. Sie konnte deutlich die Sprengkraft erkenne, die sich dahinter verbarg.

„Ich lass euch mal für ne Weile allein. Ich denke, es ist besser ihr tragt das unter euch aus.“

„Aber nein, Larissa. Tessa und ich sind in letzter Zeit häufig verschiedener Meinung, aber wir bekommen das immer wieder hin, nicht war mein Spatz?“

„Wenn du Cassian heiratest, dann laufe ich weg. Dann suche ich meine Mutti eben allein.“

Tessa erhob sich und ging weiter vor sich hin schmollend auf ihr Zimmer.

„Ja, somit hast du gleich einen tiefen Einblick in mein Dilemma.“

Wandte sich Madleen Larissa zu.

„Ähm… ich glaube es war doch keine so gute Idee, hier mit euch zu wohnen. Ich möchte nicht zum Zankapfel werden zwischen dir und deiner Tochter.“ Glaubte Larissa sich entschuldigen zu müssen.

„Unsinn! Du bist doch gar nicht Stein des Anstoßes. Sie mag dich sehr und das vom ersten Augenblick an. Es geht hier um einen Konflikt, der schon lange im Verborgenen schwelt. Sie mag Cassian nicht, das ist alles. Obgleich er Tessa gut behandelt, das steht außer Frage. Aber sie möchte ihn nicht als Papa. Sie hat nie einen Vater kennengelernt, war fast ausschließlich von Frauen umgegeben. Du bist doch im Bilde? Oder?“

Madleens Frage irritierte Larissa.

„Was meinst du mit im Bilde?“

„Na das Tessa Elenas Tochter ist und nicht meine, auch wenn sie Mama zu mir sagt.“

„Ach so! Ja, natürlich ist mir das bekannt.“

„Als ich damals in Elenas Leben trat, das war kurz nach der Revolution und Neidhardts Machtergreifung, da war Tessa noch ein ganz kleines Mädchen, hatte gerade begonnen die ersten Schritte zu laufen. Als ich sie zum ersten Mal erblickte, schloss sie mich sofort in ihr Herz. Komisch, es war genauso wie beim dir gestern. Wie sich manchmal die Ereignisse gleichen.

Aber du musst wissen, sie vermisst Elena sehr. Die bevorstehende Hochzeit fürchtet sie ebenso sehr wie ich.“

„Aber warum heiratest du Cassian überhaupt, wenn du ihn nicht wirklich liebst? Ich verstehe das nicht!“

„Hmm, nun, ich werde Kaiserin sein. Gibt es etwas Höheres was ein Mensch im Leben erreichen kann? Warum sollte ich nicht seine Frau werden? Ich könnte mir jeden Wunsch erfüllen, mir und auch dir. Ich könnte versuchen meine Position zu nutzen, um Gutes zu bewirken für viele Menschen, ihnen Erleichterung zu verschaffen, das Leben in diesem Land erträglicher zu machen. Mäßigend auf den Tyrannen einzuwirken. Das ist er, ja das ist er ohne Zweifel. Du siehst, es hängt eine Menge davon ab.“

„Dein Glück hängt davon ab. Du willst dich opfern, für andere. Das finde ich nicht gut. Das finde ich gar nicht gut.“ Widersprach Larissa.

„Das hast du schön gesagt. Es tut mir gut so etwas zu hören. Seit du in mein Leben getreten bist finde ich das auch gar nicht mehr so schlimm. Du kannst mir dabei helfen zu vergessen und mich neu zu orientieren, du und nicht Cassian bist dazu imstande.“

„Du vermisst Elena auch, nicht wahr?“

„Unendlich! Jeden Tag 24 Stunden lang. Aber ich muss mich damit abfinden, dass es sie nicht mehr gibt.“ Bekannte Madleen freimütig.

„Du glaubst auch dass sie nicht mehr am Leben ist?“

„Nicht wirklich! Cassian hat diese Version, in die Welt gesetzt ,um ihren Mythos zu zerstören. So wie ich sie kenne, lebt sie irgendwo im Verborgenen und taucht irgendwann wieder auf, um erneut ins Geschehen einzugreifen. Aber das hat nichts mit mir zu tun. Ich habe sie verraten, sie im Stich gelassen als sie meiner am dringendsten bedurfte. Ich könnte ihr nie wieder unter die Augen treten. Nicht in diesem Leben.“

Traurigkeit spiegelte sich in Madleens Augen. Die Sehnsucht nach Elena war groß und nahm breiten Raum in ihrem Leben ein, dass erkannte Larissa augenblicklich. Doch warum glaubte Madleen, dass es keine Aussöhnung geben konnte.
Die Fragen lagen auf ihrer Zunge, doch sie wollte nicht weiter drängen, weil sie deutlich erkennen konnte, wie weh es Madleen tat darüber zu sprechen.

„Lass uns nicht weiter über die Vergangenheit sprechen. Las uns vielmehr in die Zukunft blicken und überlegen, wie wir fortan zueinanderstehen.“ Versuchte Madleen das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

So standen sie sich gegenüber und ihre Augen sagten was ihre Herzen auszusprechen im Moment noch nicht wagen konnten.

 

Der Abend verlief für alle ausgesprochen gemütlich und angenehm. Sie aßen zu dritt, danach machte sie ein paar Spiele und ließen Tessa meist gewinnen, was der aber sofort auffiel. Nachdem beide die kleine Prinzessin zu Bett gebracht hatten sahen sie sich noch die Spätausgaben der Nachrichten an. Lobeshymnen auf Cassian und die frohe Erwartung der baldigen Hochzeit waren auch diesmal wieder das Tagesthema, so als gäbe es nichts Wichtigeres. Madleen verfolgte jenes Szenario nur mit einem abschätzigen Lächeln. Larissa wagte diesmal nicht, sie darauf anzusprechen.

Schließlich begaben sich beide zu Bett, jede für sich und jede mit der gleichen tiefen Sehnsucht im Herzen und dem Bewusstsein, das es im Moment noch zu früh sei, aber auch nicht mehr allzu lange Zeit in Anspruch nehmen durfte.

 

Die folgenden Tage waren erfüllt von Heiterkeit und Glück. Das schöne Wetter des Wonnemonats machte seinem Namen alle Ehre.

Viel Zeit konnten sie im Freien verbringen. Madleen lud Larissa ständig zu allen möglichen Unternehmungen ein. Einmal unternahmen sie mit Madleens nagelneuer Luxuskarosse eine wilde Spritztour durch die Hauptstadt und die weitere Umgebung. Madleen war eine gute, aber auch risikofreudige Fahrerin. Aber Larissa vertraute ihr und die beiden hatten einen Mordsspaß dabei.

Ein andermal brachen sie in das nahe gelegene Gebirge zu einer Wanderung auf. Gut ausgerüstet mit Rucksack, Geländeschuhen und Wanderstab erklommen sie die ausgewiesenen Wanderwege und strebten noch darüber hinaus.

Der Weg führte durch einen Tannenwald hinauf und hier wurde das Sonnenlicht gebrochen so dass es leuchtend helle Inseln zwischen den dunklen Stämmen bildete.

Schließlich fanden sie sich auf dem baumlosen Hochplateau wieder und das Gefühl ungebremster Freiheit loderte in beiden Herzen auf.  Sie breiteten ihre Decken aus und nahmen auf dem Boden Platz. Lehnten sich zurück und schlossen die Augen. Als sie diese nach einigen Minuten der Ruhe wieder öffneten war die Wolkendecke aufgerissen und die Sonne kam wieder durch, wärmte die grünen Gräser mit ihren Strahlen und malte die Felsformation golden an.

Wäre das nicht der rechte Zeitpunkt sich der gegenseitigen Liebe zu versichern. Es lag an Madleen den ersten Schritt in diese Richtung zu tun. Doch sie versagte es sich vorerst noch.

 

Auch zu einem wahrhaft kaiserlichen Essen lud Madleen die neue Freundin ein, in einer der besten Spitzenrestaurants des Landes, in denen ausschließlich die obersten Chargen verkehrten.

Larissa staunte nicht schlecht, vor allem über die horrenden Preise. Es versteht sich von selbst, dass die beiden in einem eigens für das Kaiserpaar reservierten Separee ihre Speisen zu sich nahmen und von ausschließlich für sie bestimmten Kellnern bewirtet wurden.

Larissa fühlte sich deplatziert und Madleen konnte deren Unsicherheit deutlich spüren.

„Für mich ist das genauso ungewohnt wie für dich. Auch ich kann diesem kostspieligen Treiben nicht viel abgewinnen. Aber Cassian möchte das ich so etwas tue, das ich gesehen und bestaunt werde, dass ich die große Dame gebe in der Öffentlichkeit. Soll er nur. Er zahlt für unser Vergnügen. Also gib dich ungezwungen und genieße den Augenblick.“

Auch der Besuch von Boutiquen stand auf der Tagesordnung. Madleen überhäufte Larissa mit toller Kleidung jeglicher Art. Die Beschenkte fragte sich nur immer wann, zu welchem Anlass sie das alles tragen sollte.

Äußerte Larissa nur andeutungsweise einen Wunsch, sah sich Madleen sofort in der Pflicht diesen so bald als möglich zu erfüllen.

 

Doch auch die Arbeit ging weiter. Madleen hatte viele Aufgaben auf dem Gelände zu erfüllen, so dass sie nicht ständig mit Larissa zusammen war.

Doch etwa anderthalb Wochen nachdem sie einander begegnet waren glaubte Madleen den Augenblick für gekommen der Wahrheit ins Gesicht zu blicken.

Ein warmer trockener Tag. Larissa hatte den Rasen im Park gemäht und war dabei ordentlich ins Schwitzen gekommen.

Madleen glaubte sie damit erfreuen zu können, indem sie die Freundin zum Baden einlud.

Es gab in der untersten Etage des Konventsgebäudes einen Swimmingpool sowie allerlei weitere Möglichkeiten sich zu erfrischen, wie etwa Sauna Tauchbecken, Whirlpool und noch vieles mehr.

„Heute warst du aber ganz besonders fleißig. Das muss belohnt werden. Was hältst du davon, wenn wir beide am frühen Abend unserm Gemeinschaftsbad einen Besuch abstatten?“

„Hört sich gut an. Ich habe eine Abkühlung nötig!“ Stimmte Larissa freudig zu, während sie sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte.

„Fein! Da veranlass ich alles nötige. Ich denke wir essen eine Kleinigkeit dann kann es losgehen.“ Entschied Madleen.

„Ich bringe den Rasenmäher und alles Weitere unter. Dann muss ich den Arbeitsoverall ausziehen, bin total durchgeschwitzt.“ Meinte Larissa und setzte ihr Vorhaben in die Tat um.

Sie nahmen ihr Abendessen in der gewohnten Wiese ein, brachten Tessa ins Bett und erzählten ihr noch eine Gute Nacht Geschichte.

Endlich hatten sie Zeit füreinander. Madleen spürte eine gewisse Nervosität im Bauch, so als ob gerade ein paar Schmetterlinge abhoben. Der Zeitpunkt war gekommen, der Zeitpunkt für die ersehnte Nähe. Es lag auch ein gewaltiges Risiko in der Luft.  Erfolg war nicht garantiert. Es konnte auch schief gehen und die neue Freundin wäre für immer verloren. Dann gab es zwei Verliererinnen. Madleen war sich dieser Tatsache voll bewusst. Doch es musste heute

sein, eine bessere Gelegenheit würde sich kaum bieten. Cassian konnte schon morgen aufkreuzen, dann hatte sie ihm zur Verfügung zu stehen und Larissa musste für unbestimmte Zeit in den Hintergrund treten.

Wenn Cassian auch nie lange blieb und sie sich Hoffnung machen konnte das er bald wieder das Weite suchte. Bei ihm musste sie immer auf eine Überraschung gefasst sein.

Larissa betrat das schöne Ambiente des Gemeinschaftsbades etwas zaghaft. Madleen war noch nicht dort. Sie streifte ihren Bademantel ab und betrat zunächst die Dusche, um sich zu erfrischen. Sie konnte nicht widerstehen und stieg in den Swimmingpool und schwamm ein paar Runden in aller Ruhe.

Nach der Anstrengung des Tages eine wahre Wohltat. 

Sie bewegte sich zum Beckenrand und kletterte aus dem Pool, nahm an dessen Rand Platz und blickte auf das Wasser, das sich in kleinen Wellen auf den Rand zubewegte.

Schließlich öffnete sich die Tür und Madleen betrat die Schwimmhalle. Selbst in ihrem flauschigen weißen Bademantel sah sie noch verführerisch aus. Ihr langes schwarzes Lockenhaar fiel ihr in langen Wellen über die Schultern.

„Da bist du ja! Na? Warst du schon drinnen. Gefällt es dir?“

„Oh ja, ganz toll,“ Antwortet Larissa und blickte wie gebannt auf die Freundin. Als Madleen den Bademantel auszog stockte ihr der Atem, sie war nackt. Zum ersten Mal bekam Larissa diesen Traumkörper zu Gesicht. Diese herrlichen Rundungen, die ausladenden Hüften, die vollen Brüste, dieser elegante Gang, ja Madleen war eine wahrhafte Kaiserin. Sie betrat die Dusche, war recht schnell damit fertig.

Larissa blickte auf sich. Der Badeanzug war nicht gerade exklusiv und zudem schien er nicht recht zu passen.

„Ich ziehe ihn auch lieber aus. Was meint ihr Majestät, ähm Madleen meine ich.“

„Ja, ich denke so ist es viel angenehmer. Komm rein wir schwimmen erst ne Runde.“

Nachdem sich Larissa von der Last befreit hatte bewegte sie ihren Körper, der neben jenem von Madleen noch schlaksiger als sonst wirkte in das Becken. Die beiden tollten erst ein wenig herum, bespritzten einander und juchzten dabei auf.

Dann schwammen sie mehrere Runden, bis sie gemeinsam zum Beckenrand strebten.

„So nun eine Weile entspannen.“ Madleen ergriff Larissas Hand und gemeinsam schlenderten sie zum sprudelnden Whirlpool und nahem darin Platz.

Madleen lehnte den Kopf zurück und genoss die wohlige Wärme, die sie umgab.

„Hmmm, herrlich. Das nenne ich Entspannung pur!“

Larissa hatte sich in einer gewissen Distanz ihr gegenüber niedergelassen und blickte zu ihr.

„Aber warum so weit weg, Larissa. Komm! Setzt dich zu mir!“

Larissa folge der Einladung sehr gern.

Erste Berührung an den Armen, als sich Larissa neben Madleen platzierte.

Die künftige Kaiserin schenkte ihrer Gärtnerin wieder jenes verführerische Lächeln dass sie so sehr mochte. Etwas verlegen formten sich auch Larissas Mundwinkel zu einem Lachen.

„Du bist wunderschön Madleen. Dein Körper ist ein Traum. Du wirst eine wunderbare Kaiserin. Eine schönere hat es wohl nie gegeben. Ich kann da kaum mithalten.“ Frustriert ließ Larissa ihre Handflächen über ihre kleinen Brüste streichen.

„ Sieh mich doch an. Viel zu dünn! Mein Körper gibt nicht allzu viel her! Naja und die Nase!“

„Aber nein! Überhaupt nicht! Du bist dünn, ja und? Mir gefällt dein Köper ausgezeichnet Du hast kräftige Muskeln, bist sportlich durchtrainiert. So etwas mag ich ganz besonders. Und dieses Näschen finde ich  einfach nur süß.“ Widersprach Madleen energisch und stubbste  Larissas Nase.

„Du machst mich ganz verlegen Madleen!“

Plötzlich rückte die künftige Herrscherin zu Larissa schlang ihren Arm um deren Schulter und zog sie zu sich.

„Komm! Komm in meine Arme!“

Sanft fuhr Madleen mit der Handfläche durch Larissas dünnes Haar, dann die Schultern hinab und über den Rücken.

Weit öffnete sich Larissas Herz, um Madleens Wärme aufzunehmen. Sie bebte förmlich, eine noch nie gekannte Erregung bemächtigte sich ihrer und durchfuhr ihren ganzen Körper. Es schien als habe sie ein ganzes Leben nur auf diesen einen Moment gewartet Eine ganze Weile verharrten sie auf diese Weise. Immer tiefer schmiegte sich Larissa an den weichen, geschmeidigen Körper der Freundin.

Plötzlich wandte sich Madleen ihr zu. Larissa erkannte deutlich das Funkeln der Liebe in Madleens blauen Augen.

Madleen nahm Larissas Kopf in beide Hände und drückte ihre vollen, weichen Lippen sanft auf deren Mund.

Ihre Zungen fanden sich und begannen miteinander zu tanzen. Ein Akt voller Zärtlichkeit, aber ebenso leidenschaftlich.

Endlich fasste auch Larissa ihren Mut und schlang ihren Arm um Madleens Taille, zog sie näher zu sich heran. Dann strich sie über deren Brüste.

Minuten vergingen. Keine war imstande von der anderen abzulassen.

„Komm lass uns tiefer ins Wasser gehen!“ Schlug Madleen plötzlich vor und Larissa folgte nur all zu bereitwillig in der Tiefe des Beckens. Nun wurde es immer sinnlicher und wilder.

Sie pressten ihre Körper aneinander und tasteten ihr Gegenüber voller Begierde ab,während sie von den warmen Fluten sanft umspült wurden.

Madleens Lippen fuhren sanft über Larissas Brustwarzen. Sie spürte wie beide unter der Berührung hart wurden und sich das Feuer zwischen ihren Schenkeln entzündete.

Sie küssten sich wieder und wieder und ertasteten dabei weiter ihr Gegenüber.

„Komm lass uns gehen. Erst abtrocknen, die Haare föhnen und dann nach oben. Nach dieser Vorspeise habe ich einen wahnsinnigen Heißhunger auf das Hauptgericht.“

Larissa folgte ihrer Meisterin schnellen Fußes. Schnell rieben sie einander trocken und föhnten die Haare, schlüpften in ihre Bademäntel und eilten über den Flur des Konventsgebäudes. Ihre hastigen Schritte hallten in den langen Gängen wider.

Vor der Wohnungstüre angekommen presste Madleen den Zeigefinger auf ihre Lippen.

„Psst, wir müssen leise sein. Ich möchte Tessa nicht wecken. Sie wird noch früh genug von uns erfahren.“

Sie schlichen in den Flur und hatte das Schlafzimmer erreicht.  

Mit einem Ruck entledigten sie sich ihrer Bademäntel und fielen gemeinsam in die weichen Daunenfederbetten.

Madleen krallte sich in Larissas Nackenhaar und flüsterte.

„Warte mein Liebes, ruhig. Ich bin gleich bei dir.“

Madleen spielte auf ihr wie auf einem kostbaren Instrument.

Behutsame Fingerspitzen glitten über Larissas Körper, reizten sie, liebkosten sie, während sie sich gegen seitig den Atem nahmen.

Madleen genoss es der Geliebten so viel Lust zu bereiten Auch Larissa gedachte auf diese Art zu verfahren. Sie wollte Madleen streicheln, in sie eindringen, sie befriedigen, aber diese hielt sie fest, presste ihren Körper auf den der Geliebten und zwang sie sich ihrer eigenen Lust hinzugeben.

Larissa war ein einziges Feuer, stoßweise ging ihr Atem, stöhnte sie, gab sich voll und ganz der Ekstase hin.

Hände, überall Hände, an ihren gesamten Körper. Madleen schien überall zu sein. Ein Mund, dessen Zunge mit ihren Brustwarzen spielte, leckte, saugte. Larissa schrie, als ein Finger in sie eindrang.

Sie wusste nicht mehr wo sie war, wer sie war.

Wollige Schauer jagten über ihren Körper und es gab nur noch Hingabe. Ihr Herz raste.

Larissa spürte eine Zunge, die ihr feuchtes Delta leckte. Sie ergab sich den Zuckungen ihres Leibs, zog Madleen auf sich und umklammerte sie.

Madleen trieb sie voran, jagte sie von einem Höhepunkt zum anderen.

Schließlich verebbte der Sturm und Larissa lag schnaufend und schweißgebadet in den Armen der Geliebten.   

In heftigen Zügen hob und senkte sich ihr Brustkorb.

Madleen hielt sie im Arm, strich sanft durch ihr schweißnasses Haar, über die glühenden Wangen und über die Nasenspitze.

Nach einer Weile griff Larissa nach Madleens Hand, ihre Finger krallten sich ineinander und drückten sich ganz fest.

Schließlich schlangen beide ihre Arme und Beine um ihr gegenüber, sie waren eins in diesem Moment der völligen Entspannung

Total erschöpft, aber überglücklich kuschelten sie sich aneinander und schliefen ein.

 

Als Larissa am Morgen erwachte glaubte sie noch immer zu schweben. Sie streckte ihre Glieder und gähnte dabei laut auf. Sie griff zu ihrer Rechten und erhoffte Madleens Traumkörper dort zu fühlen, doch da war niemand. Erschrocken fuhr sie in die Höhe. War etwa alles nur ein Traum. Nein, das konnte nicht sein.

Ihr Blick fiel auf den Radiowecker. Schon halb neun. Sie musste zur Arbeit, eigentlich hätte sie schon vor einer Stunde dort antreten müssen.

Gerade wollte sie sich erheben, als sich die Tür öffnete und Madleen das Zimmer betrat.

Gekleidet in ein verführerisches Neglige. Auf den Armen trug sie ein Tablett mit allerlei Geschirr. Der Duft von frischen Brötchen und Kaffee drang in Larissas Nase.

„Schön, dass du schon wach bis, meine Maus. Du hast so schön geschlafen, da konnte ich dich einfach noch nicht wecken. Tessa ist gerade zur Schule gefahren wurden. Wir machen es uns noch mal richtig gemütlich und frühstücken im Bett. Habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan.“

Sprach Madleen, während sie das Tablett kunstvoll auf der Decke platzierte und sich dann neben Larissa niederlies.

„Ich habe das überhaupt noch nie getan in meinem Leben.“ Erwiderte Larissa noch immer voller Verwunderung.

„Na dann wird es höchste Zeit, denke ich!“

„Lieb von dir Madleen, wirklich lieb, ich freue mich ja auch. Aber ich muss zur Arbeit, ich bin eh schon spät dran.“

„Nix da! Du hast heute frei! Die künftige Kaiserin von Melancholanien gewährt dir einen Tag Urlaub, bezahlten, versteht sich.“

„Wenn du meinst!“

„Ich meine! Ich hoffe dir schmeckt das Frühstück?“

„Hmm sieht lecker aus.“ Larissa begann sich ein Brötchen zu schmieren, Madleen schenkte Kaffee in zwei Tassen, während zwei paar nackte Füße am unteren Ende der Decke hervorlugten und miteinander zu raufen begannen.

„Was ich fragen wollte, kleine Maus. War ich dir zu stürmisch? Habe ich dich am Ende überrumpelt?“ Wollte Madleen wissen.

„Nein, nein, ganz und gar nicht. Ich ….ich ..ähm… ich habe es voll genossen. Es kam so schnell, dass ich…. Nein, heimlich habe ich darauf gewartet.“ Sprach Larissa mit vollem Mund.

„Na, da bin ich aber froh!“ Madleen drückte ihre Lippen auf Larissa Wange, dass es nur so schmatzte.

„Ich bin immer noch ganz benommen! Es war so schön. Noch nie habe ich mich so wohl gefühlt in meinem Leben. Ich hätte nie gedacht, dass es mit einer Frau so wunderbar sein kann.“

Tiefe Begeisterung sprach aus Larissa Worten.

„So dass heißen, dass ich deine erste bin?“

„Ja!“ Antwortet Larissa etwas verlegen.

„Nun, wenn ich das gewusst hätte wäre ich bestimmt etwas behutsamer vorgegangen.“

„Nein, es… es war genau richtig! Mach dir keine Gedanken.“

Madleen legte ihren Arm um die Geliebte und zog sie sanft zu sich herüber.

„Also, wenn wir gefrühstückt haben, duschen wir gemeinsam, ziehen uns an und überlegen was wir tun könnten. Ein schöner Tag, den sollten wir im Freien verbringen!“

„Ja gern! Wenn ich tatsächlich frei habe.“

„Fein, aber erst in Ruhe fertigessen.“

Nachdem sie zu Ende gefrühstückt hatten räumten sie das Tablett beiseite und nahmen sich noch einmal in die Arme.

„Madleen! Ich habe Angst!“

„Wovor denn mein Schatz?“ Wollte Madleen wissen, während sie sanft über Larissas Kopf strich.

„Weil es zu gut läuft. Viel zu gut. Ich hatte immer nur Pech in meinem Leben. Noch vor ein paar Tagen hatte ich kaum Hoffnung. Dann tratst du in mein Leben. Ich habe die schönste Nacht meines Lebens hinter mir und vor wenigen Augenblicken brachte mir die künftige Kaiserin das Frühstück ans Bett. Das kann doch alles nur ein Traum sein. Ich habe Angst das er bald wie eine Seifenblase platzt.“

„Hab kein Angst, Liebste. Ich habe dir doch gesagt. Ich spiele nicht mir dir. Ich meine es ernst. Ich habe mich in dich verliebt. Ich werde stets zu dir stehen, ganz gleich was auch geschehen mag. Ich lasse dich nicht fallen, nicht nach dieser Nacht.“

„Ich möchte es so gerne glauben. Aber du wirst bald Kaiserin sein und dann wird alles anders.

Dann stehst du erst recht in der Öffentlichkeit. Was soll dann aus mir werden?

„Ich habe dir auch gesagt, dass Cassian nicht unser Problem ist. Ganz gleich ob ich ihn heirate oder nicht. Er wird nicht zwischen uns stehen. Ich liebe ihn nicht. Ich habe es mir eine Zeitlang eingeredet. Aber das ist lange vorbei. Sollte ich seine Frau werden, was noch gar nicht feststeht, werde ich meine Pflichten erfüllen, die von mir erwartet werden, aber mein Herz wird immer bei dir liegen.“

Doch Larissa wollte sich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben. Auch sie sah in Cassian nicht das Hauptproblem. Nein, Madleen liebte Elena noch immer und das wog bedeutend schwerer.   

„Meinst du nicht, dass dein Herz schon lange vergeben ist. Ich glaube auch dass Elena noch am Leben ist. Sie wird zurückkehren. Noch vor ein paar Tagen habe ich mir das so sehr gewünscht. Aber heute? Sie wird kommen und du wirst zu ihr zurückkehren. Dann werde ich vergessen sein. Ich werde dich verlieren, so wie ich in meinem bisherigen Leben stets verloren habe. Ich kann es nie und nimmer mit ihr aufnehmen und ich will es auch gar nicht.

Larissa zog die Beine an ihren Körper, umfasst sie mit ihren Händen und starrte traurig auf die Bettdecke.

„Ja, du hast den wunden Punkt angesprochen. Du bist klug, du hast das Problem durchschaut.

Es ist richtig! Ich liebe Elena noch immer. Ich werde sie immer lieben.  Ich denke,sie wird in der Lage sein mir meine schwere Schuld zu vergeben. Es könnte wieder so wie früher sein. Es könnte. Auch ich befinde mich in einem Dilemma. Seit du in mein Leben tratst, ist alles anders. Ich liebe dich auch. Das ist die Wahrheit. Ich möchte dich nicht verlieren. Nein, du bist nicht Elena, das ist wahr. Ich würde dich nie mir ihr vergleichen. Warum auch? Du bist Larissa und als solche liebe ich dich. So wie du bist. Genauso bist du richtig!“

Larissas Augen füllten sich mit Tränen, die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Ich bin eine Verliererin. Ich weiß das! Alles nur ein schöner Traum. Du wirst mir wehtun, auch wenn du es nichts mit Absicht tust.“

„Hey, komm zu mir. Komm in meine Arme.“

Madleen breitete die Arme aus und nach einigem Zögern kam Larissa der Bitte nach und kuschelte sich sanft an die geliebte Freundin. Madleen zog sich zu sich und strich ihr zärtlich durch das Haar.

„Also, wenn du dich mit den Gepflogenheiten vertraut gemacht hast, die wir in Anarchonopolis praktizierten, wird dir sicher nicht entgangen sein, dass wir eine polyamore Lebensweise praktizierten. Du weißt was das ist?“   

„Die freie Liebe! Viele von den Bewohnern leben in Mehrfachbeziehungen!“

„Richtig! In unserer Gemeinschaft gab es bzw. gibt es alle nur erdenklichen Beziehungsmuster. Singles, normale Paar, aber auch Dreier oder Viererbeziehungen.

Elena und ich waren uns von allem Anfang an darüber einig, dass wir einander nach Möglichkeit eventuelle Nebenbeziehungen akzeptieren wollten. Das ist nicht einfach, aber es ist möglich, wenn wir ein festes Prinzip nicht übertreten!“

„Und was wäre das für ein Prinzip?“ Wollte Larissa wissen, während sie mit ihren Zeigefinge Madleens Bauchnabel kitzelte.

„Es darf keine Verlierer geben! Kein Mensch sollte unter der Eifersucht leiden oder gar an ihr zugrunde gehen!“ Gab Madleen zur Antwort.

„Aber wir können doch unsere Gefühle nicht einfach ausschalten, so wie wir einen Lichtschalter betätigen.“ Hinterfragte Larissa.

„Das ist richtig! Und glaube mir es gab am Anfang viel Leid in unserer Gemeinschaft deretwegen. Doch irgendwann schien es tatsächlich zu funktionieren. Wie? Kann ich bis heute nicht sagen. Es ergab sich einfach. Du müsstest mit denen darüber sprechen, die auf diese Weise leben. Ich muss zu meiner Schande gestehen dass ich selbst keinen polyamoren Lebensstil führte. Elena war mir stets genug. Es gab genügend Möglichkeiten , aber ich wollte nicht. Bisher, doch seit ich dich kenne ist nun alles anders.“

„Und Elena? Wie war es mit ihr? Hat sie andere neben dir geliebt?“

„Ja, aber auch das ist nicht einfach zu erklären. Sie praktizierte den therapeutischen Beischlaf mit vielen, die sie auf diese Weise von ihren seelischen Leiden kurieren konnte. Du kannst dir unter dem Begriff etwas vorstellen?“

Larissa signalisierte nickend ihr Verstehen.

„ Das kann man im Grunde nicht rechnen. Da gab es noch ihr Verhältnis zu Neidhardt, das ich stets tolerierte. Aber der verschwand ja bekanntlich bald nach Elenas Machtübernahme.

Wenn sie noch lebt, wovon wir beide ja ausgehen, wird sie mit Sicherheit jemand gefunden haben. Für mich wäre das vollkommen in Ordnung. Ebenso würde sie unsere Beziehung gutheißen, vor allem wenn sie dich kennen lernen könnte. Ich gehe davon aus, dass ihr beide euch mögen würdet.“

Larissa kuschelte sich noch etwas näher an die Geliebte.

„Ja, wenn da so wäre? Wenn das tatsächlich funktioniert, dann wäre alles in Ordnung. Aber ich kann es mir nur schwer vorstellen. Vor allem wenn die Liebe noch jung ist, so wie bei uns.“

„Wir sollten uns nicht zu viel Gedanken machen. Im Moment sind das noch ungelegte Eier.

Ich weiß nicht mit Gewissheit, ob Elena noch lebt, auch wenn ich es so sehr hoffe. Wenn ja, wie wird sie wirklich reagieren? Hat sie sich etwa verändert? All das müssen wir einfach auf uns zukommen lassen. Zunächst muss ich die lästige Angelegenheit mit Cassian klären. Auch da konnte ich bis jetzt keine Entscheidung treffen. Ich nahm mir vor die Hochzeit platzen zu lassen und gemeinsam mit Tessa zu fliehen, nach Deutschland, dort wo Colette mit den anderen Schwestern lebt. Hätte ich dich nicht getroffen wäre mir die Entscheidung leicht gefallen. Doch nun ist alles viel komplizierter. Ich möchte dich äußerst ungern allein lassen. Es sei denn du könntest mit mir kommen.“

„Ich weiß nicht, ob ich das will. Ich liebe diesen Ort. Ich wollt immer nach Anarchonopolis. Nun bin ich hier angekommen. Auch wenn die Schwestern nicht mehr hier leben. Ich fühle mich sehr wohl hier und möchte nicht schon wieder weg. Andererseits, mit dir zu gehen wäre eine Überlegung wert. Ach, es ist alles so schlimm. Ich weiß nicht was ich tun möchte, außer mit dir zusammen sein und dich lieben.“

„Genau das möchte ich auch, von ganzen Herzen. Willige ich in die Hochzeit ein und werde Cassians Frau, dürfte es nicht all zu schwer sein, dich als Geliebte zu haben. Ich könnte sogar mit ihm darüber reden. Glaub nur ja nicht dass ich die einzige bin. Der hat mit Sicherheit ein halbes Dutzend Mätressen. Wir könnten uns regenmäßig treffen und unser Leben gestalten. Aber wohl ist mir bei dem Gedanken nicht gerade.“

„Mir auch nicht!“ Bestätigte Larissa.

„Aber heute ist heute. Lass uns ein andermal darüber sprechen. Dann wenn tatsächlich eine Entscheidung ins Haus steht. Heute wollen wir den Tag noch mal genießen. Also du hast frei, wie ich schon sagte. Was wollen wir gemeinsam unternehmen?“ Versuchte Madleen das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

„Wie wäre es mit einer Wanderung? Draußen sein, die Sonne genießen, danach wäre mir im Moment!“ Schlug Larissa vor.

„Gute Idee! Dann machen wir das! Ich denke, das bringt uns beide auf andere Gedanken.“

Bekundete Madleen ihre Zustimmung.

 

Schließlich setzten sie ihr Vorhaben in die Tat und entflohen in die Weite des Gebirges.

Es wurde ein schöner Tag voller Sinnlichkeit und Glück.

Erst am Nachmittag waren sie wieder vor Ort.

Nun musste Madleen notgedrungen in die Villa, um nach dem Rechten zu sehen. Hin und wieder sah sie sich dazu gezwungen, um nicht allzu große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Es war früher Abend und die Sonne bereits im Dämmerlicht versunken, als sie sich schweren Herzens auf den Weg begab, in der Hoffnung so bald als möglich wieder zurückzukehren, um die Geliebte in die Arme zu schließen.

Ein ungutes Gefühl bemächtigte sich ihrer schon als sie sich auf den Zielort zubewegte.

Schon vom Weiten drang ein Gemurmel an ihre Ohren und als sie um die Ecke bog fuhr ihr der Schreck direkt ins Herz. Vor der Villa parkte unverkennbar Cassians schwarze Staatskarosse. Etwa zwei Dutzend Sicherheitsbeamte hatten sich vor dem Haus versammelt.

Madleens Gemütsverfassung schwanke zwischen Angst und Wut und es schien, als ob sich beide die Waage hielten.

Als sie sich schließlich ihren Weg durch die Ansammlung bahnte und vor der Haustür angelangt war drückte ihr die Panik ihren Magen mit kalter Faust zusammen.

Fast teilnahmslos trat sie in den Korridor.

Aus dem großen Wohnzimmer drang nur all zu deutlich Cassians Stimme zu ihr rüber.

„Na, da bist du ja endlich, meine Kaiserin. Schön, dass du dich mal wieder in unserer Behausung blicken lässt. Du scheinst dich wie es scheint kaum noch von diesem Spukschloss dort drüben lösen zu können.“ Begrüßte der Diktator im herablassenden Tonfall seine zukünftige Frau, dann griff er um ihre Taille und zog sie mit einem Ruck an seinen Körper.

Madleen wollte sich zunächst dagegen wehren, entschied aber blitzartig es doch zuzulassen.

„Sei mir gegrüßt Cassian. So früh schon wieder zurück?“

„Nun, das klingt aber nicht sehr begeistert. Ich war gut zwei Wochen unterwegs. Da hätte ich schon ein wenig mehr Begeisterung erwartet.“

„Verzeih! Ich war nur so überrascht, dich heute vorzufinden. Natürlich freue ich mich, dass du wieder da bist. Du hättest mich informieren sollen, dann wäre ich vorbereitet gewesen und hätte dich mit ganz besonderem Verlangen begrüßt.“ Heuchelte Madleen ihre Begeisterung, so gekünstelt, dass es Cassian mit Sicherheit aufgefallen war.

„Nun, es sollte eine Überraschung sein. Die ist mir dem Anschein nach auch gut gelungen.“

„Wie lange gedenkst du diesmal zu bleiben?“

„Das hört sich ja an, als ob du mich gern wieder los sein möchtest.“ Spielte er ihr eine sichtliche Enttäuschung vor.

„Das wollte ich damit nicht sagen! Es ist nur so, dass sich ich vorbereitet bin. Mein Tagesablauf gestaltet sich ein wenig anders, wenn du hier bist.“

„In der Tat! Das ist mir schon zu Ohren gekommen. Es heißt, dass du dich jetzt mehr und mehr in der Abtei einrichtest? Nun ich habe nichts dagegen einzuwenden, solange du noch nicht meine Frau bist. Wenn wir aber dann den Bund des Lebens geschlossen haben, wird sich das grundlegend ändern. Ich hoffe du bist dir dessen bewusst. Du wirst Kaiserin sein und hast entsprechende Pflichten. Ich werde deine Eigenmächtigkeiten dann kaum noch länger tolerieren können.“

Erneut durchfuhr ein Schreckensblitz Madleens Seele. Das war eine unverkennbare Drohung.

Sie löste sich aus seiner Umarmung, nahm auf einem der weichen, weinroten Samtsessel Platz und schlug die Beine übereinander.

„Verpflichtungen? Nun, den komme ich doch jetzt schon nach und das seit geraumer Zeit. Was sollte denn in Zukunft anders werden?“

„Richtig! Das ist auch der Grund meines Erscheinens. Wir haben in den nächsten drei Tagen insgesamt 7 Auftritte. Ich erwarte dass du mich begleitetest. Danach muss ich bin ich wieder für eine Woche weg.“

Madleens Gemütszustand bekam Aufwind und das hob deutlich ihre Stimmung.

„Wenn wir erst einmal verheiratet sind erwarte ich von dir nichts mehr, nein ich verlange es, bzw. befehle. Das ist der Unterschied zu deiner derzeitigen Stellung.“

Fuhr er fort und die Aussagen ließ Madleens Stimmung wieder in den Keller sacken.

„Ich verstehe!“ Antwortet Madleen kurz und bündig.

„Das ist gut! Sehr gut! Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet.“ Er ließ sich ebenfalls auf einem Sessel nieder und sein Blick schien Madleen zu durchbohren.

Da saßen sie sich nun gegenüber und das gegenseitige Misstrauen wuchs von Augenblick zu Augenblick. Nein, wie zwei jung verliebte die in naher Zukunft den Bund für Leben schließen wollten, sahen sie nicht gerade aus.

Nach dem sie sich eine Weile angeschwiegen hatten, hielt es Cassian für angebracht weiter nachzulegen.

„Ach ja, was den Termin für die Hochzeit betrifft, ich habe ihn für Anfang nächsten Monat festgelegt. Ich halte das für angemessen. Dass sind noch gut 4 Wochen. Sicher ein wenig kurzfristig, zugegeben. Aber sehr viel an Vorbereitung bedarf es ja ohnehin nicht mehr, nachdem wir diesen schon dreimal verschieben mussten. Alle Verantwortlichen sitzen in den Startlöchern und warten wie gebannt auf unser Jawort. Ich denke das lässt sich bewerkstelligen. Oder bist du etwa anderer Meinung?“

Was fragte er nach ihrer Meinung, so als ob es jetzt noch darauf ankam.

„Wie du befiehlst mein Her und Gebieter! So soll es sein!“

Ruckartig erhob sich Cassian, um im Anschluss hektisch auf und ab zu laufen, dabei knirschten seine glattpolierten Langschäfter bedrohlich auf dem Laminat-Fußboden.

„Du bewegst dich auf dünnem Eis meine Liebe. Ich habe deine Spielchen langsam aber sicher satt. Du brauchst mir nichts mehr vorzugaukeln. Ich habe dich längst durchschaut. Du bist hinterhältig und falsch. Du bist noch immer die Aufrührerin von einst. Wen wunderts bei dem Umgang, den du pflegtest, in jenen Zeiten. Aber glaub nur ja nicht, dass du mir damit durchkommst.“

Er tat erneut zu ihr und riss sie äußerst unsanft von ihrem Sitz. Dann schlang sie ihre Arme um ihn und begann ihn leidenschaftlich zu küssen.

Cassian stieß sie  nach einer Weile auf den Sessel zurück.

„Ich hoffe du hast den Kuss genossen. Du solltest sehen, auf was du verzichten musst. Auch wenn ich offiziell deine Frau werde, ich könnte nichts für dich empfinden. Las dir das gesagt sein. Ebenso gut könntest du mit einen Stück Holz im Bette liegen.“ Schleuderte sie ihm entgegen.

„Wer fragt danach? Du wirst mein Weib sein, wann immer ich es will und wann immer ich es befehle und es wird mir eine Lust sein. Ob es eine für dich ist kommt ganz auf dich an.“

Er verließ augenblicklich den Raum, um nach einer kurzen Weile noch einmal zurückzukehren.

„Heute Abend ein kleines Dinner zur Feier meiner Rückkehr. Den weiteren Abend kannst du dich ausruhen, hier, wenn du verstehst! Morgen den ganzen Tag Programm, eine Liste liegt dort drüben auf dem Schreibtisch. Mach dich damit vertraut. Ich werde keinen Ausrutscher deinerseits mehr dulden.“

Dann schlug er die Tür hinter sich zu.

Madleen sackte in sich zusammen.  Ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen Hilflosigkeit und Wut. Sie musste all das Gehörte erst einmal verdauen. Er trieb sie vor sich her wie ein gejagtes Tier. Sie saß in der Falle. Was konnte sie tun, um all dem zu entrinnen? Am Morgen, als sie Larissa in ihren Armen hielt, hatte sie alles noch mit einer gewissen Leichtigkeit betrachtet. Doch nun wurde sie sich des Ernstes der Lage voll bewusst.

Eine Entscheidung stand ins Haus, doch welche Richtung sollte sie tatsächlich einschlagen?

Sie konnte nicht seine Frau werden. Es war damit zu rechnen, dass er sie als seine Gefangene betrachtete und ebenso behandeln würde.

Sie musste hier weg. Daran bestand kein Zweifel mehr. Doch wann und unter welchen Umständen? Zu Elena? Die gab es offiziell nicht. Wo sollte sie die finden? Also dann nach Deutschland zu Colette und den anderen? Das war die einzig gangbare Lösung. Doch was sollte mit Larissa geschehen. Sie mitnehmen oder hierlassen?

 

Madleen mühte sich ab, die unglückliche Flut ihrer Gefühle zu begreifen. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren.

Mit zitternden Händen griff sie nach ihrem Handy und wählte Larissas Nummer. Die meldete sich sogleich.

„Larissa mein Liebling. Es ist etwas Unvorhergesehenes geschehen. Cassians ist zurück. Er war plötzlich da, als ich hier ankam. Wir können heute Abend nicht zusammen sein. Es tut mir unendlich leid. Aber ich muss mich die Folgetage ihm widmen. Larissa? Bist du noch dran?“

Ja! Ich bin noch dran. Ich hatte schon fast damit gerechnet.“ Sprach die Freundin mit Bitterkeit in der Stimme

„Nicht traurig sein mein Schatz. Er bleibt nur drei Tage dann ist er wieder weg, sagt er zumindest. Du musst ohne mich auskommen. Ich hatte mich so auf den Abend gefreut. Aber ich kann unmöglich zu dir kommen.“

„Ist schon in Ordnung! Ich werde es überleben und auf dich warten. Mach dir keine Gedanken, ich bin das Warten gewohnt.“

„Ich muss Schluss machen, ich glaube ich höre ihn. Er sollte vorläufig noch nichts von unserer Beziehung wissen. Ich hab dich lieb! Bis bald!“

 

Larissa drückte das Handy aus. Maßlose Enttäuschung bemächtigte sich ihrer. In ihren Augen glänzten die Tränen der Verzweiflung.

Doch es half nichts. Da musste sie durch, sie ganz allein. Wer sich mit einem Menschen wie Madleen einließ musste damit rechnen, dass ständig Unvorhersehbares auf der Tagesordnung stand.

 

Für Madleen vergingen die folgenden Tage schnell, das war der Vorteil, wenn es einen gefüllten Terminkalender gab. Sie hasteten von einem Event zum nächsten und es blieb kaum Zeit zu verschnaufen. Insgesamt lauschte sie 6 Redebeiträgen ihres Zukünftigen, besuchte einen Ball, eine Opernaufführung, ein Galadiner, musste sogar eine Militärparade über sich ergehen lassen, sie, die doch allem militärischen ausgesprochen ablehnend gegenüberstand. Es gab jede Menge Hände zu schüttelten und Autogramme zu verteilen. So viele Unterschriften hatte sie noch nie in so kurzer Zeit geleistet. Nachts lag sie bei Cassian und wünschte sich nicht sehnlicher als dessen Abwesenheit.

 

Larissa konnte einige Auftritte sogar miterleben, vor dem Fernseher in der neuen Unterkunft. Die TV-Kanäle berichteten in aller Ausführlichkeit. Madleen sah einfach nur bezaubernd aus, wie sie da so elegant daher schritt, ganz gleich was auch immer die auf ihrem Leibe trug. Larissa konnte sich rühmen, diese wunderbare Frau zu lieben. Doch, ob das ein Segen oder am Ende ein Fluch war,würde sich noch herausstellen.

Am letzten Tag steigerte sich die Sehnsucht von Augenblick zu Augenblick mehr.

 

Etwa eine Woche nachdem Larissa die künftige Kaiserin das letzte Mal gesehen hatte, begab sie sich früh am Morgen in den Park des Abteigeländes.

In den letzten Tagen hatte die Natur weiter kräftig aufgeholt. Ein frischer erdiger Duft nach regennassem Gras stieg ihr in die Nase.

Sie schloss die Augen und atmete tief durch, lauschte den Vögeln, die ihre morgendlichen Grüße an den neuen Tag zwitscherten.

Sie fühlte sich unglaublich wohl, endlich hatte sie ein echtes Zuhause gefunden. Die alte Abtei war ihr Traum, eine Insel im Ozean der Einsamkeit.

Was auch kommen mochte, hier wollte sie nie mehr weg.

 Aufgrund des ausgiebigen Regens der vergangenen Nacht bedurfte es keiner Wässerung. Sie ging die einzelnen Beete entlang und überlegte welche Arbeitsschritte wohl von Nöten seien.

Plötzlich durchdrang eine vertraute Stimme den Atem der Stille.

„Larissa!“

Und noch einmal erschallte ihr Name.

Sie blickte auf, da erkannte sie schon wer hier auf sie zueilte.

„Madleen! Madleen!“

Eine tiefe Woge der Erleichterung hatte sie erfasst.

Sie lies alles stehen und liegen, eilte auf die Geliebte zu und lies sich in deren Arme fallen.

Wortlos verharrten beide einige Augenblicke, bis Madleen der Geliebten einen dicken Begrüßungskuss verabreichte und dabei sanft deren Wangen streichelte.

Larissa war von der Zärtlichkeit dieser Geste überwältigt.

„Du bist gekommen! Ich wagte schon gar nicht mehr daran zu glauben. Ich begann schon mich damit abzufinden, dass alles aus ist“

„Er ist aufgebrochen, schon zeitig am Morgen. Ich konnte es kaum erwarten zu dir zu kommen. Du glaubst nicht welche Sehnsucht ich in den zurückliegenden Tagen nach dir hatte.

Nun sind wir wieder vereint.“

„Aber er wird wiederkommen, immer wieder und immer wieder und dich mir wegnehmen. Damit muss ich wohl leben.“

„Ja! Aber erst einmal sind wir wieder zusammen. Eine ganze Woche wird er bleiben, wenn wir großes Glück haben noch länger. Zeit für mich, dich nach Strich und Faden zu verwöhnen. Heute Nacht bist du mein und ich bin dein, meine scheue Wildkatze.“

„Ich war bei dir die letzten Tage, wenn auch nur über TV, oh wie ich dich verehre, meine erhabene Kaiserin.“

Madleens Gedanken glitten in die Tiefen der Vergangenheit. Sie sah sich wieder als Teenager wie sie vor der Glotze hing nur um ja keinen Auftritt ihrer berühmten Elena zu versäumen, wenn diese, eingehüllt in Glanz und Glimmer, auf der Mattscheibe erschien.

Wie sich die Zeiten ändern und doch so ähnlich sind.

Heute befand sie sich in der Rolle der Angebeteten.

Elena war einige Jahre älter als sie, Larissa hingegen um einiges jünger.

Madleen griff nach Larissas Händen und drückt sie ganz fest.

„Hör gut zu, was ich dir jetzt sage. Präge es dir gut ein. Was auch immer geschieht, wir werden immer zusammengehören. Wir haben uns gesucht und gefunden. Ich werde dich nicht aufgeben. Es kann sein das sich unsere Wege bald für längere Zeit trennen. Aber ich werde stets versuchen, dich wiederzufinden. Es wird einen Platz für unsere Liebe geben, glaube ganz fest daran. Ich werde meinem Möchte-gern-Gatten eine Hochzeitsfeier bieten, die er sein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Danach werde ich fliehen müssen. Wahrscheinlich Hals über Kopf. Er ahnt nichts von uns, das ist gut so. Es bedeutet Sicherheit für dich. Ich werde nach Deutschland gehen zu den Schwestern. Später werde ich nach Elena suchen.“

Traurigkeit senkte sich auf Larissas Antlitz.

Madleen hob deren Kinn und blickt tief in ihre Augen.

„Glaube mir, es gibt einen Weg euch beide zu lieben. Wenn es dir im Moment auch nicht so recht in den Kopf will. Das kann ich gut verstehen, du bist frisch verliebt. Auch ich werde es nicht einfach damit haben. Aber wir finden einen Weg.“

„Ich möchte dir so gerne glauben. Aber seit ich ein Kind war habe ich stets alles verloren an dem ich hang. Ich habe Angst, dass es auch diesmal wieder so wird.“

Larissa klammerte sich an Madleen, so als befürchte sie, diese schon im nächsten Moment wieder zu verlieren.“

„Heute ist heute. Kommt Zeit kommt Rat. Heute ergeben wir uns ganz der Liebe. Morgen oder Übermorgen beginnen wir damit Pläne für die Zukunft zu schmieden. Ich habe mir einiges Überlegt und möchte es mit dir besprechen.“

Hand in Hand schritten sie dem Konventsgebäude entgegen.