Text von Reinhard Mey

Anfang Februar während eines kurzen Aufenthaltes am Frankfurter Hauptbahnhof drückte mir ein Obdachloser für eine kleine Spende die Zeitschrift "Streetworker" in die Hand

Unter anderen konnte ich dort einen sehr interessanten Text des bekannten Sängers und Liedermachers Reinhard Mey lesen.

"Sei wachsam" aus dem Album "Leuchtfeuer" aus dem Jahre 1996. Einfach genial was Reinhard Mey hier vor Jahren geschaffen hat. Warum hat diesen Song bisher kein Sender gespielt. Die Antwort liegt auf der Hand wenn ihr ihn lest.  Der von mir sehr geschätzte Liedermacher spricht mir hier absolut aus der Seele.

 Auch die Töchter der Freiheit können das voll und ganz unterstützen.

Unter Youtube kann man sich das Lied aus einem Live-Konzert anhören.

 

Hier der Text:

 

Ein Wahlplakat auf dem nassen Rasen

Sie grinsen mich an, die alten aufgeweichten Phrasen,

Die Gesichter von auf jugendlich gemachten Greisen,

Die dir das Mittelalter als den Fortschritt anpreisen.

Und ich denk mir, jeder Schritt zu dem verheiß`nen Glück

Ist ein Schritt nach ewig gestern, ein Schritt zurück

Wie sie das Volk zu Besonnenheit und Opfern ermahnen,

Sie nennen es das Volk, doch sie meinen Untertanen.

All das Leimen, all das Schleimen ist nicht länger zu ertragen,

Wenn du lernst zu übersetzen, was sie wirklich sagen.

Der Minister nimmt flüsternd den Bischof in den Arm:

Halt du sie dumm, ich halt`sie arm!

        Sei wachsam,

Präg`dir die Worte ein!

        Sei wachsam,

Fall nicht auf sie rein! Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt,

Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!

       Sei wachsam,

Merk`dir die Gesichter gut!

       Sei wachsam,

Bewahr dir deinen Mut,

      Sei wachsam

Und sei auf der Hut!

 

Du machst das Fernsehen an, sie jammern nach guten alten Werten,

Ihre guten alten Werte sind sind fast immer die verkehrten.

Und die, die da so vorlaut in der Talk-Runde strampeln,

Sind es , die auf allen Werten mit füßen rumtrampeln:

Der Medienmogul und der Zeitungszar,

Die schlimmsten Böcke als Gärtner, na wunderbar!

Sie rufen nach dem Kruzifix, nach Brauchtum und nach guten Sitten,

Doch ihre Botschaft ist nichts als Arsch und Titten.

Verdummung,Verrohung, Gewalt sind die Gebote,

Ihre Götter sind Auflage und Einschaltquote.

Sie biegen die Wahrheit und verdrehen das Recht:

So viel gute alte Werte, echt, da wird mir echt schlecht!

 

           Sei wachsam,

Präg`dir die Worte ein!

           Sei wachsam,

Fall nicht auf sie rein! Paß auf, das du deine Freiheit nutzt,

Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sienicht nutzt!

          Sei wachsam,

Merk dir die Gesichter gut!

          Sei wachsam,

Bewahre deinen Mut.

          Sei wachsam

Und sei auf der Hut!

 

s ist`ne Riesenkonjunktur für Rattenfänger,

Für Trittbrettfahrer und für Schmiergeldempfänger,

`ne Zeit für Selbstbediener und Geschäftemacher,

Scheinheiligkeit, Geheuchel und Postengeschacher.

Und die sind alle hochgeachtet und sehr anerkannt,

Und nach den schlimmsten werden Straßen und Flugplätze benannt,

Man packt den Hühnerdieb, den Waffenschieber lässt man laufen,

Kein Pfeifchen Gras, aber `ne ganze Giftgasfabrik kannst du hier kaufen.

Verseuch`die Luft, verstrahl`das Land, mach ungestraft den größten Schaden,

Nur lass dich nicht erwischen bei Sitzblockaden!

Man packt den Grünfried, doch das Umweltschwein genießt Vertrau`n,

Und die Polizei muß immer auf den Falschen drauf`hau`n.

             Sei wachsam,

Präg`dir die Worte ein!

            Sei wachsam,

Fall nicht auf sie rein! Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt!

Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!

           Sei wachsam,

Merk`dir die Gesichter gut!

           Sei wachsam,

Bewahr`dir deinen Mut.

           Sei wachsam

Und sei auf der Hut!

 

Wir ha`m ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantieren,

Wass hilft`s wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren,

Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln

Und unterm Tisch schon kräftig mit dem Säbel rasseln?

Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich,

Abteilung kehrt,im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich!

"Wir dürfen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!"

"Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!"

"Kampfeinsätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen!"

Sie zieh`n uns immer tiefer rein, Stück für Stück,

Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück!

 

                  Sei wachsam,

Präg`dir die Worte ein!

                 Sei wachsam,

Fall nicht auf sie rein! Paß auf, dass du deine Freiheit nutzt!

Die Freiheit nutzt sich ab,wenn du sie nicht nutzt!

                 Sei wachsam,

Merk`dir die Gesichter gut!

                Sei wachsam,

Bewahr dir deinen Mut.

                Sei wachsam

Und sei auf der Hut!

 

Ich hab Sehnsucht nach Leuten die mich nicht betrügen,

Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen,

Und verschon mich mit den falschen Ehrlichen,

Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!

Ich hab Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit,

Nach`nem bisschen Rückgrad in dieser verkrümmten Zeit.

Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu lachen,

Sie wer`n dich ruinieren, exekutier`n und mundtot machen,

erpressen , bestechen, versuchen dich zu kaufen.

Wenn du die Wahrheit sagst,lass draußen den Motor laufen,

Dann sag sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt:

Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.

                  Sei wachsam,

Präg`dir die Worte ein!

                 Sei wachsam,

Fall nicht auf sie rein! Paß auf, daß du die Freiheit nutzt!

Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!

                Sei wachsam,

Merk`dir ihre Gesichter gut!

               Sei wachsaam,

Bewahr dir deinen Mut-

               Sei wachsam

Und sei auf der Hut!